Es ging in weiten Teilen der fast vierstündigen Sitzung des Fernsehrates um zunächst recht grundsätzliche Fragen. Nach der Präsentation zum Strategieprozess und zu beeindruckenden Akzeptanz-Daten stand der Entwurf der Selbstverpflichtungserklärung 2023-2024 auf der Tagesordnung.
Die Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme betonte, dass Richtlinien für Qualitätsstandards und deren Überprüfung nach dem 3. Medienänderungsstaatsvertrag vorgeschrieben sein werden und die Selbstverpflichtungserklärung das bereits umsetze. Sie stellte das Panel mit externen Sachverständigen vor, welches von nun an den Fernsehrat bei seiner Arbeit zur Qualitätskontrolle begleiten wird. Das Expertenpanel besteht aus Professorin Birgit Stark vom Institut für Publizistik der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Philipp Künstle vom Erich Pommer Institut in Potsdam sowie Dr. Sascha Hölig vom Leibnitz-Institut für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut Hamburg.
Der Entwurf der Selbstverpflichtungserklärung 2023-2024 führt den Programmauftrag mit den Schwerpunkten der nächsten zwei Jahre mit der Strategie „Ein ZDF für alle“ und dem ZDF-Kompass zusammen, wie Intendant Dr. Norbert Himmler ausführte. Der Vorsitzende des Ausschusses für Strategie und Koordinierung Dr. Achim Dercks kündigte eine intensive Beratung über die Verzahnung der fünf Kernziele und der vier Ebenen der Bewertung mit diversen Messgrößen an. Er zeigte sich erfreut, dass die drei Sachverständigen diesen Prozess begleiten. Der Fernsehrat verwies den Entwurf der Selbstverpflichtungserklärung zur detaillierten Beratung in alle Ausschüsse.
Bester Streaming-Start für „Der Schwarm“
Die erfolgreiche internationale Großproduktion „Der Schwarm“ wurde von vielen Fernsehratsmitgliedern ausführlich gewürdigt. In den ersten zwei Wochen verbuchte „Der Schwarm“ in der ZDFmediathek über 18 Millionen Abrufe. Damit ist die achtteilige Thrillerserie nach dem gleichnamigen Besteller von Frank Schätzing das Format, das seit Bestehen der ZDFmediathek den besten Streaming-Start verzeichnen kann. Über alle TV-Ausstrahlungen an vier aufeinanderfolgenden Abenden hinweg zur besten Sendezeit wurden durchschnittlich 5,50 Millionen Zuschauer (19,9 % Marktanteil) erreicht.
Im Programmausschuss Programmdirektion wurde laut dem Vorsitzenden Dr. Hans Langendörfer regelrecht „geschwärmt”. Die Zusammenarbeit in der European Alliance sei bemerkenswert. Für den Ausschuss für Strategie und Koordinierung ergänzte Achim Dercks, genau diese Zusammenarbeit sei ein Impuls für die Zukunft. Weitere Fernsehräte äußerten sich zu der Produktion. So lobte Olaf Tschimpke, Naturschutzbund Deutschland, die Kombination von Fiktion mit wissenschaftlicher Begleitung. Professor Andreas Breiter, Universität Bremen und Fernsehrats-Vertreter aus dem Bereich "Wissenschaft und Forschung", unterstrich die wissenschaftliche Qualität der Produktion. Er hätte sich allerdings eine „differenziertere“ Darstellung der Arbeit der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewünscht.
Fernsehrat Rainer Robra, Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt, fragte nach den künftigen Vorhaben der vom ZDF mitgegründeten ausführenden Produktionsfirma Intaglio- Films und den Auswirkungen auf die deutsche Produzentenlandschaft. Intendant Norbert Himmler entgegnete, das ZDF werde auch weiterhin zwei Drittel seiner Produktionsaufträge an vom ZDF unabhängige Produzenten vergeben. Die hohen Produktionskosten für „Der Schwarm“ seien durch internationale Verkäufe eingespielt.
