Meine Damen und Herren,
2022 war ein außergewöhnliches, ein herausforderndes Jahr: Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Umwelt. Wir leben in einer Zeit multipler Krisen, großer Dynamik und zunehmender Komplexität. Putins Angriffskrieg auf die Ukraine, eine weltweite Energiekrise, Inflation und Rezession in globalem Maßstab.
Und immer noch die Corona-Pandemie mit ihren Unwägbarkeiten. Viele Menschen machen sich große Sorgen – auch ob der wirtschaftlichen Folgen des Krieges, die sie direkt zu spüren bekommen. Die Welt ist unberechenbarer geworden. Alles in allem ein massiver Stresstest für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie.
Gerade in der Krise suchen die Menschen nach verlässlichen Informationen als Orientierung für ihren Alltag und als Grundlage für ihre politische Willensbildung. Es sind gerade diese Zeiten, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk besonders gefragt ist.
Es sind aber auch gerade diese Zeiten, in denen der öffentlich-rechtliche Rundfunk besonders in der Kritik steht. Die ARD-Vorsitzende und rbb-Intendantin musste zurücktreten, und mit ihr der Vorsitzende des Verwaltungsrates des Senders. Der nachfolgende ARD-Vorsitzende hält eine Grundsatzrede, in dem er zum ersten Mal die Koexistenz von ARD und ZDF in Frage stellt. Die Debatte kommt also zu Unzeiten, könnte man meinen. Ich sehe darin die Chance, gerade jetzt unter Beweis zu stellen, warum es das ZDF braucht.
Als Teil des öffentlich-rechtlichen Systems hat das ZDF eine klar definierte Aufgabe – als Anstalt aller Länder und als der zentrale, bundesweite Anbieter. Ein Vorteil, der daraus erwachsen ist, ist eine schlanke, leistungsfähige und effiziente Organisation. Diese liefert zuverlässig und seit vielen Jahren ein hochwertiges, relevantes und vielfältiges Programmangebot. Im Kern bestehend aus dem Hauptprogramm, ZDFneo, ZDFinfo und unserer Mediathek. Für 4 Euro 69 im Monat. Das sind 15 Cent pro Tag.
Welcher Anbieter in Deutschland schafft es, für 15 Cent am Tag rund um die Uhr Informationen, Bildung, Kultur und Unterhaltung auf 3 Kanälen und einer Mediathek und der ZDFheute anzubieten? Und für die 15 Cent ist der ZDF-Anteil für die Partnerkanäle gleich mit dabei: KiKa, 3sat, arte und Phoenix!
Es ist, wie ich es eingangs sagte: In Krisenzeiten suchen die Menschen nach gesicherten Informationen, nach Einordnung, nach hochwertiger Unterhaltung. Dieses Vertrauen in uns ist eine große Verantwortung. Und wir werden im kommenden Jahr alles tun, um dieser Verantwortung gerecht zu werden. Das bedeutet: wir müssen uns verändern, weiterentwickeln, die Herausforderungen annehmen:
In der sich permanent verändernden Welt ändern sich nämlich auch die Nutzungsgewohnheiten der Menschen. Wie die erst vor kurzem veröffentlichte Onlinestudie von ARD und ZDF zeigt: Vier von fünf Menschen in Deutschland nutzen täglich das Internet. Und die 14- bis 24-Jährigen verbringen dort fast fünf Stunden täglich mit medialen Inhalten. Fünf Stunden! Diese Zahlen beschreiben keinen Trend. Sie beschreiben eine Realität, mit der wir als öffentlich-rechtlicher Sender umgehen müssen.
Wir müssen mit unseren Angeboten dort sein, wo die Menschen sind und unsere Inhalte so aufbereiten, wie Menschen sie heute nutzen wollen. Damit unser öffentlich-rechtliches Programm weiterhin einen echten Mehrwert für sie bietet. Das bleibt auch in 2023 unsere größte Herausforderung.
Auch die kommerziellen Medien in Deutschland haben, auch das sei deutlich gesagt, ein schweres Jahr hinter sich. Nach einer nur kurzen Erholung leidet der Werbemarkt. Internationale Streaming-Dienste und Social-Media-Plattformen diktieren ihn zunehmend. Die Dominanz der großen Techkonzerne nimmt rasant zu.
