1 (-) Sie wollen Dostojewski aus der Lektüreliste verbannen und kein Sushi essen, das von Weißen zubereitet wurde: Über den identitätspolitischen Aktivismus an US-Universitäten ist schon viel geschrieben worden. Die Autorin Caroline Fourest erklärt, wie es so weit kommen konnte. Und plädiert aus linker Perspektive für die freie Rede: Das Seminar solle zum "Safe Space" der kontroversen Debatte werden. 62 Punkte
2 (-) Als Corona im Frühjahr in Italien wütete, erflehten die Menschen in den Sozialen Medien die Wiederkehr eines gewissen Luchino Visconti. Der Alleinherrscher von Mailand hatte 1348 die gesamte Stadt abgeriegelt, um seine Bürger vor der Pest zu schützen. Der Wunsch nach Autoritäten ist nur eine von vielen Parallelen, die der Historiker Volker Reinhardt zwischen Gegenwart und Vergangenheit zieht. 57 Punkte
3 (-) Anders als im Western war das reale Skalpieren keine "Indianer-Grausamkeit": Siedler bezahlten die Ureinwohner dafür – als "Arbeitsnachweis". Die Dominanz des weißen Mannes beruhe auf solchen Lügen, meint Ijeoma Oluo. Mit bitterbösem Spott beschreibt sie ihn als mittelmäßige Figur, die vor den Problemen der Gegenwart nur kapitulieren kann. 45 Punkte
4 (3) Die Belle Époque ließe sich aus Sicht vieler großer Persönlichkeiten erzählen: Oscar Wilde etwa, Guy de Maupassant oder Marcel Proust. Der Schriftsteller Julian Barnes wählt für sein buntes Epochenporträt eine Figur, die heute weitestgehend unbekannt ist: den Arzt Dr. Samuel Pozzi. Ein Freigeist, Visionär und Intellektueller, der sie alle kannte. 41 Punkte
5 (-) Der Kern des Postfaktischen ist nicht die Lüge, sondern die Halbwahrheit, schreibt die Germanistin Nicola Gess. Sie seien deshalb so wirkungsvoll, weil sie sich scheinbar faktisch belegen ließen. Anhand von Uwe Tellkamp, Ken Jebsen und Claas Relotius zeigt sie: Mit Faktenchecks komme man gegen Halbwahrheiten nicht an. Ihr Prinzip sei nicht "wahr oder falsch", sondern "passend oder unpassend". 40 Punkte
6 (-) 2017 entdeckte ein Teleskop auf Hawaii ein Flugobjekt mit seltsamen Eigenschaften in unserem Sonnensystem: "Oumuamua" hatte die Form einer Zigarette, leuchtete variabel und hinterließ keine Spuren von Gas oder Staub. War es ein solarbetriebenes Alien-Raumschiff? Harvard-Astronom Avi Loeb ist davon überzeugt – und stellt die Frage, was sich daraus für die Zukunft der Menschen ableiten lässt. 33 Punkte
7 (9) Als "Rattenlinien" bezeichneten US-Agenten Nazi-Fluchtrouten nach dem Krieg. Einer dieser flüchtigen NS-Verbrecher war Otto Wächter, einst Gouverneur in Polen. Nach einer Begegnung mit dessen Sohn erzählt Philippe Sands, britischer Anwalt und Bestseller-Autor, von Wächters Lebensweg. Eine Geschichte von Liebe, Intrigen, Spionage – und den Verstrickungen der katholischen Kirche. 31 Punkte
8 (-) Als die Nazis die Niederlande besetzt hatten, bot die Künstlerin Gisèle van Waterschoot ihren jüdischen Freunden Schutz in ihrer Amsterdamer Wohnung. Unter ihnen auch der Dichter Wolfgang Frommel, der nach dem Krieg die Kulturstiftung "Castrum Peregrini" gründete – ein von sexueller Ausbeutung überschatteter Männerbund, protegiert von Gisèle. Die Rekonstruktion eines bewegenden Lebens. 30 Punkte
9 (-) Sie will die toten Winkel der Welt beleuchten, sagt die Fotoreporterin Julia Leeb. Die Orte, von denen sonst keine Dokumente nach außen dringen. Diese lebensgefährlichen Reisen in den Sudan, nach Nordkorea oder zu den Warlords im Kongo sind Gegenstand ihres Reportagebandes. Leeb zeigt: Es sind vor allem die Frauen, die auch in den schlimmsten Krisen Hoffnung geben. 27 Punkte
10 (-) "In dem Moment, in dem wir damit aufhören, uns widersprüchliche Meinungen anzuhören, können wir auch nichts Neues mehr lernen", schreibt Elif Shafak. Genau diese Gefahr sieht die türkisch-britische Bestseller-Autorin aber in den Echokammern der Sozialen Medien. Sie zeigt Wege auf, wie wir durch Einfühlungsvermögen unseren Glauben an eine bessere Zukunft zurückgewinnen können. 25 Punkte
10 (-) Es beginnt mit einer Fliege. Statt sie totzuschlagen, versucht Emilia Roig mit ihr zu leben: "Der neue Blick erlaubt mir, sie als lebenswert zu sehen", schreibt die Diskriminierungs-Forscherin. Einen Perspektivwechsel will auch sie herbeiführen. Roig mischt Biografisches mit postkolonialer Theorie, um zu zeigen, wie Minderheiten systematisch unterdrückt werden. Ein Plädoyer, die Welt neu zu denken. 25 Punkte
Jedes Jury-Mitglied der Sachbuch-Bestenliste vergibt monatlich an vier Sachbücher je einmal 15, 10, 6 und 3 Punkte.
Die Jury der Sachbuch-Bestenliste: René Aguigah (Deutschlandfunk Kultur), Peter Arens (ZDF), Susanne Billig (Deutschlandfunk Kultur), Ralph Bollmann (F.A.S.), Stefan Brauburger (ZDF), Alexander Cammann (DIE ZEIT), Gregor Dotzauer (Der Tagesspiegel), Heike Faller (DIE ZEIT), Marlen Hobrack (DIE ZEIT), Daniel Fiedler (ZDF), Jenny Friedrich-Freksa (Kulturaustausch), Manuel J. Hartung (DIE ZEIT), Thorsten Jantschek (Deutschlandfunk Kultur), Kim Kindermann (Deutschlandfunk Kultur), Inge Kutter (DIE ZEIT), Hannah Lühmann (DIE WELT), Ijoma Mangold (DIE ZEIT), Tania Martini (taz), Susanne Mayer (DIE ZEIT), Christoph Möllers (HU Berlin), Catherine Newmark (Deutschlandfund Kultur), Jutta Person (freie Literaturkritikerin), Bettina von Pfeil (ZDF), Jens-Christian Rabe (Süddeutsche Zeitung), Christian Rabhansl (Deutschlandfunk Kultur), Anne Reidt (ZDF), Anna Riek (ZDF), Stephan Schlak (Zeitschrift für Ideengeschichte), Hilal Sezgin (freie Autorin), Catrin Stövesand (Deutschlandfunk), Elisabeth von Thadden (DIE ZEIT)
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