Im Interview sprechen die drei Tierfilmerinnen Sarah Whalley (Autorin und Regisseurin der zweiten Folge "Von Satyrhühnern und Geisterbären"), Charlotte Bostock (Autorin und Regisseurin der ersten Folge "Von Sumpfmonstern und Zombiefischen" sowie der achten Folge "Vom Überleben in der Menschenwelt") und Kiri Cashell (Autorin und Regisseurin der fünften Folge "Von Bärenpavianen und Tanzvögeln") über die besonderen Herausforderungen für Frauen im Tierfilmbereich, ihre Vorbilder und das beeindruckendste Erlebnis ihrer Karriere.
Wie schön, dass bei dieser Produktion auch so viele Tierfilmerinnen am Start sind. Wie kam es dazu, dass Sie diesen Beruf ergriffen haben?
Kiri Cashell: Meinen ersten Filmjob bekam ich bei der BBC-Serie "Autumnwatch" 2009. Damals war ich so eine Art Mädchen für alles, kochte Kaffee für das Team und erledigte kleinere Aufträge – immerhin war es ein erster, wichtiger Kontakt zur Branche. Dann begann ich, Ideen für Geschichten niederzuschreiben, um den Produzenten zu zeigen, wie sehr ich lernen und mich weiter entwickeln wollte.
Sarah Whalley: Ich hatte mein Zoologiestudium mit Schwerpunkt Umweltschutz gerade abgeschlossen und arbeitete an meiner Dissertation über Honigbienen. Die haben dann insgesamt vielleicht vier Leute gelesen. Spätestens da wurde mir klar, dass ich mit dem Tierfilm so viel mehr Menschen erreichen kann als mit wissenschaftlichen Studien. Mit den Filmen, die wir produzieren, sprechen wir Millionen von Menschen an. Das war eine Art Offenbarung für mich.
Charlotte Bostock: Vor zwölf Jahren habe ich entschieden, Tierfilmerin zu werden: Ich wollte mithelfen, die Natur zu schützen. Das Ärgerliche war, dass ich keinen relevanten Abschluss hatte und keinerlei Erfahrung im dem Filmgeschäft. Ich war damals Toningenieurin und hatte eigentlich nur meine unerschütterliche Leidenschaft und Entschlossenheit zu bieten. Zwei Jahre Durchhaltevermögen waren nötig, um den Durchbruch in dieser Industrie zu schaffen.
Gibt es für Frauen besondere Herausforderungen beim Tierfilm?
Sarah Whalley: Vor Ort kann es sein, dass du die einzige Frau bist. Viele Kameraleute sind Männer und die meisten Assistenten ebenso. Manchmal müssen wir uns Schlafplätze teilen, Privatheit darf man da nicht zu hoch bewerten. Ich habe in mindestens 15 Ländern rund um die Welt gearbeitet. Manchmal kann es dich zum Ziel machen, eine Frau zu sein. Es gibt eben Länder, in denen man mehr daran gewöhnt ist, berufstätige Frauen zu sehen als in anderen. Ich neige dazu, Witze darüber zu machen und alles Negative generell eher schnell zu vergessen. Das Kernteam der Folge "Von Satyrhühnern und Geisterbären", bei dem ich Autorin und Regisseurin war, war das einzige komplett weibliche Team der Serie und einige der Geschichten sind ziemlich emotional. Wir haben sehr sorgfältig darüber nachgedacht, wie wir manche Momente der Zärtlichkeit und Intimität vermitteln können, so dass die Zuschauer wirklich mit den Tieren mitfühlen können.
