Berlinale: Antisemitismus-Vorwürfe nach Verleihung
Analyse
Vorwürfe gegen Israel:Parolen und Preise: Eklat bei der Berlinale
von Gudula Moritz
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Vom Höhepunkt zum Tiefpunkt: Wie aus der würdevollen Preisverleihung der Berlinale unfreiwillig ein Protest gegen Israel wurde: Hat die Kulturszene ein Antisemitismus-Problem?
Die Berlinale gilt traditionell als besonders politisches Filmfestival, ein Image, das sie selbst gerne kultiviert. Angesichts der aufgeheizten Stimmung im Land und den vielen internationalen Krisenherden hatte sich die Festivalleitung für ihre letzte Berlinale besondere Zurückhaltung auferlegt.
Anders als im vergangenen Jahr, als man sich mit einem Bärchen fürs Jackett in den Nationalfarben der Ukraine ganz bewusst politisch positioniert hatte, war man diesmal vor allem um Entschärfung der Lage, Appeasement bemüht: Keine Aktionen seitens des Festivals auf dem roten Teppich und auch keine Podiumsdiskussionen wie etwa zum russischen Überfall auf die Ukraine oder gar zum eskalierten Nahost-Konflikt.
Vorwürfe gegen Israel dominieren Zeremonie
Spätestens mit der Preisverleihung am vergangenen Samstag ist allerdings deutlich geworden, dass dieses Konzept nicht aufgegangen ist. Dabei hatte sich die scheidende Geschäftsführerin Mariette Rissenbeek zu Beginn der Veranstaltung um Ausgewogenheit bemüht:
Wir fordern Hamas auf, die Geiseln umgehend freizulassen, und wir fordern Israel auf, alles erdenklich Mögliche zu tun, um die Zivilbevölkerung in Gaza zu schützen und dafür zu sorgen, dass dauerhaft Frieden in die Region zurückkehren kann.
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Mariette Rissenbeek, Berlinale
Doch im Anschluss hieß es dann Bühne frei für Preisträger, Jurymitglieder und Laudatoren, von nun an dominierten einseitige Vorwürfe gegen Israel die Zeremonie, ohne den Terrorangriff der islamistischen Hamas vom 7. Oktober 2023 auch nur zu erwähnen; die Rede war von "Genozid", "Terror" und "Apartheid" durch den israelischen Staat, gefordert wurde unter anderem, deutsche Waffenlieferungen an Israel sofort zu stoppen.
Diop zeigt Solidarität mit palästinensischen Menschen
Wer als Zuschauer der Preisverleihung im Saal oder im Livestream beiwohnte, musste feststellen: Israel-Bashing, nicht Dialog war an diesem Abend gefragt, teilweise unterstützt von frenetischem Beifall im Publikum.
Lorenz Maroldt, Chefredakteur des Tagesspiegels, spricht von einer "Pro-Palästinenser-Show bei der Berlinale". Sie gipfelte in einer Solidaritätsbekundung der Gewinnerin des Goldenen Bären, Mati Diop, die in ihrer Dankesrede zusammenhangslos nachwarf: "I stand in solidarity with Palestine" - meine Solidarität gilt Palästina.
Filmjournalistin: "dröhnendes Schweigen" im Berlinale-Saal
Wer sich dieser Haltung nicht anschließen mochte, blieb ratlos und voller Unbehagen zurück: Die Filmjournalistin Margret Köhler beklagt "das dröhnende Schweigen über die Terrorattacken der Hamas" im Saal. Wer das Kriegsende verlange, dürfe nicht den Ausgangspunkt dieses militärischen Konflikts negieren.
Köhler konstatiert einen "unterschwelligen Antisemitismus in der Kulturszene", der sich auch in der gängigen Stigmatisierung der Palästinenser als Opfer spiegele.
"Beschämend" findet Nicola Galliner, ehemalige langjährige Chefin des Jüdischen Filmfestivals Berlin und Brandenburg, die Vorfälle bei der Abschlussgala. Sie beobachtet mit Sorge den wachsenden Antisemitismus der Kulturschaffenden seit den Terrorangriffen der Hamas, der sich auch im Wegsehen manifestiere.
Galliner verweist darauf, dass etwa das Berliner Filminstitut "Arsenal", Heimat des politischen Kinos und einst Spielort des Jüdischen Filmfestivals, auf die Terrorattacken des 7. Oktober oder den diesjährigen Holocaust-Gedenktag nicht mit einer Filmprogrammierung reagiert habe.
Entschuldigung der Berlinale matt und hilflos
Von den "teils einseitigen und aktivistischen Meinungen von Preisträger*innen" hat sich die Festivalleitung der Berlinale am Montagabend distanziert, diese Meinungen würden "in keiner Form die Haltung des Festivals" widerspiegeln.
Das klingt matt und hilflos angesichts des Geschehenen und macht deutlich, wie wenig die Dramaturgie einer Preisverleihung für den politischen Diskurs geeignet ist.
Die Digitalexpertin Karin Bjerregaard Schlüter stellt fest:
Der Nahost-Konflikt ist um einiges komplexer, als dass der Diskurs mit Parolen bewältigt werden kann.
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Karin Bjerregaard Schlüter, Digitalexpertin
Wohl wahr. Das alles sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich für den Zuschauer und den Festivalbesucher auf der Abschlussgala der Berlinale auch eine weitere Krise spiegelte: Der Wettbewerb - die Königsklasse der großen Filmfestivals - konnte dieses Jahr mal wieder nicht überzeugen - eine ästhetische Krise also.
Denn: Wenn es eben nicht die Filme sind, die die Zuschauer fesseln und begeistern können, wird ein Filmfestival umso schneller auch Forum für die aktuelle Politik.
Gudula Moritz ist Redakteurin der 3sat-Sendung "Kulturzeit"
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