Was leisten Zoos für den Artenschutz?

    Gürteltier - Zootier des Jahres:Was leisten Zoos für den Artenschutz?

    von Birgit Hermes
    |

    Das Gürteltier ist zum "Zootier des Jahres" 2025 gekürt worden. Warum verdient diese bedrohte Tierart eine Lobby und wie helfen unsere Zoos beim Artenschutz?

    Gürteltier
    Das Gürteltier: Zootier des Jahres 2025 (Archiv)
    Quelle: ap

    Einen Schönheitswettbewerb würden sie vermutlich nicht gewinnen - die Gürteltiere, die zu den ältesten Gruppen heutiger Säugetieren gehören. Aber sie verdienen es, beachtet und geschützt zu werden. Denn durch ihre Freude am Graben durchwühlen sie den Boden, sorgen für dessen Durchlüftung und überlassen - weil sie gerne umziehen - vielen anderen Arten ihren Bau als Unterschlupf und dienen so auch der Biodiversität.
    "plan b: Zoos mit Zukunft - Mehr Wildnis wagen": Zwei Breitmaulnashörner im Réserve Africaine.
    Schimpansen und Löwen zum Greifen nah im Zoo. Doch es hagelt massiv Kritik: Gefangenschaft als artgerechte Haltung? Wie könnte ein guter Zoo aussehen?21.09.2023 | 29:45 min
    Mit der Auszeichnung "Zootier des Jahres" erreichen Gürteltiere, die üblicherweise ohne jede Lobby ihr Leben fristen, eine Aufmerksamkeit, die es erlaubt, möglichst viele Schutzmaßnahmen umsetzen zu können - so zumindest das Kalkül der Zoologischen Gesellschaft für Arten- und Populationsschutz (ZGAP), die die Artenschutzkampagne initiiert hat.
    Denn auch diese Tiere sind bedroht: durch den Verlust ihres Lebensraums, ihrer Nahrungsquellen und die Jagd nach ihrem Fleisch.

    Zoos als Lobbyisten für bedrohte Tiere

    Zoologische Gärten sind als Partner dieser Kampagne prädestiniert dafür, viele Menschen zu erreichen: In Deutschland besuchen jährlich etwa 36 Millionen Menschen die Zoos. Und: Während Zoos früher nur Tiere zur Schau zu stellten, beanspruchen sie heute für sich, Artenschutz zu betreiben.
    Im Chester Zoo wird mit dem Projekt Nature´s Safe Artenschutz betrieben, indem die DNA bedrohter Tierarten durch Cryotechnik gefroren und später zur Züchtung oder Nachzüchtung eingesetzt werden
    Der Chester Zoo und das Projekt Nature Safe in Großbritannien wollen Artensterben verhindern, indem sie DNA bedrohter Tiere einfrieren - für deren Rettung in der Zukunft.04.09.2023 | 5:35 min
    Dazu gehöre beispielsweise die Bewusstseinsbildung bei Besuchern und Forschung an Wildtieren, so Marco Dinter, Naturschutzreferent des Zoos in Frankfurt am Main.

    Vom Wissen, das wir im Zoo erlangen, etwa wie ein Nashorn am besten zu betäuben ist, profitieren auch Tierärzte in der Wildnis.

    Marco Dinter, Naturschutzreferent vom Zoo Frankfurt

    Artenschutz durch Nachzucht und Wiederauswilderung

    Auch die Nachzucht von bedrohten Tieren in Zoos und ihre Wiederauswilderung kämen dem Artenschutz zugute. Beispiele seien der Kalifornische Kondor, das Przewalski-Pferd und das goldgelbe Löwenäffchen. Tierarten also, die in der Natur ganz oder nahezu verschwunden waren und mit Hilfe von Zoos vor dem endgültigen Aus bewahrt werden konnten.
    Przewalskipferde im Tierpark Berlin
    Hoffnung für die Artenvielfalt: Przewalski-Pferde aus Prag und Berlin sollen der Anfang einer neuen Population sein, in den Weiten der zentralkasachischen Steppe.13.06.2024 | 2:02 min
    In den Zoos des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ) werden nach eigenen Angaben rund 171 Tierarten gehalten, von denen fast zwanzig Prozent bedroht seien. Durch diese Zoos konnten etwa 50 Tierarten, die in der Natur bereits ausgestorben sind, überleben, so der VdZ.
    Löwenäffchen
    Kalifornischer Kondor
    Przewalski-Pferde schmiegen sich aneinander

    Goldgelbes Löwenäffchen

    Der kleine Affe lebt in freier Wildbahn nur noch im südöstlichen Brasilien.