Gemeinsames Streaming-Netzwerk kommt
ZDF und ARD arbeiten seit geraumer Zeit an einem gemeinsamen Streaming-Netzwerk. Es soll in den kommenden Wochen starten - zunächst mit übergreifenden Empfehlungen bei Dokumentationen und im Bereich Kultur. Nach Auswertung der ersten Erfahrungen wird diese Vernetzung auf alle Genres erweitert. Teil des Projekts sind eine übergreifende Suchfunktion über beide Mediatheken hinweg sowie ein gemeinsames Login. Die technischen Voraussetzungen sind laut ZDF-Intendant Norbert Himmler geschaffen, ohne dafür neue kostenintensive Strukturen aufzubauen. „Das ZDF hat etwa Basis-Algorithmen für ein öffentlich-rechtliches Personalisierungs- und Empfehlungssystem entwickelt. Die werden künftig auch bei der ARD eingesetzt."
Cornelia Tausch, Vertreterin aus dem Bereich „Verbraucherschutz" und Vorsitzende des Ausschusses Telemedien, zeigte sich beeindruckt von den technischen Vorarbeiten. Insbesondere beim Thema Datenschutz werde vorbildlich gearbeitet. Der Ausschuss für Strategie und Koordinierung stimmt laut Achim Derks dem Verfahren ebenfalls ausdrücklich zu. Weitere Fernsehräte lobten den eingeschlagenen Weg. Dr. Karin Haug, Vertreterin aus dem Bereich "Regional- und Minderheitensprachen" im Fernsehrat, mahnte dabei an, die Barrierefreiheit nicht aus dem Blick zu verlieren. Professor Hans-Günter Henneke, Deutscher Landkreistag, verwies auf die wirtschaftliche Komponente der Zusammenarbeit. Man gehe über das hinaus, was im 3. Medienänderungsstaatsvertrag diesbezüglich vorgeschrieben sei. Die Fernsehratsvorsitzende Marlehn Thieme verwies auf die Anschlussfähigkeit des Vorhabens für weitere Sender.
Kontroverse Debatte
Besonders ausführlich wurden in der Sitzung Programmbeschwerden besprochen. Diese wurden zwar als unbegründet zurückgewiesen. In der Diskussion zu verschiedenen Beschwerden gab es abseits rechtlicher Begutachtung jedoch auch grundsätzliche Anmerkungen. So fragte Steffen Kampeter, Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, wie in der ZDFmediathek mit älteren Inhalten umgegangen werden solle, die eventuell nach heutigen Maßstäben anders bewertet würden und nannte als Beispiel den Spielfilm „Die Feuerzangenbowle“ von 1944. Hans Langendörfer, Vertreter der Katholischen Kirche im Fernsehrat, kündigte an, dass der Programmausschuss Programmdirektion Fragen einer textlichen Begleitung solcher Inhalte in der ZDFmediathek diskutieren werde.
Gleich mehrere Programmbeschwerden zur Sendung ZDF Magazin Royale vom 02.12.2022 über das Transsexuellengesetz standen auf der Tagesordnung und führten zu kontroversen Debatten. Luca Renner, für den Bereich LSBTTIQ im Fernsehrat, richtete sich an die Beschwerdeführer: Über das Transsexuellengesetz entscheide allein der Deutsche Bundestag, nicht der Fernsehrat oder Jan Böhmermann. Thema der Sendung sei die Kritik an Transgeschlechtlichkeit und Selbstbestimmung. Im Ergebnis stimmte mit einigen Gegenstimmen und Enthaltungen eine Mehrheit der Mitglieder für die Zurückweisung der Beschwerden als unbegründet. Insgesamt sei der sachliche Informationsgehalt der Sendung zu den komplexen und schwierigen Themen Geschlechtsidentität, das geltende Transsexuellengesetz von 1981, das geplante Selbstbestimmungsgesetz und zu Transfeindlichkeit hoch.
Außerdem widmete sich der Fernsehrat u. a. dem Sport in den ZDF-Angeboten, Stand und Entwicklung von ZDFinfo sowie von 3sat.