Wirtschaftsforscher senken Prognose deutlich

    Minus 0,6 Prozent erwartet:Wirtschaftsforscher senken Prognose deutlich

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    Die führenden Wirtschaftsforscher schrauben ihre Erwartungen fürs laufende Jahr deutlich nach unten - und warnen vor den Risiken eines veränderten gesellschaftlichen Klimas.

    Auf dem Bild ist ein Flyer der Gemeischaftsdiganose 2023 zu sehen.
    Die Prognose für die deutsche Wirtschaft wurde erneut von führenden Forschungsinstituten nach unten korrigiert. Sie erwarten in diesem Jahr einen Rückgang von 0,6 %. Ein Ende des Abschwungs sei jedoch in Sicht.28.09.2023 | 2:03 min
    Die fünf führenden Wirtschaftsforschungsinstitute rechnen mit einem Rückgang der deutschen Wirtschaft in diesem Jahr um 0,6 Prozent. Im Frühjahr hatten sie für 2023 noch mit einem Mini-Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um 0,3 Prozent gerechnet. Die deutsche Wirtschaft war aber nach einem Konjunkturwinter auch im Frühjahr nicht in Schwung gekommen.
    Die Industrie und der private Konsum erholten sich "langsamer, als wir im Frühjahr erwartet haben", sagte Oliver Holtemöller, Vize-Präsident des Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Der sprunghafte Anstieg der Energiepreise im vergangenen Jahr habe der Erholung nach der Pandemie ein jähes Ende bereitet, heißt es in der Gemeinschaftsprognose. Die Inflation entziehe den Haushalten Kaufkraft, der Anstieg der Leitzinsen treffe insbesondere die Bauwirtschaft. Die Stimmung in den Unternehmen habe sich zuletzt erneut verschlechtert, dazu trage auch politische Unsicherheit bei.
    Auf einem Tisch sind Münzen auf verscheiden hohen Münzstapeln aufgestapelt, darauf sind Holzwürfel mit der Inschrift Inflation. Im Hintergrund tippt eine Person auf einem Taschenrechner und hält Geldscheine in der Hand.
    Inflation gehört schon immer zur Wirtschaft - genauso wie ihre sozialen Folgen.28.09.2023 | 44:15 min

    Leichtes Wachstum im kommenden Jahr erwartet

    Zum Jahresende dürfte der Abschwung allerdings abklingen, erwarten die Institute. Die Löhne hätten aufgrund der Teuerung angezogen, die Energiepreise seien gesunken und die Exporteure hätten ihre höheren Kosten teilweise weitergegeben, so dass Kaufkraft zurückkehre, heißt es zur Begründung. Für das kommende Jahr rechnen die Forscher daher mit einem eher moderaten Wachstum von 1,3 Prozent und damit nur 0,2 Punkte unter der Frühjahrsprognose.
    Bei der Arbeitslosigkeit rechnen die Wirtschaftsforscher dieses Jahr mit einem moderaten Anstieg auf 2,6 Millionen Betroffene, für 2024 wird ein leichter Rückgang prognostiziert. Bei der Inflationsrate sei eine Entspannung absehbar. Sie dürfte dieses Jahr bei 6,1 Prozent liegen und 2024 bereits auf 2,6 Prozent fallen.

    Institute: Gesellschaftliches Klima zunehmendes Konjunkturrisiko

    Mit Sorge sehen die Forscher das politische Klima: "Derzeit gerät etwas in Gefahr, das bis vor kurzem in Deutschland als selbstverständlich galt", mahnte IWH-Experte Holtemöller: ein gesellschaftliches Klima des Vertrauens, "dass die Grundregeln unserer Gesellschaft allgemein akzeptiert werden" und auch Bestand hätten. Darunter fielen Selbstverständlichkeiten wie Respekt vor Mitmenschen und vor dem Eigentum sowie der Handlungsfreiheit anderer. "Seit einiger Zeit gewinnt extremes Gedankengut an Boden, welches diese Selbstverständlichkeiten infrage stellt." Holtemöller warnte:

    Mögen die unmittelbaren Konjunkturrisiken dieser Tendenz auch begrenzt sein, so gehen von ihr doch erhebliche Risiken für die langfristigen Wachstums- und Wohlstandsaussichten aus.

    Oliver Holtemöller, Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle

    Die sogenannte Gemeinschaftsdiagnose wird vorgelegt vom Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Halle, dem Ifo-Institut, dem Institut für Weltwirtschaft Kiel, dem RWI-Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung Essen sowie dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin.
    Quelle: ZDF, dpa, Reuters

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