FAQ
Karlsruhe zu Studienförderung:Was die Bafög-Entscheidung bedeutet
von S. Kirsch und D. Heymann
Der Staat muss die Bafög-Sätze für Studierende nicht erhöhen, auch wenn sie nicht zum Leben reichen. Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wirft Fragen auf.
Karlsruhe hat entschieden: Der Staat muss Studierende nicht so fördern, dass sie davon ihren Lebensunterhalt bestreiten können.
Quelle: dpa
Dass das Bafög vielerorts nicht ausreicht, um die gestiegenen Lebenshaltungskosten zu decken, beklagen viele Studierende - auch vor Gericht. Einer entsprechenden Klage hat das
Bundesverfassungsgericht diese Woche eine Absage erteilt und damit die Hoffnungen, eine Bafög-Erhöhung auf dem Gerichtsweg durchzusetzen, gebremst.
Was hat das Bundesverfassungsgericht entschieden?
Studierende haben keinen Anspruch darauf, vom Staat finanziell so gefördert zu werden, dass sie davon ihren Lebensunterhalt für ein Studium bestreiten können - so lässt sich der Beschluss aus Karlsruhe zusammenfassen. Konkret bezieht sich die Entscheidung auf die Bafög-Grundpauschale für den Zeitraum von Oktober 2014 bis Februar 2015. Sie lag seinerzeit bei 373 Euro. Zu niedrig, um davon leben zu können, argumentierte eine Studentin und klagte.
Auch wenn die Entscheidung einen vergangenen Zeitraum betrifft, ist sie grundsätzlicher Art: Aus dem Grundgesetz ergibt sich kein Recht auf ein ausbildungsbezogenes Existenzminimum. Stattdessen betonen die Richterinnen und Richter den Spielraum des Gesetzgebers, wenn es um die Verteilung staatlicher Leistungen geht.
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Eine rote Linie zieht das Gericht aber schon ein: Verfassungsrechtlich zu beanstanden wäre ein Zustand, bei dem ganze Bevölkerungsgruppen faktisch von vornherein keine Chance auf Zugang zu bestimmten Ausbildungs- oder Berufsfeldern hätten.
Das Bundesverfassungsgericht geht aber davon aus, dass das für den beurteilten Zeitraum nicht der Fall war. Ob sich die Lage seit 2015 wegen weiter gestiegener
Inflation möglicherweise geändert hat, müsste in einem neuen Verfahren entschieden werden.
Wie begründet das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung?
Dass das Gericht den Spielraum des Gesetzgebers so stark betont, begründet es unter anderem mit der Schuldenbremse. Der Staat sei angesichts begrenzter Finanzmittel gezwungen zu priorisieren und könne den Sozialstaat nicht beliebig ausbauen. Auch sei es notwendig, die Bereitschaft des Steuerzahlers "zur Solidarität mit sozial Benachteiligten zu erhalten".
Deswegen sei es erforderlich, Prioritäten zu setzen, und dies sei Sache des Gesetzgebers. Ihm lassen die Richterinnen und Richter weitgehend freie Hand, wie er staatliche Leistungen verteilt und inwieweit er finanzschwache Studierende unterstützt.
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Was bedeutet das konkret für Bafög-Empfänger?
Die Kernbotschaft aus Karlsruhe lautet: Die Entscheidung über die Höhe des Bafögs ist eine politische und keine juristische. Für Bafög-Empfänger ändert sich faktisch nichts, denn der Beschluss - zumal er die Jahre 2014 und 2015 betrifft - nimmt keinen Einfluss auf den Status quo der Bafög-Sätze. Er stellt lediglich klar, dass der Ansprechpartner hierfür die Politik ist.
Die hat erst in diesem Jahr eine
Bafög-Reform beschlossen, durch die die Sätze leicht steigen, im Höchstfall auf 992 Euro. Berechtigt sind Personen, die alleine oder mithilfe ihrer Eltern nicht in der Lage sind, die Finanzierung ihrer Ausbildung selbst zu stemmen. Zudem können Studierende aus einkommensschwachen Haushalten zu Beginn des Studiums eine einmalige Starthilfe in Höhe von 1.000 Euro erhalten, die nicht zurückgezahlt werden muss.
Muss die Bafög-Grundpauschale so hoch sein wie das Bürgergeld?
Wohl kaum. Denn
Bürgergeld und Bafög verfolgen unterschiedliche Zwecke. Das Bürgergeld dient der Sicherung eines durch die Menschenwürde garantierten Existenzminimums für Personen, die nicht in der Lage sind, diesen Grundstandard selbst zu erwirtschaften.
Für Studierende, die alternativ arbeiten oder eine bezahlte Ausbildung absolvieren könnten, gilt hingegen der Vorrang der Selbsthilfe. Hierzu stellt das Gericht klar: Der Staat ist nicht verpflichtet, Studierende so zu fördern, dass sie studieren können, ohne arbeiten zu müssen.
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Entscheidet er sich dagegen, verletzt das nicht die Menschenwürde des Einzelnen - selbst wenn er oder sie deswegen faktisch keine Möglichkeit hat zu studieren, weil Studium und Arbeit nicht vereinbar sind.
Erst wenn insgesamt eine fehlende oder unzureichende Förderung dazu führen würde, dass der Zugang zu akademischen Berufszweigen finanzschwächeren Bevölkerungsgruppen in erheblichem Umfang versperrt wäre, müsste der Staat doch handeln, um ein Mindestmaß an Teilhabe zu gewährleisten.