    Quelle: dpa


    Tierrechtsorganisation: Kritik an Tötung von Tieren

    Was nach einer Erfolgsgeschichte klingt, stößt bei der Tierrechtsorganisation Peta auf Kritik. Denn zu den Zuchtprogrammen gehört auch, dass "überzählige" Tiere getötet werden, weil es für sie keine Verwendung gibt, hält Peter Höffken von Peta fest.

    Allein im Tiergarten Nürnberg wurden schon seltene Tierarten wie das Przewalski-Pferd oder die vom Aussterben bedrohten Prinz-Alfred-Hirsche getötet.

    Peter Höffken, Tierrechtsorganisation Peta

    "Viele bedrohte Tierarten wie Tiger, Eisbären oder Gorillas können gar nicht ausgewildert werden, wenn sie im Zoo geboren wurden", fügt Höffken hinzu. Denn im Zoo würden sie die notwendigen Verhaltensweisen für ein Leben in der Natur nicht erlernen können.
    Rechts sind Leonie Schöler und Jacob Beautemps. Links ein Löwer hinter Gittern.
    Depressive Elefanten, Flamingos mit gestutzten Flügeln und Eisbären, die bei 35 Grad ausharren müssen. Zoos und Tierparks sind aber auch Lern- und Erholungsorte. Brauchen wir Zoos?01.12.2022 | 11:45 min

    Zoobesuch zur Bildung und Aufklärung

    Bleibt noch die Frage: Sind Menschen nach einem Zoobesuch schlauer? - Ja, sagt Marco Dinter. Gerade im Bereich der Bildung sieht er den entscheidenden Artenschutzeffekt der Zoos.

    Wir zeigen den Menschen, was ihr eigenes Konsumverhalten mit der Bedrohung der Tiere zu hat.

    Marco Dinter, Naturschutzreferent vom Zoo Frankfurt

    Als Beispiel nennt er den Abbau von Coltan, der den Lebensraum der Gorillas in der Demokratischen Republik Kongo zerstört. Das aus Coltan gewonnene Tantal wird zum Beispiel in Smartphones und Elektrofahrzeugen verbaut.
    "Wenn es gut läuft, können wir das Konsumverhalten der Besucher verändern und vor Ort durch Expertise und Unterstützung von Organisationen Artenschutz umsetzen", so die Hoffnung von Marco Dinter.
    Polarfuchs
    Polarfüchse sind Überlebenskünstler. Doch auch sie bedroht der Klimawandel. Ein Forschungsteam züchtet Polarfüchse und wildert sie wieder aus, um das Artensterben zu stoppen.12.11.2024 | 2:11 min

    Zahl der aussterbenden Tiere steigt weiter an

    Diese Hoffnung ist nach Ansicht von Peter Höffken unbegründet:

    Da immer mehr Tierarten aussterben, auch in Deutschland, können wir beim besten Willen nicht davon ausgehen, dass es Zoos in den vergangenen 100 Jahren geschafft hätten, Scharen von Menschen für den Artenschutz zu begeistern.

    Peter Höffken, Tierrechtsorganisation Peta

    Das Gürteltier weiß von all dem nichts, nicht einmal, dass es Zootier des Jahres 2025 ist. Ziel ist aber, dass es davon profitiert. Durch den Verlust seines Lebensraums macht es sich zum Leidwesen von Bienenhaltern über Bienenstöcke her. Dieser Mensch-Tier-Konflikt soll nun in einem Projekt in Brasilien angegangen werden.
    Birgit Hermes ist Redakteurin in der ZDF-Redaktion Umwelt.

    Das große Artensterben
    :Europas Tier- und Pflanzenwelt enorm bedroht

    Es ist neben dem Klimawandel die zweite globale Umweltkrise: das Artensterben. Eine neue Studie hält das Ausmaß in Europa für unterschätzt, erklärt jede fünfte Art für gefährdet.
    von Andreas Stamm
    Luchse im Wald

    Mehr über Artenschutz und Biodiversität