„Das ZDF hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, will ganz Deutschland in seiner Vielfalt abbilden.“ Das finde er gut, betont Bendix Lippe. Der wissenschaftliche Referent aus Brandenburg ist der einzige Fernsehrat unter 35 und legt besonderes Augenmerk auf die Beachtung der Interessen der jungen Zuschauer.
#Fernsehrat: Im Spannungsfeld zwischen Individualität und Gemeinschaft möchte das ZDF den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Das Programm soll Vielfalt zeigen und dabei das Gemeinstiftende im Blick behalten. Wie bewerten Sie diesen Ansatz?
Bendix Lippe: Gesellschaftlicher Zusammenhalt ist Kernaufgabe öffentlich-rechtlichen Fernsehens! Das ZDF hat sich ehrgeizige Ziele gesetzt, will ganz Deutschland in seiner Vielfalt abbilden. Das finde ich gut! Wir werden im Fernsehrat aber sehr aufmerksam darauf achten, ob der Sender diese Ziele auch einhält — dabei hilft es natürlich, dass die Gesellschaft in den Aufsichtsgremien des ZDF möglichst umfassend abgebildet wird. Ich würde mir wünschen, dass in Zukunft noch mehr auf junge Menschen geachtet wird; der Mix aus Kultur, Information und Unterhaltung muss auch jugendgerecht aufbereitet werden, sodass das Programm nicht nur die Zielgruppen Ü40 erreicht. Als einziges Mitglied des Fernsehrats unter 35 Jahren liegt hier mein besonderes Augenmerk.
#Fernsehrat: Dabei geht es auch um personelle Vielfalt im Haus. Wie weit sehen Sie das ZDF in dieser Frage?
Lippe:Ich finde, da hat das ZDF noch ordentlich Nachholbedarf. Besonders in der Nachwuchsgewinnung muss der Sender viel leisten: Dass man für ein Praktikum, bei vielen Sendern quasi eine Einstellungsbedingung für Volontierende und Jungjournalist*innen, beim ZDF nur 350 Euro Praktikumsgehalt verdient, ist für Menschen ohne finanziellen Rückhalt aus der Familie quasi Ausschlusskriterium. Von 350 Euro kann ich in Mainz oder Berlin im allerbesten Fall meine Miete bezahlen, leben kann davon niemand. Ich finde, das ZDF müsste als öffentlich-rechtliche Sendeanstalt den Anspruch haben, seine Praktikant*innen und seinen Nachwuchs aus allen gesellschaftlichen Schichten zu rekrutieren - das bedeutet aber auch, dass man von vornherein Verantwortung übernehmen muss, entsprechende Praktikumsentschädigungen zahlt, den Einstieg in Redaktionen deutlich niedrigschwelliger gestaltet. Vielfältiges Programm kann nämlich nur von vielfältigen Redaktionen gestaltet werden — egal ob migrantische oder queere Perspektiven, neue Blickwinkel schaffen Verständnis und gesellschaftlichen Zusammenhalt.
-
#Fernsehrat: Die Diskussion um Diversität und Inklusion verstärkt auch die Forderungen nach mehr Barrierefreiheit. Wie bewerten Sie die Bemühungen des ZDF diesbezüglich?
Lippe:Wer den Anspruch hat, Programm für alle zu machen, der muss zwangsläufig barrierefrei arbeiten! Dazu gehören Gebärdendolmetscher, Audiodeskription und Untertitel – Bereiche also, in denen das ZDF hart und erfolgreich arbeitet - aber der Sender wird seinen Blick auch in Bezug auf aktuellere Phänomene schärfen müssen. Ich bin Verfechter davon, sogenannte „Triggerwarnungen“ in das Programm aufzunehmen, um Menschen mit traumatischen Erfahrungen vorzuwarnen und zu schützen. Das sollte gerade im fiktionalen Bereich möglich sein, hier hoffe ich beim ZDF in Zukunft auf höhere Sensibilität.
#Fernsehrat: Ein Angebot in Leichter oder Einfacher Sprache soll entwickelt werden. Was muss dabei beachtet werden?
Lippe:Leichte Sprache muss nicht nur gut gemeint, sondern auch gut gemacht sein. Im Angebot muss der Spagat gelingen, komplexe Inhalte sachlich richtig und verständlich zu verkürzen, ohne am Ende bevormundend zu wirken. Besonders im Informationssegment ist das aber immens wichtig — in Zeiten von Verschwörungstheorien und Desinformation muss guter Journalismus mehr denn je zugänglich für alle sein.
Zur Person: Bendix Lippe ist 24 Jahre alt und für den Bereich „Senioren, Familie, Frauen und Jugend“ aus dem Land Brandenburg in den Fernsehrat entsandt. Zuvor war er Vorstandssprecher der Jugendpresse Brandenburg e.V. und kümmerte sich dort um die Belange junger Medienschaffender. Bendix Lippe lebt in Berlin und arbeitet als wissenschaftlicher Referent.