Kiri Cashell: Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass man mir am Anfang immer gesagt hat, dass ich besonders hart arbeiten muss, um als Blondine überhaupt ernst genommen zu werden. Ich fand diese Sichtweise damals schon steinzeitlich. Zuerst war ich frustriert und geschockt, aber ich ließ nicht zu, dass solche Sprüche mich irgendwie zurückhielten. Ich habe mich darauf konzentriert, wie ich mich durchkämpfen kann und Widerstände umgehen. Ich verließ mich auf meine Stärke und versuchte, mich immer weiter zu verbessern – und mich nie zu verbiegen, um anderen zu gefallen. So oft lerne ich unglaublich talentierte Frauen kennen, die vom "Imposter Syndrom" gequält werden, also meinen, sie hätten nicht verdient, was sie sich erarbeitet haben. Andere verkaufen sich weit unter Wert. Es ist wichtig, eine positive Haltung zu haben und den eigenen Instinkten zu folgen. Nur so kann man herausfinden, welche Art von Filmemacherin man ist. Und das verleiht Selbstvertrauen. Das hilft, Schwierigkeiten zu überstehen. Wenn man sich selbst in Frage stellt, dann tun das auch die anderen.
Charlotte Bostock: Die größten Herausforderungen hatte ich vor allem in Ländern zu bestehen, wo Frauen nicht einmal das Recht auf einen Platz am Tisch haben. Manchmal waren diese Orte einfach kulturell so völlig anders. In der Regel versuche ich, andere Kulturen zu respektieren. Wenn ich in ein Land reise, informiere ich mich genau über die Regeln und versuche, mich respektvoll zu kleiden und zu benehmen. Aber wenn ich auf wirklich frauenfeindliche Leute treffe, dann zeige ich Stärke und verteidige meine Position.
Hatten Sie ein Vorbild für Ihre Arbeit?
Sarah Whalley: Ich habe früher schon David-Attenborough-Programme gesehen und gedacht: "Genau das willst du auch machen." Sir David hatte schon immer enormen Einfluss auf mich. Außerdem bewundere ich Jane Goodall, die die Grenzen des Möglichen enorm verschoben und einfach Dinge getan hat, die Frauen damals normalerweise nicht taten. Sie hat mich inspiriert, Wissenschaftlerin zu werden – und natürlich auch zum Reisen.
Kiri Cashell: Bei mir ist es auch Jane Goodall. Ich teile ihre Liebe zur Tierwelt Afrikas. Sie hat sich für eine Karriere in Primatologie entschieden, als Frauen in der Biologie noch eine Ausnahme waren. Weil sie junge Frauen dazu inspiriert hat, in der Biologie zu forschen, ist das Geschlechterverhältnis in der Primatenforschung nahezu ausgeglichen. Leute fragen mich oft, wie es ist, in der Wildnis zu arbeiten. Die Wahrheit ist: Es ist der Teil von meinem Job, der mir am meisten Spaß macht. Ich genieße sogar die Drehs am meisten, bei denen man physisch wirklich hart arbeiten muss, um den besten Shot zu bekommen.
Was würden Sie jungen Frauen raten, die den Wunsch haben, Tierfilmerin zu werden?
Sarah Whalley: Ich würde sagen: Macht es einfach! Es ist Zeit, dass die Frauen die Wildnis erobern. Aber im Ernst: Man braucht sehr viel Geduld – einerseits, um in dieser Industrie Fuß zu fassen, und andererseits, um ein Tier zu beobachten, bis es ein besonderes Verhalten zeigt. Die meisten Menschen im Naturfilmbereich haben einen wissenschaftlichen Hintergrund, meist im Bereich Biologie. Denn es ist wichtig, zu verstehen, was die Tiere als nächstes tun werden. Den Medienteil kann man lernen. Große Hingabe, Detailverliebtheit und die Fähigkeit, eine faszinierende Geschichte zu erzählen, sind die essenziellen Fähigkeiten. Ich habe auch den Eindruck, dass sich Frauen oft unterschätzen. Mein Rat: selbstbewusst sein und sich auf den eigenen Instinkt verlassen.
Kiri Cashell: Sieh es als Stärke an, eine Frau zu sein, und verwässere nicht, wer du bist. Wie jeder gute Filmemacher, egal ob Mann oder Frau, musst du vor allem optimistisch, empathisch und selbstsicher sein – und immer bereit, dich weiterzuentwickeln. Und: Du musst Dich selbst kennen. Sei zäh, gib nie auf und setze alle Kraft ein, um zu erreichen, was du dir vorgenommen hast. Das hilft dabei, zu begreifen, wozu ihr in Wirklichkeit fähig seid. Zum Schluss noch ein wichtiger Hinweis: Hab keine Angst, um Hilfe zu bitten. Etwas nicht zu wissen, ist keine Schwäche. Fragen hilft dabei, besser zu werden.