Wie problematisch das werden kann, sehen Sie an der Twitter-Übernahme durch Elon Musk. / Und auch die Zeitungskrise setzt sich leider fort. Stark steigende Papier- und Energiekosten haben sie weiter verschärft.
Das ZDF hat sich in diesem sehr dynamischen Umfeld programmlich und wirtschaftlich gut behauptet. Das Publikum nutzt unsere linearen und nonlinearen Angebote gerne und intensiv. Das Hauptprogramm wird wieder der mit Abstand meistgesehene Fernsehsender in Deutschland sein. Auch ZDFinfo, ZDFneo und die Partnerkanäle stehen stark und erfolgreich im Wettbewerb. Das gilt genauso für die Mediathek und die ZDFheute.
Eine weitere Dimension von Zustimmung sind die vielen Medienpreise, die wir auch in diesem Jahr bekommen haben. Stellvertretend für die vielen Preisträgerinnen und Preisträger im ZDF nenne ich an dieser Stelle Katrin Eigendorf und unsere Logo-Redaktion. Ihnen und allen anderen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gilt mein Dank an dieser Stelle. Ohne sie wäre der Erfolg des ZDF nicht möglich. Das gilt ausdrücklich auch für alle Beschäftigten hinter den Kameras von der Produktion bis zur Verwaltung. Ohne ihren unermüdliche Einsatz und ihre Leistungsbereitschaft in herausfordernden Zeiten wäre der Erfolg nicht möglich. Vielen Dank!
Neben gutem Personal ist das Budget – es geht heute ja um den ZDF-Haushalt – eine weitere Voraussetzung für unser Tun. Auch am Ende eines – ich habe es beschrieben – schwierigen Jahres steht das ZDF finanziell sehr solide da. Das hat auch damit zu tun, dass wir sparsam und vorausschauend wirtschaften. So haben wir die inzwischen 50 Millionen Euro Mehrkosten, die die Covid-Pandemie im Programm verursacht hat, aus eigener Kraft erwirtschaftet. Im kommenden Jahr werden wir – in enger Abstimmung mit den Gremien – den Rahmen, den uns der Haushalt setzt, weiter einhalten, auch wenn wir die Inflation deutlich zu spüren bekommen – jetzt schon und mutmaßlich im nächsten Jahr noch stärker. Auch uns treffen steigende Energiepreise. Unsere Produzentinnen und Produzenten rufen – nachvollziehbar – deutlich höhere Preise auf. Die Gewerkschaften fordern höhere Löhne für die Beschäftigen – auch bei uns. Mit anderen Worten: Die Grenzen der finanziellen Belastbarkeit sind deutlich erkennbar.
Trotzdem werden wir die Mehreinnahmen beim Rundfunkbeitrag, das will ich in aller Eindeutigkeit sagen, nicht antasten. Sie werden entsprechend der staatsvertraglichen Vorgaben einer Rücklage zugeführt und können nur in Absprache mit den zuständigen Gremien und der KEF verwendet werden.
Die Ausgangsposition des ZDF ist bei aller Krise also gut – finanziell und programmlich. Eine gute Basis, von der aus wir die vor uns liegenden Herausforderungen angehen können. Und da liegen einige vor uns.
Die vielleicht größte besteht darin, Menschen mit unseren Inhalten zu erreichen, die uns kaum noch oder überhaupt nicht mehr nutzen. Das Strategiekonzept, das wir in diesem Jahr gestartet haben, steht nicht von Ungefähr unter der Überschrift: „Ein ZDF für alle.“ Das Ziel lautet, möglichst viele Menschen in diesem Land zu erreichen, Ihnen ein attraktives Angebot zu machen. Um unseren Auftrag zu erfüllen.
Auch um die Akzeptanz für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Finanzierung zu verbessern. Und nicht zuletzt, um einen wichtigen Beitrag für den Zusammenhalt in unserer Gesellschaft zu leisten.
Dafür braucht es keine Revolution, schon aber neue Ziele, moderne Methoden und veränderte Prozesse. Daran arbeiten wir. Die neue Zielgruppensystematik mit den sechs Content-Communities und dem ZDF-Kompass als Werkzeug für die Bewertung von Erfolg haben wir Ihnen im September vorgestellt. Außerdem haben wir beschlossen, 100 Millionen Euro dauerhaft im Programm umzuschichten.
