In vielen Städten leiden die Bewohner unter der hohen Belastung der Atemluft mit dem Dieselabgas Stickstoffdioxid weit über Grenzwert - für dessen Einhaltung laut Gesetz der Staat sorgen muss. Doch zuständige Behörden und die Bundesregierung versuchen, den Rechtsbruch auszusitzen und die Autohersteller vor teuren Nachrüstungen zu schützen.
So verhinderte etwa das unionsgeführte Bundesverkehrsministerium (BMVI), dass Umweltverbände gegen Kfz-Zulassungen und Verkäufe von dreckigen Dieselfahrzeugen klagen können. Bei der Novellierung des sogenannten Umweltrechtsbehelfsgesetzes forderte das Ministerium, Verbänden für derartige Klagen die Befugnis zu verwehren. Das geht aus internen Regierungsdokumenten hervor, die Frontal 21 vorliegen.
BUND kritisiert Einflussnahme
Danach verlangte Staatssekretär Rainer Bomba (CDU) in einem Schreiben an das Bundesumweltministerium (BMU), dass Umweltverbänden keine Klagebefugnis für die Überprüfung von Produktzulassungen eingeräumt wird. Wörtlich heißt es: "Diese Klarstellung ist für das BMVI mit Blick auf Typprüfgenehmigungen des Kraftfahrt-Bundesamtes für Kfz bedeutsam." Das Schreiben ist datiert auf den 9. März 2016, also etwa ein halbes Jahr nach Bekanntwerden des Dieselskandals. Tatsächlich wurde das Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) im August 2017 im Sinne des BMVI novelliert, eine Klagebefugnis für Produktzulassungen wurde nicht aufgenommen.
BUND-Präsident Hubert Weiger kritisiert die Einflussnahme: "Das Bundesverkehrsministerium möchte sich offenbar der demokratischen Kontrolle seiner Arbeit entledigen. Mit seiner Agitation gegen die Klagebefugnis von Umweltverbänden sägt das Verkehrsministerium an einem Grundpfeiler eines funktionierenden Rechtsstaates. Das ist eines Bundesministeriums unwürdig." Umweltverbände wie der BUND und die Deutsche Umwelthilfe wollen Behörden per Gerichtsurteil zwingen, die Zulassung bestimmter Dieselautos zu widerrufen und einen Verkaufsstopp anzuordnen. Ihr Argument: Viele der Fahrzeuge auf deutschen Straßen würden mit verbotenen Abschalteinrichtungen fahren und deshalb mit gefährlichen Abgasen die Gesundheit der Bevölkerung schädigen. Bisher waren diese Klagen erfolglos, da die Verwaltungsgerichte den Umweltverbänden die Klagebefugnis abgesprochen hatten.
Missachtung der Klagerechte für Umweltverbände
Das Umweltrechtsbehelfsgesetz regelt, wie Vereine und Verbände gegen umweltrechtliche Entscheidungen von Behörden klagen können. Grundlage ist die Aarhus-Konvention, die Deutschland ratifiziert hat. Sie sieht umfangreiche Klagerechte für Umweltverbände vor. Die fehlende Umsetzung in deutsches Recht bewertet Professor Gertrude Lübbe-Wolff, ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht, als "Missstand". Gegenüber Frontal 21 erklärte sie: "Im Umweltrecht ist es wichtig, dass Verbände klagen können." Ansonsten sei es nicht möglich, die betreffenden Rechtsnormen durchzusetzen und ihre Einhaltung vor Gericht überprüfen zu lassen.
Das Bundesverkehrsministerium ließ eine Anfrage von Frontal 21 zu dem Schreiben unbeantwortet.