Charlotte Bostock: Eine Frau zu sein, schränkt dich nicht ein, wenn du Tierfilmerin werden möchtest. Es geht nur um Begeisterung, Geduld, Ausdauer und darum, eine gute Geschichtenerzählerin zu sein. Nichts davon ist durch Genderrollen definiert. Wenn du etwas willst, sorge dafür, dass du es bekommst.
Was war das eindrucksvollste Erlebnis während eines Drehs?
Charlotte Bostock: Die Erfahrung, die mich am meisten beeindruckt hat, war das Zusammentreffen mit der seltensten Katze der Welt, dem Iberischen Luchs. Ich war wochenlang in Spanien unterwegs, um Kamerafallen aufzustellen. Jeden Tag lief ich meine Route durch das Luchsgebiet, um nach den Kameras zu sehen. An einem Morgen – ich wieder einmal allein unterwegs – fühlte ich plötzlich, dass mich jemand anstarrte. Instinktiv drehte ich mich herum und da saß der Luchs, nur ein paar Meter entfernt. Es war die edelste Katze, die ich jemals gesehen hatte. Sein Blick drückte nur eines aus: völlige Gleichgültigkeit. Er saß auf seinem Felsen, und ich setzte mich ganz ruhig hin. So saßen wir einfach einige Zeit da, in wundervoller Ruhe: zwei Wesen mit Respekt für den jeweils anderen. Es war ein unglaublicher Moment, der mich demütig zurückließ und der immer ein großes Geschenk für mich sein wird. Nach diesem Zusammentreffen hatte ich das Gefühl, dass der Luchs Vertrauen gefasst hatte. Ich sah ihn so regelmäßig, dass wir ihn wunderbar mit einem Teleobjektiv filmen konnten, und nach Jahren der Vorbereitung wurden die Kamerafallen völlig überflüssig.
Sarah Whalley: Auch bei mir ging es um eine große Katze. Das war bei einem Dreh über Pumas in einer der schönsten und majestätischsten Landschaften auf des Planeten: Torres del Paine. Wir drehten für "Eine Erde, viele Welten". Unser Ziel war eine erfolgreiche Pumajagd, etwas, das die BBC zuvor schon seit 30 Jahren versucht hat. Eine entmutigende Aufgabe. Aber schon der erste Blick auf unsere Protagonistin, eine Pumamutter mit drei Jungen, war ein Moment, den ich niemals vergessen werde. Wir sind ihr jeden Tag zu Fuß gefolgt und lernten sie immer besser kennen. Wir konnten ihre Frustration nachempfinden, wenn eine Jagd schief gegangen war, und sie doch wusste, dass sie ein paar hungrige Mäuler zu füttern hatte. Sie war eine erfahrene Jägerin, aber ein Tier niederzuringen, das um die 90 Kilo wiegt, wenn du selbst nur 40 auf die Waage bringst, ist kein Kinderspiel. Sie war eine so furchtlose Jägerin und eine liebevolle Mutter. Das hat ihr auf jeden Fall einen Platz in meinem Herzen gesichert. Für mich gehören Pumas zu den liebenswertesten Geschöpfen, mit denen ich jemals Zeit verbringen durfte – und dass, obwohl ich Hunderte von Kilometern laufen musste, um mithalten zu können.
Kiri Cashell: Das eindrucksvollste Erlebnis war ganz klar das Tauchen mit Haien – unter anderem mit dem Großen Weißen Hai und dem Tigerhai. Es gibt ja immer noch dieses Vorurteil, dass Haie bloß hirnlose, menschenfressende Maschinen sind, und jeder, der mit ihnen taucht, nur ein verrückter Adrenalinjunkie sein muss. Das stimmt aber nicht. Als ich in ihre Wasserwelt abtauchte, war das die heiterste und entspannteste Erfahrung meines Lebens.