Wir investieren dieses Budget in neue zielgruppenaffine Programminhalte. Das bedeutet auch: mehr non-lineare Angebote für Jüngere. Die Konzepte dafür werden gerade in den beiden programmbildenden Direktionen erarbeitet.
Wir werden die ZDFheute, unsere Nachrichten im Netz, weiter ausbauen. Das Gleiche gilt für unser Auslandskorrespondentennetz. Nur vor Ort sind wir nah genug dran - und liefern unserem Publikum einen umfaassenden Blick auf diese immer komplexer werdende Welt.
Schon jetzt ist klar, dass wir auch den Investigativ-Journalismus stärken werden, um ihn für junge Zielgruppen noch attraktiver zu machen. Erst vor kurzem konnten wir dafür zwei der profiliertesten Investigativ-Journalisten Deutschlands, Frederik Obermaier und Bastian Obermayer, für uns gewinnen.
Und natürlich spielen moderne und junge Fiktion – wir sehen einige Beispiele gleich im Trailer – gute Comedy, z.B. im ZDF-Comedy-Sommer und lebensnahe Formate wie 37 Grad eine wichtige Rolle. „37 Grad Leben“ – ein Reportageformat, das nur für unsere Mediathek entwickelt wurde – ist ein gutes Beispiel dafür, wie wir schon jetzt starke Marken für jüngere Zielgruppen und digitale Ausspielwege weiterentwickeln. Das Gleiche gilt für Terra-X-Kosmos, der sich vom Linearen ins Nonlineare weiterentwickelt hat und mit starken Köpfen und Marken präsent ist.
Und: Wir werden im Rahmen der Umschichtungen natürlich auch neue Formate entwickeln und ausprobieren, vorzugsweise non-linear in der Mediathek. Die lineare Zweitnutzung erfolgt dann in den Digitalkanälen ZDFneo und ZDFinfo.
Die ZDF-Mediathek kommt beim Publikum gut an. Es ist jünger als im TV und der Beliebtheitswert liegt bei sehr starken 80 Prozent. Nach wie vor setzen wir mit unserer Mediathek Standards im Markt. Das gilt für die Suchfunktionen, für das Empfehlungssystem und ganz besonders für die Transparenz gegenüber den Nutzerinnen und Nutzern. Anders als kommerzielle Streaming-Dienste machen wir unsere Algorithmen transparent. Jeder kann bei uns detailliert nachvollziehen, wie die ‚persönlichen Empfehlungen‘ zustande kommen. Das Besondere an unseren Algorithmen ist nicht nur, dass wir sie offenlegen.
Sie eröffnen dem Publikum auch einen weiten Inhalte-Kosmos. Sie empfehlen nicht nur aufgrund von Vorlieben und konkreter Nutzung ähnliche Sendungen, wie das die Streaming-Plattformen tun. Sie bieten immer auch Sendungen an, die den Horizont erweitern. Unsere Algorithmen sind im besten Sinne öffentlich-rechtlich: Sie fördern Pluralität, Diversität und die Nutzung von Qualität.
Die Mediathek ist für das ZDF der mit Abstand wichtigste non-lineare Verbreitungsweg. Deshalb bauen wir sie weiter aus und werden dabei auch eng mit der ARD zusammenarbeiten: Stichwort ‚Streaming-Netzwerk‘. Schon jetzt ist unsere Mediathek mehr als eine reine ZDF-Plattform. Es gibt dort ARTE, phoenix, 3sat und funk-Inhalte. Mit Blick auf das Streaming-Netzwerk zusammen mit der ARD stelle ich mir auch eine weitere Vernetzung mit SRG und ORF vor: ein großes deutschsprachiges Netzwerk in Europa!
Mit dem neuen Medienänderungsstaatsvertrag, aber auch schon mit dem vorherigen wird unser Handlungsspielraum für eine erfolgreiche strategische Entwicklung vergrößert. Die Medienpolitik hat hier vorausschauend gehandelt.
