Ist Fisch aus Aquakultur nachhaltiger?

    Überfischung der Meere:Ist Fisch aus Aquakultur nachhaltiger?

    von Christoph Peters
    |

    90 Prozent des verzehrten Fischs in Deutschland kommt aus den Weltmeeren: Dafür gehen riesige Fangschiffe auf Beutezug. Ist Zuchtfisch aus Aquakultur die bessere Alternative?

    Köpfe von frischem Fangfisch neben frischen Tomaten in Scheiben und mit grobem Salz bestreut sowie Titelgrafik "Fisch"
    Nur noch selten kommt der Fisch auf heimischen Tellern aus Nord- oder Ostsee.04.07.2023 | 40:49 min
    Für Ostsee-Küstenfischer Uwe Dunkelmann ist die Fangsaison bereits zu Ende, denn seine staatlich verordnete Heringsquote ist schon seit Frühjahr erschöpft. Schuld daran seien die großen Fischkutter, sie hätten die Ostsee leergefischt:

    Die großen Schleppnetzkutter machen am Tag pro Schiff 350 Tonnen.

    Uwe Dunkelmann, Küstenfischer

    Fischern wie ihm, so kritisiert Dunkelmann weiter, werfe man dagegen vor, dass sie mit ihrer Stellnetzfischerei Raubbau am Fisch betreiben. Das sei ein Witz, sagt Dunkelmann.
    Uwe Dunkelmann, Küstenfischer auf der Ostsee.
    Uwe Dunkelmann ist Küstenfischer auf der Ostsee.
    Quelle: ZDF

    EU: Hoher Anteil Fisch kommt aus dem Ausland

    Zustimmung bekommt Fischer Dunkelmann von Thilo Maack, Biologe, Aktivist und sogenannter "Oceans Campaigner" bei Greenpeace:

    Diese Hochseetrawler bringen von einer einzigen Fangfahrt mehrere Tausend Tonnen mit, also mehrere Millionen Kilo Fisch.

    Thilo Maack, Greenpeace

    Das sei absoluter Wahnsinn. Für viele Natur- und Umweltschützer hat die Überfischung der heimischen Meere dazu geführt, dass mittlerweile über 80 Prozent des Fisches, der in der Europäischen Union verzehrt wird, aus dem Ausland kommt.
    Pro-Kopf-Konsum von Fisch weltweit

    ZDFheute Infografik

    Ein Klick für den Datenschutz
    Für die Darstellung von ZDFheute Infografiken nutzen wir die Software von Datawrapper. Erst wenn Sie hier klicken, werden die Grafiken nachgeladen. Ihre IP-Adresse wird dabei an externe Server von Datawrapper übertragen. Über den Datenschutz von Datawrapper können Sie sich auf der Seite des Anbieters informieren. Um Ihre künftigen Besuche zu erleichtern, speichern wir Ihre Zustimmung in den Datenschutzeinstellungen. Ihre Zustimmung können Sie im Bereich „Meine News“ jederzeit widerrufen.
    Für den Meeresschutzes wäre es daher ideal, wenn gar keine kommerzielle Nutzung der Meere mehr stattfindet.

    No-Take Areas: mögliche Lösung gegen Überfischung

    Das hält Janos Hennicke vom Bundesamt für Naturschutz für utopisch. Stattdessen schlägt er die Einrichtung von "No-Take Areas" vor.

    Gebiete, aus denen Fisch nicht entnommen werden darf, sind aus naturschutzfachlicher Sicht hervorragend, weil sich dort eben Fischbestände erholen können.

    Janos Hennicke, Bundesamt für Naturschutz

    Gefangene Sprotten auf Eis beim Fischhändler
    Quelle: imageBROKER

    • Ein Drittel aller Fischbestände weltweit ist überfischt.
    • 60 Prozent aller Fischbestände sind bis zur Kapazitätsgrenze befischt.
    Quelle: FAO

    Das sei sehr wünschenswert und nicht nur gut für die Fische, sondern letztendlich auch für die Fischerei, so der Experte.
    Zurzeit dürfe allerdings nur in einem winzigen Bereich der deutschen See gar nicht mehr gefischt werden. Dieser umfasse gerade einmal 0,6 Prozent der deutschen Schutzgebiete in der Nordsee.
    Das Fischerboot von Küstenfischer Uwe Dunkelmann.
    Die Boote der Küstenfischer können nicht mit großen Trawlern konkurrieren.
    Quelle: ZDF

    Aquakultur: Negative Auswirkungen für Meere weltweit

    Ein Aktionsplan der Europäischen Union sieht vor, das gesamte Wattenmeer für die grundberührende Schleppnetzfischerei - und damit für die gesamte Krabbenfischerei - zu schließen. Krabbenfischer fürchten um ihre Existenz und den Abbau ihres Berufszweigs.
    Auf dem Bild sind die Schiffskutter auf dem Meer zu sehen.
    Die EU plant eine neue Verordnung, die das Krabbenfischen im Wattenmeer verbietet. Krabbenfischer befürchten Existenzkrisen und das Aus für ihren Beruf.23.03.2023 | 1:37 min
    Um den Fischhunger der Welt zu stillen, kommt mittlerweile die Hälfte des konsumierten Fisches von Zuchtfarmen, also aus Aquakultur. Die Zucht der Fische in Netzkäfigen im Meer sei nicht die Lösung für die Überfischung, erläutert jedoch Hennicke vom Bundesamt für Naturschutz:

    Das liegt vor allen Dingen daran, dass in diesen Käfigen, in der Aquakultur meistens Raubfische gezüchtet werden, die tierisches Protein brauchen.

    Janos Hennicke, Bundesamt für Naturschutz

    "Und dieses tierische Protein wird durch Fischfang in anderen Teilen der Erde bereitgestellt", so Hennicke weiter. Doch es gibt mittlerweile auch erste Ansätze, ohne Fischfang an das notwendige Protein für Aquakultur zu kommen.
    Rohes Lachsfilet auf einem Teller
    Ein Start-Up hat ein Verfahren entwickelt, um Fisch im Labor herzustellen - zum Schutz der Meere vor Überfischung.18.01.2022 | 4:05 min

    Fisch aus Zellkultur als Alternative?

    Das Lübecker Food-Tech-Unternehmen "Bluu Seafood" ist das erste Unternehmen Europas, das sich auf die Herstellung von Fischprodukten aus Zellkulturen spezialisiert hat. Mitbegründer Sebastian Rakers erklärt, welche Frage ausschlaggebend für die Entstehung des Unternehmens war:

    Wie kann ich trotzdem tierische Proteine zu mir nehmen, ohne dafür Massen von Tieren halten zu müssen und nur für den Zweck zu züchten, dass man sie am Ende des Tages schlachten muss?

    Sebastian Rakers, "Bluu Seafood"

    Mit Blick auf die Zukunft, auch die der jüngeren Generation, ergänzt der Firmenchef: "Ich bin fest davon überzeugt, dass meine Kinder in 20 Jahren sagen: Papa, wie konntet ihr eigentlich damals noch tierische Produkte anders herstellen, wo wir doch so tolle Technologien haben."

    Mehr zum Thema Überfischung