Interview
Meeresschutz und Meeresnutzung :Algen aus dem Windpark
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Im Nordsee-Windpark DanTysk vor Sylt ist es erstmals gelungen, Algen zu züchten. Über ihren Erfolg spricht Projektleiterin Eva Strothotte im ZDFheute-Interview.
Marine Ökosysteme schützen, Ozeane nachhaltig nutzen: Weltweit engagieren sich Menschen für den bedrohten Lebensraum Meer – in Projekten, die klein anfangen, aber Großes bewirken.14.12.2023 | 29:31 min
Die maritime Wirtschaft wächst stetig und mit ihr der Druck auf die Meere. In Kiel überlegen Experten, wie die Meeresnutzung mit dem Anbau von Algen in Zukunft nachhaltig und wirtschaftlich zugleich funktionieren kann.
Seit 2020 fördert die EU das Projekt der Fischereibiologin Eva Strothotte als Teil einer ökologischen Wirtschaft in europäischen Gewässern.
ZDFheute: Warum Algen? Warum Windparks? Und: Warum Algen aus Windparks?
Eva Strothotte: Der Algenanbau in Nord- und Ostsee bietet die Möglichkeit, das Meer wirtschaftlich und nachhaltig zu nutzen.
Wir konnten jetzt zeigen, dass es möglich ist, weit draußen auf der Nordsee an einem Windpark eine Algen-Aquakultur anzulegen - das hatte vorher kaum jemand für möglich gehalten. Das Wachstum ist dort hervorragend.
Quelle: ZDF/Andrea Ferrari
Marine Ökosysteme schützen, Ozeane nachhaltig nutzen: Weltweit engagieren sich Menschen für den bedrohten Lebensraum Meer. Sehen Sie die plan-b-Doku dazu auch im ZDF am Samstag, den 21.10.2023 um 17:35 Uhr.
Das ist aus technischer und biologischer Sicht ein Riesenerfolg. Aber wir wollen noch mehr: Wir wollen eine Art Mehrwert durch unsere Installation zur Kultivierung von Algen und Muscheln dort schaffen, denn diese Aquakulturen bieten neue Habitate auch für andere Lebewesen, die dort vorkommen.
Quelle: Eva Strothotte
... treibt es an, nach Lösungen zu suchen, offene Fragen zu klären, wie die Fischereibiologin von sich selbst sagt. Seit 2003 forscht sie in den Bereichen Fischökologie, Meeresbiologie und Aquakultur am Forschungs- und Entwicklungszentrum der Fachhochschule Kiel. Süßwasserökosysteme, wie Flüsse und Seen interessieren sie genauso, wie die Umwelt in marinen Gewässern. An der FH Kiel leitet sie den deutschen Teil der EU Projekte UNITED und ULTFARMS zum Algenanbau in Nord- und Ostsee.
ZDFheute: Gibt es noch weitere Vorteile?
Eva Strothotte: Muscheln filtern Nährstoffe aus dem Wasser, Algen nehmen aus dem Wasser Nährstoffe auf, bauen sie um und wachsen damit. Wenn wir nun Muscheln und Algen ernten, entnehmen wir dem Meer Nährstoffe.
In größerem, kommerziellem Umfang können diese Algen- und Muschelaquakulturen also ein guter Beitrag zur Senkung der Nährstoff-Fracht im Meer sein.
ZDFheute: Wie geht es nun weiter?
Eva Strothotte: Bisher konnte noch vieles ausgetestet werden. Unser EU-Folge-Projekt (ULTFARMS) ist jetzt einen Schritt weiter Richtung Kommerzialisierung gegangen und soll die gesamte Produktionskette von der Züchtung der Algen im Labor bis zum Supermarktregal, bis zum Verbraucher abdecken.
Wir müssen jetzt klären, welche Anforderungen jeder Beteiligte in der Produktionskette stellt und welche Auswirkungen das hat. Beispielsweise für die Verarbeitung müssen die Algen in bestimmten Formen angeliefert werden. Darauf müssen wir wiederum das Design unserer Anlage ausrichten.
Algen sind unverzichtbar fürs Erdklima und können auf unterschiedlichste Weise genutzt werden.05.07.2023 | 6:14 min
ZDFheute: Bei aller Notwendigkeit der Kommerzialisierung, droht da nicht der Punkt Meeresschutz unter die Räder zu kommen?
Eva Strothotte: Ein ganz wichtiger Punkt ist auch in dem neuen Projekt ein sogenanntes "Nature inclusive Design", dass also schon bei der Gestaltung die Natur eine wichtige Rolle spielt. Das heißt konkret, wir gestalten unser Projekt so, dass nicht nur unsere Arten, die wir kultivieren wollen, dort wachsen.
Wie beispielsweise für die Europäische Auster, die aus verschiedenen Gründen weiträumig aus europäischen Gewässern verschwunden ist. Die werden wir dort wieder kultivieren, um sie dort nicht nur zu ernten, sondern um zu helfen, sie wieder anzusiedeln.