Sie bietet uns Instrumente und Möglichkeiten für Reformen und Veränderungen, mit denen wir unseren Auftrag auch in Zukunft erfüllen können. Das gilt etwa für die Flexibilisierung bei der Beauftragung der linearen Angebote. Auch wenn für das ZDF noch nicht der Zeitpunkt gekommen ist, davon Gebrauch zu machen. Mit drei eigenen linearen Sendern, einer Mediathek und zwei Apps ist das Angebotsportfolio im Vergleich mit den drei großen anderen Senderfamilien sehr überschaubar. Eine Reduktion macht derzeit keinen Sinn. Gerade mit ZDFneo und ZDFinfo erreichen wir überproportional viele jüngere Menschen.
Auch die von den Ländern vorgesehene Stärkung der Gremien ist klug. Sie stärkt die Legitimation des gesamten Systems und damit auch die Akzeptanz.
Im kommenden Frühjahr wird das ZDF eine verantwortungsvolle KEF-Anmeldung abgeben. Dabei ist uns die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation sehr bewusst. Deshalb sind für mich die Attribute maßvoll und angemessen die Richtschnur für unsere KEF-Anmeldung. Maßvoll angesichts der gesamtwirtschaftlichen Umstände.
Aber auch angemessen, um unseren Auftrag erfüllen zu können. Die Herausforderungen habe ich eben beschrieben.
Bei meinen strategischen und medienpolitischen Anmerkungen hatte ich die mittel- und langfristige Zukunft des ZDF im Blick. Für den Haushalt für 2023 möchte ich Ihre Aufmerksamkeit jetzt aber wieder auf das Programm lenken. Der Haushalt ist die Grundlage für unser Angebot. Er gibt uns die Möglichkeit, unseren Programmauftrag zu erfüllen. Ein Programmhighlight des kommenden Jahres wird ganz sicher „Der Schwarm“ sein - die Verfilmung des Bestsellers von Frank Schätzing mit hochkarätiger internationaler Besetzung und atemberaubenden Bildern. Sie werden gleich einen ersten Eindruck zu sehen bekommen. Die Ausstrahlung von „Der Schwarm“ wird von drei Hochglanz-Dokumentationen der Marke „Terra X“ und „plan b“ begleitet. Ein weiteres Programm-Highlight ist „Gestern waren wir noch Kinder“. Ein spannendes Familiendrama, das im Januar zu sehen ist. Die Freundinnen und Freunde von Humor und guter Comedy möchte ich jetzt schon auf „Wir sind die Meiers“ hinweisen - eine neue Mehrgenerationen-Sketch-Comedy mit Mathias Matschke.
Und den Sportfans unter Ihnen möchte ich mitgeben, dass wir im kommenden Jahr wieder die Finals, diesmal in NRW, und zusätzlich die Special-Olympics-World-Games im Programm haben. Und natürlich investieren wir in die journalistische Berichterstattung. Sie wir 2023 wichtiger denn je sein.
Wir haben die Programmhighlights fürs kommende Jahr in einem kleinen Film zusammengefasst. Sehen Sie selbst:
(Programm-Trailer)
Ich hoffe, der kurze Einblick in unsere Werkstätten hat schon mal ein wenig die Vorfreude auf das neue Programmjahr im ZDF geweckt.
Lassen Sie mich für die externen Zuschauerinnen und Zuschauer noch einen Satz zu den Haushaltsberatungen in den Gremien sagen, ehe Frau Prof. Wolff für den Verwaltungsrat und Herr Dr. Joachim für den Ausschuss Finanzen, Investitionen und Technik des Fernsehrates, Ihnen die Eckpunkte des Haushaltes 2023 noch ausführlich darstellen.
Die Mitglieder der ZDF-Aufsichtsgremien haben in die Haushaltsberatungen ihre ganz unterschiedlichen Erfahrungen aus verschiedenen Unternehmen, diversen Gremien und zahlreichen Organisationen eingebracht. Sie haben unser Zahlenwerk genau analysiert und bewertet und haben ihre Erwartungen formuliert. Solch ein kritischer Dialog fordert das ZDF und stärkt unseren Haushalt – im Interesse von Beitragszahlerinnen und -zahler.
Ich bin nun gespannt auf die weitere Diskussion. Und im Anschluss daran bitte ich Sie darum, dem Haushalt 2023 Ihre Zustimmung zu erteilen.
Vielen Dank