COP29: Klimaschutz auf der Kippe | Terra-X-Kolumne
Kolumne
Terra X - die Wissens-Kolumne:Klimaschutz: Nur leere Worte und heiße Luft
von Gregor Steinbrenner
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Leere Phrasen, schwache Beschlüsse, fossile Interessen: Warum die COP ihren Ambitionen nicht gerecht wird - und wie sich der Stillstand überwinden ließe.
"Es ist fünf vor zwölf", "wir müssen den Worten Taten folgen lassen", "Versagen ist keine Option": Auch diese Weltklimakonferenz ist eine COP der Phrasen. Leere Worthülsen, die ich kaum mehr ertragen kann. Seit Jahren die gleichen Appelle, gut gemeint, aber ohne Wirkung.
Die Emissionen steigen. Die fossile Energieindustrie schließt Vertrag um Vertrag. Auch mit Deutschland. Der Planet heizt sich weiter auf. Und die COPs gehen mit schwachen Ergebnissen, weichen Formulierungen und faulen Kompromissen zu Ende. Wie auch diese 29. Weltklimakonferenz in Aserbaidschan.
In der Terra-X-Kolumne auf ZDFheute beschäftigen sich ZDF-Wissenschaftsjournalistinnen und -journalisten wie Harald Lesch, Mirko Drotschmann und Jasmina Neudecker sowie Gastexpert*innen jeden Sonntag mit großen Fragen der Wissenschaft - und welche Antworten die Forschung auf die Herausforderungen unserer Zeit bietet.
NANO spezial vom 22. November: Die UN-Klimakonferenz COP29 in Baku geht zu Ende. Wieder fand sie in einem Ölstaat statt, in Aserbaidschan. Wie sind die Ergebnisse? Wir ziehen Bilanz.22.11.2024 | 28:38 min
Ernüchternde Faktenlage bei CO2-Emissionen
"Wir brauchen mehr Ambition" - auch so eine Phrase. Dazu die Fakten: Die globalen CO2-Emissionen werden 2030 um nur 2,6 Prozent unter dem Stand von 2019 liegen. Viel zu wenig.
Die Wissenschaft sagt: Nötig wäre eine Reduktion um 7,5 Prozent jedes Jahr, dann wären wir einigermaßen auf dem "1,5-Grad-Pfad". Ambitionierter Klimaschutz ist (noch) möglich. Hier auf der COP scheint ihn aber niemand für nötig zu halten.
Der Klimaschutz-Index bewertet Staaten nach Emissionen, Erneuerbare Energien, Energieverbrauch und Klimapolitik. Wo stehen Deutschland, Österreich und die Schweiz?20.11.2024 | 27:35 min
Die Ambitionierten und die Blockierer beim Klimaschutz
Nein. So kann man das nicht sagen. Großbritannien hat ambitionierte Klimaschutzziele vorgestellt: 81 Prozent Reduktion der CO2-Emissionen bis 2030. Die Briten wären damit auf dem 1,5-Grad-Pfad. Deutschland reduziert, wenn es nach den Plänen der noch aktuellen Regierung geht, die Emissionen um 65 Prozent. Die EU um 55 Prozent. Ambitioniertere Ziele wurden auf der COP nicht vorgestellt. Trotzdem, das sind die Ambitionierten.
Es gibt auch die anderen, die sich einen - Entschuldigung - Scheißdreck um Klimaschutz scheren. Bestes Beispiel: Saudi-Arabien. Laut der Londoner Klimaforschungs-Organisation E3G kam das Verhalten Saudi-Arabiens auf der COP einer "Abrissbirne" gleich. Mit aller Macht sorgten sie dafür, dass "transition away from fossils", also der Übergang weg von den fossilen Energieträgern, nicht ins Abschlussdokument kommt. Der Klimaforscher Mojib Latif sagt dazu: "Dem Klima hat die COP nicht geholfen."
Fridays for Future fordern mehr Ehrgeiz bei den Verhandlungen in Baku und erinnern die G20 Länder an ihre globale Verantwortung für ein neues Klimafinanzierungspaket.15.11.2024 | 28:08 min
Klimagerechtigkeit bleibt ein Fremdwort
Und das nicht erst hier auf der COP29 in Aserbaidschan: Bei der UN-Nuklear-Konferenz, beim Gipfel der Kleinen-Insel-Staaten, beim Biodiversitäts-Gipfel, beim G20-Treffen in Brasilien, überall. Es ist so dreist, ich könnte vor Zorn heulen.
Die Saudis blockieren alles, was ihr Geschäftsmodell gefährdet. Gerne auch im Schulterschluss mit China oder anderen. Mit ihrem Öl-Geld können sie sich Klimaanlagen kaufen und Skipisten in die Wüste setzen - während die ärmeren Länder wahlweise vertrocknen oder absaufen. Klimagerechtigkeit? Wohl eher Klima-Selbstgerechtigkeit!
Seit 1995 die erste UN-Klimakonferenz stattfand, geht es um nichts weniger als die Vermeidung der Klimakatastrophe. Doch sind Weltklimakonferenzen Fluch oder Segen?14.11.2024 | 27:29 min
Altruismus wird eine Utopie bleiben
Klar, warum sollte man etwas tun, was einem selbst (kurzfristig) schadet? Altruismus ist auch in Saudi-Arabien ein Fremdwort.
Ach übrigens: Der künftige US-Präsident Donald Trump saß gerade noch mit dem Vorsitzenden des saudischen Ölkonzerns Aramco beim Martial Arts Fight in New York. Trump - auch kein Altruist im engeren Sinn. Die nächsten Klimakonferenzen finden mit Präsident Trump statt - oder besser ohne ihn, er will ja aus dem Pariser Abkommen austreten.
Wird die erneute Präsidentschaft Donald Trumps die Bemühungen gegen die Klimakrise zunichtemachen? Oder ihnen vielleicht sogar einen unerwarteten Schub geben?13.11.2024 | 28:33 min
Ein Reformprozess gegen die Zeit
Und nun? "Versagen ist keine Option", Aufgeben auch nicht. Also weiterverhandeln, auch wenn die 1,5 Grad eigentlich schon gerissen sind? Im jüngsten UN Emissions Gap Report heißt es, die Chance, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, sind "virtually zero" - praktisch bei Null. So wie die Weltklimakonferenzen im Moment laufen, wird das auch so bleiben. Alle Beschlüsse, alle Abschlusserklärungen, alle Mantelentscheidungen müssen einstimmig verabschiedet werden (inklusive Saudi-Arabien).
Der UN-Generalsekretär Antonio Guterres und andere, darunter viele Wissenschaftler, haben eine Reform der COP vorgeschlagen: keine großen Verhandlungsrunden mehr mit tausenden Delegierten, sondern kleinere Runden, dafür öfter und "solution-driven", lösungsorientiert. Ja, vielleicht eine gute Idee. Aber haben wir die Zeit, einen Reformprozess umzusetzen? "Die Uhr tickt." Nochmal fünf Euro ins Phrasenschwein.
Bedeutet die Wahl Trumps jetzt das Aus für den internationalen Klimaschutz? Nicht nur der globale Süden leidet unter dem Klimawandel, wie unsere Experten berichten.
12.11.2024 | 30:32 min
… ist Journalist und Moderator der Wissenschaftssendung NANO auf 3sat. Seit Jahren berichtet er über die Klimakonferenzen.
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