ZDFheute: Wie groß ist denn das Potenzial des europäischen Algenanbaus?
Eva Strothotte: Im Moment spielt Europa kaum eine Rolle in der Algenproduktion, aber durch die Projekte, die wir hier bereits hinter uns haben und die jetzt noch laufen, ist das Potenzial schon ziemlich groß. Wir sind da gerade auf einem guten Weg, um die Möglichkeiten zu schaffen, Algen in großem Maße produzieren zu können.
Und der Bedarf ist groß, die Nachfrage ist riesig. Und daher sind wir da guter Dinge, dass wir einen Bedarf decken können, der auch da ist.
Das Interview führte Tilman Wolff.
Warum Makroalgen wahre Superpflanzen sind …
Schon seit langem werden in der Pharmazie und Arzneimittelherstellung aus Makroalgen isolierte Stabilisatoren und Emulgatoren genutzt, um Medikamente herzustellen und in Form zu halten.
Darüber hinaus werden Makroalgen und ihren Inhaltsstoffen viele medizinisch wirksame Eigenschaften zugesprochen - entzündungshemmend, antitumoral, antimikrobiell und antiviral sollen sie sein. So wird beispielsweise gerade an einem algenbasierten Wirkstoff gegen die Makuladegeneration gearbeitet aus sogenannten Fucoidanen - das sind langkettige Zuckermoleküle (Polysaccharide) aus den Makroalgen.
Darüber hinaus werden Makroalgen und ihren Inhaltsstoffen viele medizinisch wirksame Eigenschaften zugesprochen - entzündungshemmend, antitumoral, antimikrobiell und antiviral sollen sie sein. So wird beispielsweise gerade an einem algenbasierten Wirkstoff gegen die Makuladegeneration gearbeitet aus sogenannten Fucoidanen - das sind langkettige Zuckermoleküle (Polysaccharide) aus den Makroalgen.
Nicht nur in Japan, auch an Europas Küsten in Irland oder der Bretagne stehen Makroalgen schon seit langem auf dem Speiseplan - als Salat aus dem Meer oder in der Miso-Suppe. Auch die Lebensmittelindustrie setzt Gel-bildende Polysaccharide aus Makroalgen schon seit einiger Zeit als Stabilisator, Bindemittel und Geliermittel oder zur Verdickung ein.
Beispielsweise sind solche Stoffe aus Makroalgen in vielen Joghurts enthalten. Bekannt sind Zusatzstoffe wie Agar-Agar, Alginat und Carrageen in Süßspeisen und Eiscremes und zur Calciumanreicherung tauchen Algenprodukte in manchen Pflanzendrinks auf.
Wegen ihres Reichtums an verschiedenen Inhaltsstoffen gelten Makroalgen bei Lebensmittelökonomen als Speise der Zukunft - anders als Fische beispielsweise müssen Algen nicht gefüttert werden, brauchen in Aquakulturen keine Medikamente und enthalten doch ähnlich diätetisch sinnvolle Inhaltsstoffe.
Beispielsweise sind solche Stoffe aus Makroalgen in vielen Joghurts enthalten. Bekannt sind Zusatzstoffe wie Agar-Agar, Alginat und Carrageen in Süßspeisen und Eiscremes und zur Calciumanreicherung tauchen Algenprodukte in manchen Pflanzendrinks auf.
Wegen ihres Reichtums an verschiedenen Inhaltsstoffen gelten Makroalgen bei Lebensmittelökonomen als Speise der Zukunft - anders als Fische beispielsweise müssen Algen nicht gefüttert werden, brauchen in Aquakulturen keine Medikamente und enthalten doch ähnlich diätetisch sinnvolle Inhaltsstoffe.
Aus Makroalgen lassen sich Verpackungen und Gefäße produzieren. An der Universität Bremerhaven wird an Materialien aus Algen geforscht, die als Lebensmittelverpackungen auf den Markt kommen sollen. Die natürlichen Polymere aus Makroalgen können in Zukunft das Plastik aus fossilen Brennstoffen ersetzen und damit das Problem mit dem Plastikmüll reduzieren.
Wie alle Pflanzen speichern Makroalgen den Kohlenstoff (C) aus dem CO2 der Atmosphäre und sind so kurzfristig gut für das Klima. Ob sie aber auch dauerhaft als CO2-Senker infrage kommen, ist umstritten. Zwar sinken einige der Pflanzen irgendwann zum Meeresboden ab und verbleiben dort, andere verrotten an Strand oder Meeresoberfläche und geben auf diese Weise das gespeicherte CO2 wieder in die Atmosphäre ab. Da Makroalgen Fischen als Futter dienen, geben auch die irgendwann die aufgenommenen Kohlenstoffe als CO2 wieder in die Atmosphäre ab.
Bisher sind es vor allem Produkte aus Seegras (Neptungras), die als Dämmstoffe für Häuser angeboten werden. Aber auch Fasern aus Makroalgen könnten in Zukunft das Material für solche Stoffe liefern.
(Autor: Tilman Wolff)
(Autor: Tilman Wolff)
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