Frauenfußball in Ägypten: Kleopatras ohne Scheinwerferlicht

    Frauenfußball in Ägypten:Kleopatras ohne Scheinwerferlicht

    Golineh Atai
    von Golineh Atai
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    Im Mittleren Osten ist Fußball der Sport Nummer Eins für Männer und Frauen. Doch patriarchale Machtstrukturen behindern die Frauen, eine Fußballkarriere einzuschlagen.

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    Vielleicht ist in Ägypten der Kontrast besonders groß - der Kontrast zwischen den starken, reichen Traditionsclubs der Männer, die regelmäßig Spiele in der Region gewinnen und einem Frauenfußball, der mit viel Einsatz und Hingabe von einigen wenigen nicht wirklich vorankommt.
    Weder Al-Ahly noch Zamalek - die beiden Stars der Liga - haben Frauenteams. Dabei ist das Interesse an Frauensport größer als zuvor: Nicht nur auf der Straße sind kickende Frauen zu sehen, jedes Jahr melden sich immer mehr Frauen und Mädchen in den Fußballakademien an.

    FIFA schloss ägyptische Frauenteams drei Jahre aus Rangliste aus

    Ägyptens Damen-Tennis, Damen-Squash oder die Handballerinnen ziehen immer mehr Zuschauer und Fans an - doch beim Frauenfußball bleibt die breite Anerkennung ein Wunschtraum.
    2018 wurde Ägypten aus der Rangliste der FIFA-Frauen-Nationalmannschaften ausgeschlossen, weil es nicht genügend Qualifikations-Freundschaftsspiele gegen andere Nationen absolviert hatte. Es dauerte drei Jahre, bis die Kleopatras wieder auf die Rangliste zurückkehrten.
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    Immerhin scheinen nun die beiden Stars der Liga - Al-Ahly und Zamalek - nach Jahren der Diskussionen begriffen zu haben, dass sich etwas bewegen muss: Frauenteams sind für die Saison 2023/24 im Aufbau, melden sie.

    Klischees und Trollkommentare gehen nicht spurlos an den Frauen vorbei

    Die 18-jährige Maja Ehab ist Zahnmedizin-Studentin, Spielerin beim Tabellenführer Wadi Degla und im Nationalteam. Sie brennt für ihr Ziel, Profi-Fußballerin zu werden. Klischees und Trolle im Netz, die statt die Erfolge der Kickerinnen zu feiern deren Aussehen kommentieren oder Frauen "zurück in die Küche" schicken wollen, gehen nicht spurlos an Maja vorbei:

    Ich ärgere mich sofort. Besonders wenn ich fühle, dass nicht nur ich unterschätzt werde, sondern auch der Sport - also das, was ich liebe. Aber ich sage mir, am Ende des Tages ist das alles nur Gerede.

    Maja Ehab, ägyptische Nationalspielerin

    Ihr Vater, Bauingenieur und selbst ehemaliger Fußballer, entdeckte ihr Talent, der Onkel ermunterte die Eltern, Maja zum Training zu schicken, ihre Mutter - die zuerst dachte, Fußball zieme sich nicht für ein Mädchen - gab schließlich nach. Nur bei der Wahl des Studienfachs setzte sie sich durch: weder Sport noch Physiotherapie - lieber etwas "Anständiges".
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    "Es gibt hier kaum Aufmerksamkeit für Frauenfußball"

    Heute sträubt sie sich nicht einmal gegen die Idee, ihre Tochter in Europa Karriere machen zu lassen: "Ich wäre sogar glücklicher, wenn sie Profi wäre in einem Land, in dem es um den Frauenfußball besser steht als hier", sagt Dunja Ahmad.

    Es gibt hier kaum Aufmerksamkeit dafür, nicht einmal in den Medien, kein Frauen-Match wird so regelmäßig wie im Männerfußball ausgestrahlt, es gibt Diskriminierung in allem, bei den Finanzmitteln, im Trainingscamp, bei der ganzen Infrastruktur - das erzeugt ein permanentes negatives Gefühl.

    Dunja Ahmad, Majas Mutter

    "Maja investiert mehr, als sie zurückbekommt", so Ahmad. "Also wenn sie noch ein bisschen 'schwergewichtiger' wird, werden wir Maja im Ausland vorstellen. Ich glaube, sie will nach England", sagt Majas Vater Ehab Al-Marghani.
    Die Generation unter zwanzig, sagt er mit Verweis auf seine beiden Kinder, sei ohnehin ganz anders als die Eltern. "Wir wuchsen mit den Anweisungen der Eltern auf. Diese Generation aber folgt nur dem eigenen Kopf".
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    Trainer fordert mehr Unterstützung vom Fußballverband

    Noch vor einigen Jahren sei es schwer gewesen, Spielerinnen zu finden, meint Wadi-Degla-Coach Wael Al-Sayed. "Aber die Welt hat sich verändert, die Gesellschaft hat diesen Frauensport akzeptiert. Nur: Wir brauchen mehr Unterstützung von unserem Fußballverband. Wir haben mindestens zehn Spielerinnen, die in Europa spielen könnten." Er beklagt die fehlende Unterstützung:

    Viele haben große Ziele, wollen bei der WM, bei den Olympischen Spielen dabei sein. Aber es gibt nicht so etwas wie einen Zehn-Jahres-Plan. Nichts ist durchdacht.

    Wael Al-Sayed, Trainer bei Wadi Degla

    Auch Nationalcoach Mohammad Mostafa Abdelhamid lässt Enttäuschung durchblicken: "Es fällt mir schwer, das zu sagen. Aber das Mobbing, das kommt von den Funktionären. Und manchmal auch von den Medien - die eigentlich die Menschen aufklären und nicht noch zu mehr Mobbing ermutigen sollen. Ich habe den Ehrgeiz, dass die Spielerinnen hier die Medien schließlich zwingen werden, mit ihnen zu sprechen - und zwar durch ihren Erfolg."

    Wirkmächtige alte Rollenbilder

    Wer in den Cafés der Altstadt von Kairo Shisha-rauchende Männer beim Fußball-Fernsehabend trifft, erfährt, wie wirkmächtig die alten Rollenbilder noch sind. Auf die Frage, ob er sich auch Frauenfußball anschaue, lacht ein Fan von Al-Ahly, einem der wichtigsten Vereine Afrikas, los: "Klar, wenn da ein paar Miezen mitspielen, dann werd' ich mir das angucken".
    Während die wenigen fußballinteressierten Zuschauerinnen sich im Interview wünschen, dass Frauenfußball in Ägypten gefördert werden sollte, machen viele Männer sich darüber lustig oder kritisieren den im Vergleich zu den Männern "körperlich schwachen Auftritt" der Frauen.

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