Terra X - die Wissens-Kolumne:Verbrenner-Alternativen nutzen, aber sinnvoll
von Christian Scharun
|
Wir brauchen die Verkehrswende, doch es scheint Uneinigkeit zu herrschen über die besten Lösungen. Scheindebatten über Technologieoffenheit bringen uns aber sicher nicht ans Ziel.
Die Zukunft ist elektrisch - insbesondere beim Individualverkehr. Obwohl sich nahezu alle wissenschaftlichen Studien in dieser Sache einig sind, werden immer wieder Alternativen wie Fahrzeuge mit Brennstoffzellen oder E-Fuels warmgehalten, vor allem durch die Politik.
Diese Technologien, für die wir große Mengen an erneuerbarer Energie benötigen, werden für Privatpersonen niemals wirtschaftlich sein. Dennoch gibt es Bereiche, in denen Wasserstoff zukünftig eine wichtige Rolle auf dem Weg zur CO2-Neutralität spielen wird.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
Vorbild Norwegen für Verbrenner-Aus 2035?
Ab dem Jahr 2035 werden in Deutschland und der EU nur noch Neuwagen zugelassen, die bei der Fahrt keine CO2-Emissionen verursachen. Norwegen ist hierfür, obwohl es kein EU-Mitgliedsland ist, ein positives Beispiel. Fast 90 Prozent der neu zugelassenen Fahrzeuge sind dort bereits elektrisch betrieben. In Deutschland galt dies 2023 nur für knapp jeden fünften Neuwagen. Insgesamt sind nur ca. zwei Prozent der Pkw in Deutschland E-Autos.
Doch ist der Vergleich mit den skandinavischen Ländern wirklich fair? Nicht unbedingt. Dort wurde viel früher und mit einer zielstrebigen Strategie mit dem Umstieg begonnen. Zudem hat Norwegen bereits nahezu seine gesamte Stromversorgung auf erneuerbare Energieträger umgestellt. Nachhaltigkeit lohnt sich also auch in diesem Sektor, um langfristig vorne mitzuspielen.
Die Ampel rühmt sich, bei ihren Klimazielen auf Kurs zu sein. Kritiker sehen als Ursache für weniger CO2-Ausstoß vor allem die Wirtschaftskrise. Was ist dran? Eine Analyse.
von Oliver Klein und Andreas Stamm
Analyse
Wasserstoff nutzen, aber nicht für Autos
Die industrielle Herstellung sauberen Wasserstoffs erfordert den Einsatz großer Mengen erneuerbarer Energie, die wir momentan noch nicht ausreichend zur Verfügung haben. Daher müssen wir uns gut überlegen, wofür wir sie einsetzen.
Nahezu alle wissenschaftlichen Studien zeichnen hierbei ein sehr klares Bild: Der Einsatz von Wasserstoff in Brennstoffzellen-Pkw, Stadtbussen oder für die private Heizung zuhause wird zu spät in ausreichendem Maße verfügbar sein, zu ineffizient und damit auch zu teuer sein.
Wasserstoff ist ein unsichtbares und geruchloses Gas. Meteorologin Katja Horneffer erklärt, wie es zum klimafreundlichen Energieträger wird.
02.11.2022 | 0:32 min
Für manche Industriezweige jedoch wird grüner Wasserstoff nicht nur eine wirtschaftliche Alternative darstellen, sondern für das Erreichen der Klimaziele in den jeweiligen Sektoren sogar alternativlos sein. Vor allem bei der Produktion von Stahl und Düngemitteln wird dies der Fall sein, aber auch bei der Schifffahrt und für Langstreckenflüge wird sauberer Wasserstoff, weiterverarbeitet zu sogenannten E-Fuels, zukünftig schwer zu ersetzen sein. Statt dauerhaft eine Technologieoffenheit zu fordern, wäre das Streben nach Technologieentschlossenheit mit großer Sicherheit der zielführendere Ansatz.
Grüner Wasserstoff soll viele Energieprobleme in Deutschland lösen. Doch die Industrie steckt noch in den Kinderschuhen. Kann Wasserstoff wirklich bald Erdgas ersetzen?26.05.2023 | 17:39 min
E-Fuels - Alles eine Frage der Effizienz
Der Hauptgrund, weshalb auch synthetische E-Fuels nicht die Lösung für unsere private Mobilität der Zukunft sind, findet sich in den Grundgesetzen der Physik. Denn bei der Herstellung des Wasserstoffs durch Elektrolyse und seiner Weiterverarbeitung mit CO2 zu synthetischem Kraftstoff, gehen etwa 50 Prozent der eingesetzten Energie in den Umwandlungsschritten wieder "verloren".
Hinzu kommt, dass auch die Effizienz des Motors selbst beim Verbrenner deutlich schlechter ist als bei Autos mit elektrischem Antrieb. Zudem sind diese Prozesse nur dann klimaneutral, wenn der Strom aus regenerativen Quellen wie beispielsweise Windenergie kommt.
Effizienter ist es also, die erneuerbare Energie, dort wo es möglich ist, direkt zu nutzen - beispielsweise in Form eines Elektroautos. Zumindest im Verkehrssektor macht also die Physik den anderen Alternativen größtenteils einen Strich durch die Rechnung.
Klimaneutrale Mobilität könnte so einfach sein: CO2 aus der Atmosphäre und ein bisschen Wasserstoff mischen, das Ganze in ein stinknormales Auto tanken, fertig. Geht das?06.04.2023 | 21:56 min
Fazit
Technologische Fortschritte wie diese sind eine großartige Chance, um bei der Energie- und Mobilitätswende wirklich etwas zu bewegen. Das funktioniert aber nur, wenn wir sie dort einsetzen, wo ihr Potential und der Nutzen für das System als Ganzes am größten ist. Etwas anderes können wir uns, weder monetär noch im Sinne des Klimaschutzes, nicht leisten.
Die Träumereien bayerischer Wirtschaftsminister und der nach Technologieoffenheit schreienden Bundestagsabgeordneten, mögen sie noch so frei von jeglichem Lobbyismus sein, sind leider nichts als ein Bremsklotz auf der Fahrt zu den ohnehin bereits ambitionierten Zielen bei Klimaschutz, Mobilitäts- und Energiewende.
MAITHINK X nimmt die aktuelle Klima-Verkehrspolitik auseinander und stellt vor, was es tatsächlich bräuchte. Denn, wenn es um das Auto geht, sind wir Deutschen blind vor Liebe. 17.03.2024 | 30:00 min
... ist wissenschaftlicher Autor in der Redaktion von MAITHINK X. Wissenschaftliche Inhalte kommuniziert er auf unterhaltsame Art und Weise auch bei Science Slams sowie auf YouTube und anderen sozialen Netzwerken. 2022 konnte er mit "FameLab Germany" einen der größten Wettbewerbe für Wissenschaftskommunikation gewinnen. Neben seiner Passion für die Wissenschaft selbst war Christian Scharun als Klimaforscher aktiv. Dabei beschäftigte er sich mit den Emissionen von Treibhausgasen und simulierte mit Klimamodellen ihren Beitrag zur globalen Erwärmung.
Die letzten Ausgaben verpasst?
Auf unserer Themenseite können Sie alle Terra-X-Kolumnen nachlesen.
Welche Lösung bietet die Wissenschaft für aktuelle Probleme? Sie können die vergangenen Ausgaben von "Terra X - die Wissens-Kolumne" in unserem Archiv jederzeit einsehen.