Der Aufsichtsrat tut das Erwartbare, indem der sich von jeder Form von Hass, Hetze und Antisemitismus distanziert. Erwähnt wird in dem Papier, dass Mariette Rissenbeek während der Preisverleihung sehr wohl die Attentate der Hamas verurteilt und die Freilassung der Geiseln gefordert hatte. Das ist in vielen empörten Äußerungen und Medienberichten nach der Gala oftmals verschwiegen worden.
Die Aufforderung an Rissenbeek, an den von der Hamas entführten Schauspieler David Cunio zu erinnern, wirkt seltsam deplatziert, denn auch Claudia Roth und Kai Wegner sollen noch vor dem Beginn der Berlinale über sein Schicksal informiert worden sein. Sie hätten also Einfluss nehmen können, damit schon Cunio, der 2013 auf dem Festival für seine Film Youth gefeiert wurde, während der Berlinale gewürdigt wird. Es hätte auch die politische Balance zurecht gerückt.
Interessant wird es, wie man die Freiheit der Kunst und die Codes of conduct, also die Verhaltensregeln für den Kulturbetrieb um antisemitische Entgleisungen in Zukunft verhindern, zusammenbringen wird, ohne dass Rufe nach Zensur laut werden. Tricia Tuttle, die neue Intendantin, die ihr Amt im April antritt, soll das Leitungsteam neu und schlagkräftiger aufstellen.
Eine Menge Arbeit liegt vor ihr. Ein Wettbewerb, in dem nicht politische Parolen von Künstlern sondern die Qualität der Filme für Gesprächsstoff und sogar Aufregung sorgt, ist dem Festival zu dringend zu wünschen.
Stephan Merseburger ist Leiter des ZDF-Landesstudios Berlin