Unsere Mobilität hat ihren Preis | Terra-X-Kolumne

    Kolumne

    Terra X - die Wissens-Kolumne:Unsere Mobilität hat ihren Preis

    von Harald Lesch
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    Für Reisen und Transporte verbrennen wir große Mengen an Kohle, Öl und Gas. Was ein erster Schritt zur Wende bei Auto und Co. sein kann und warum wir Mobilität neu denken müssen.

    Terra X - Die Wissens-Kolumne: Harald Lesch

    Ich glaube, wir wissen gar nicht, wie unglaublich unsere Mobilität ist. In unserem alltäglichen Umgang mit Bus, Bahn, Auto und Flugzeug denken wir selten an die unglaublichen technischen Errungenschaften und Anstrengungen, die unsere Wege von A nach B ermöglichen: Wir bewegen uns in tonnenschweren Fahrzeugen mit Geschwindigkeiten von etwa 30 Meter pro Sekunde über die Straßen. Wir fliegen in 200 Tonnen schweren Metallzylindern mit 250 Metern pro Sekunde - einem Kilometer in vier Sekunden - durch die Luft.

    In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.

    Das halten wir für völlig normal. Dabei sind Bereiche unserer maschinengetriebenen Mobilität inzwischen zu einem Faktor geworden, der die Lebensbedingungen in Städten und Gemeinden vor Ort verschlechtert, aber auch die Bedingungen für Leben auf unserem Planeten insgesamt bedroht. Denn unsere Mobilität hat ihren Preis.

    Wie viel Energie in Benzin steckt

    Solange wir nur zu Fuß gehen oder mit dem nichtelektrischen Fahrrad fahren, ist das im Prinzip kein Problem. Wir sorgen ja mit unserer eigenen Kraft für die Geschwindigkeit, mit der wir uns bewegen. Sobald wir aber Maschinen nutzen, wird natürlich der Energieverbrauch ein Thema.
    Um das ein wenig zu illustrieren: In 100 Milliliter Benzin steckt so viel Energie, wie wir auf einem Ergometer freisetzen, auf dem wir zehn Stunden lang ständig eine Leistung von 100 Watt per Fahrrad erbringen. Das sind dann 100 Watt mal zehn Stunden, eine Kilowattstunde! Dafür können wir dann drei Minuten warm duschen - oder den Strom zu Börsenpreisen von ein paar Cent verkaufen.
    Harald Lesch steht vor Flugzeug
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    Verbrennung und Abwärme als Problem

    Überrascht? Dazu kommt nun folgendes Problem: Benzin und andere Treibstoffe (Diesel, Kerosin und so weiter) sind zwar unglaublich ernergiedicht, aber um diese Energie freizusetzen und zu nutzen, müssen wir das Zeug verbrennen.
    Darin sind wir Menschen übrigens recht geübt: Vor rund zwei Millionen Jahren fingen wir damit an, Holz zu verfeuern, später dann Kohle, Öl und Gas. Die Verbrennung verwandelt die Energie der Stoffe vor allem in Wärme. Damit kann man heizen, sein Essen braten, aber eben auch Maschinen antreiben, die uns transportieren.
    Grafik: Harald Lesch steht neben Zapfsäule
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    Nun funktionieren Verbrennungsmotoren, etwa in Autos, schon lange nicht mehr wie noch frühe Dampfkessel, sondern nutzen die kinetische Energie, die bei der explosionsartigen Verbrennung frei wird, um Kolben zu bewegen - doch der Großteil der sogenannten potenziellen Energie geht in Abwärme verloren.

    Nur ein Drittel der Energie geht in Bewegung

    Das heißt: Diese Prozesse sind sehr ineffizient. Kein Wunder, es werden ja Räume angefüllt mit Wärme, sprich mit Energie in allen drei Raumrichtungen. Deshalb ist der Wirkungsgrad auch nicht sehr hoch. Rund ein Drittel der eingesetzten Energie geht tatsächlich in die Bewegung.
    In der Luft wirken die bei der Verbrennung entstehenden Gase, vor allem das Kohlendioxid, als Infrarotstrahlung speicherndes Medium auf die Temperatur der Atmosphäre. Im Wasser verändert CO2 den Säuregehalt, es macht die Ozeane saurer und wandelt im Boden die chemische Zusammensetzung.
    Harald Lesch steht vor Autobahnkreuz
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    CO2-Emissionen im Verkehr sinken nicht

    An dieser Stelle könnte jetzt der übliche Sermon folgen: Als Alternative müssen wir die Individualmobilität elektrifizieren. Mehr Menschen mit weniger einzelnen Transportmitteln und damit weniger Energiebedarf von A nach B bringen - ÖPNV und Bahn also ausbauen. Flugreisen müssen vor allem auf der Kurzstrecke gestrichen werden, für die Langstrecke braucht es alternative Energieträger - in Form von Wasserstoff, klimaneutraleren Brennstoffen und so weiter. Für die Schifffahrt gilt das Gleiche, und Güter gehören sowieso auf die Schiene.
    Den Strom für den ganzen Spaß müssen wir aus erneuerbaren Energiequellen beziehen, bezahlbar soll das alles auch noch sein, und zack, fertig, gelungene Mobilitätswende. Das wissen wir alle. Und trotzdem bleiben die CO2-Emissionen im Verkehrssektor historisch stabil - statt zu sinken.
    Grafik: Harald Lesch vor Fotovoltaikanlagen und Windrädern
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    Mobilitätswende für lebenswertere Zukunft

    Der politische Wille scheint unschlüssig, die Industrie denkt vor allem ökonomisch statt ökologisch und wir Verbraucherinnen und Verbraucher bleiben am Ende auch Gewohnheitstiere. Es gibt eine klare Antwort auf die Frage, wie eine gelungene Verkehrswende aussehen kann. Aber auf die Frage, wie wir da hinkommen, wie sie gelingen kann, kann ich keine einfache Antwort geben.
    Ein erster Schritt kann sein, sich bewusst zu werden: Es muss sich etwas tun. Für das Klima, für den Planeten, aber auch für uns: Denn eine gelungene Mobilitätswende kann uns alle in eine lebenswertere Zukunft bringen.

    Nachrichten | Wissen
    :Besser mobil - aber wie?!

    Kann der Mensch schneller, entspannter und klimafreundlicher unterwegs sein? Harald Lesch, Jasmina Neudecker, Claudia Kemfert und Luisa Neubauer sprachen live auf der re:publica24.
    Harald Lesch, Jasmina Neudecker, Claudia Kemfert, Luisa Neubauer

    ... ist Astrophysiker und Moderator für Terra X und Leschs Kosmos, erklärt für das ZDF die Welt. Besonders interessiert ist er an komplexen Systemen und deren Auswirkungen auf unsere Gesellschaft. Und an Boule, Schach und Klavier. Seit 2016 ist er mit "Terra X Lesch & Co." auch als Youtuber aktiv.

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