Sky ECC: Der Messenger-Dienst, den Gangster liebten

    Exklusiv

    Sky ECC :Der Messenger-Dienst, den Gangster liebten

    von D. Kollig, S. Stahl, T. Schober, H. Tanriverdi
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    Ein Leak zeigt, wie europäische Ermittler den Krypto-Dienst Sky ECC hacken konnten und Hunderten Verbrechern auf die Spur kamen. Die rechtliche Basis dafür ist umstritten.

    Bildmontage: Kokainplatte links im Bild, Hände auf dem Rücken in Handschellen, die ein Smartphone halten, rechts im Bild
    Die Krypto-App Sky ECC galt weltweit als eine der sichersten. Deshalb war sie bei Kriminellen beliebt – auch bei der Bande, die 16 Tonnen Kokain nach Deutschland schmuggeln wollte.22.10.2024 | 16:47 min
    Die App wirkt wie der Traum eines jeden Kriminellen: Der Messenger ist, wenn gewünscht, hinter einer vermeintlichen Taschenrechner-App verborgen, alles ist verschlüsselt und mit einem Trick lassen sich auf Knopfdruck sämtliche Daten löschen - ideal zum Beispiel im Fall einer Festnahme.
    Für etwa 2.200 Euro im Jahr bot die kanadische Firma Sky Global seinen Kunden die - so die Eigenwerbung - "sicherste Messenger-Plattform, die man kaufen kann" an: Sky ECC. Insgesamt 170.000 User weltweit sollen sich darauf verlassen haben, darunter Drogenbosse und Mörder. Was sie nicht ahnten: Ermittler haben die App gehackt und konnten so monatelang sämtliche Kommunikation aller Nutzer speichern.

    1,5 Millionen Nachrichten pro Tag abgefangen

    ZDF frontal, Radio-Canada und weitere Medien konnten anhand Tausender bislang geheimer Dokumente nun erstmals rekonstruieren, wie es den Behörden gelang, den Krypto-Messenger Sky ECC zu knacken.
    20 Monate lief die Geheimoperation: Ermittler aus drei Ländern - Niederlande, Belgien und Frankreich - drangen mit Europol Stück für Stück in die Tiefen der Organisierten Kriminalität ein. Ab Juni 2019 fingen sie bis zu 1,5 Millionen Sky ECC-Nachrichten pro Tag ab. Zuerst gelang es den Ermittlern, Metadaten auszulesen - Gruppennamen wie "30kg cocaine" ließen vermuten, dass über die App Drogen geschmuggelt wurden.
    Bildmontage: Porträt, rechte Gesichtshälfte im Schatten, links im Bild, Hände auf dem Rücken in Handschellen, die ein Smartphone halten, rechts im Bild
    Europol ist es gelungen, die Krypto-App Sky ECC zu knacken, die viele Kriminelle nutzten. Der Erfinder des Messengers sieht sich als dagegen als Kämpfer für den Datenschutz.22.10.2024 | 15:55 min

    Ermittler: Größter Kokainfund in Europa

    Dann konnten die Ermittler im April 2020 einen technischen Fehler ausnutzen und zusätzlich auch Gruppenchats auslesen. Über heimlich verschickte Push-Nachrichten entschlüsselte das Team ab Dezember 2020 schließlich sämtliche Chats - mehr als eine Milliarde Nachrichten wurden auf einen Schlag entschlüsselt. Ab Mitte Februar 2021 konnten die Ermittler wochenlang live mitlesen, bis heute werten Ermittler die Chat-Nachrichten aus.

    frontal
    Quelle: ZDF

    Mehr zum Thema sehen Sie am Dienstag, dem 22. Oktober, ab 21 Uhr in der ZDF-Sendung frontal - und jederzeit in der ZDF-Mediathek.

    Im Frühjahr 2021 gab Europol schließlich per Pressemitteilung bekannt, Sky ECC erfolgreich infiltriert zu haben. Europol habe demnach dadurch 114 Morde verhindern und am Hamburger Hafen 16 Tonnen Kokain sicherstellen können - der größte Kokainfund in Europa.
    Allein in Deutschland fußen 680 Ermittlungen auf den Ergebnissen, 500 Haftbefehle wurden bereits vollstreckt. Die monatelangen Recherchen zeigen aber auch, dass die Ermittler einen rechtlich umstrittenen Weg wählten: Mit dem Argument, Kriminelle nutzten die App, wurden sämtliche Nutzer ausgespäht.

    Niederländisches Gericht verbot Überwachung von Sky ECC

    Das Vorgehen der Behörden wirft Fragen auf: Das Ermittler-Team aus den Niederlanden wollte bereits im Herbst 2018 den Sky-Server überwachen, scheiterte jedoch an der eigenen Justiz. Die Niederländer hatten ihren Antrag damit begründet, dass Sky ECC vor allem von Kriminellen verwendet werde. Doch die "uneingeschränkte Erlaubnis" zu erteilen, würde "zu weit gehen", urteilte das Gericht in Amsterdam.
    Allerdings standen die Server von Sky ECC in Frankreich, ein französischer Richter bewilligte die Serverüberwachung und später auch den Hack. Also taten sich die niederländischen Ermittler mit den Franzosen zusammen - und umgingen so das für sie ungünstigere niederländische Recht.
    Bildmontage, Männer mit dem Gesicht an die Wand und hochgehaltenen Händen bei Verhaftung in Serbien, links im Bild, Hände auf dem Rücken in Handschellen, die ein Smartphone halten, rechts im Bild
    Im Horrorhaus in der Nähe von Belgrad soll ein Mafia-Clan zahlreiche Morde und Folterungen begangen haben. Bilder über die Verbrechen haben sie über die App Sky ECC ausgetauscht.22.10.2024 | 16:47 min

    Deutscher Anwalt Lödden: "Illegale Massenüberwachung"

    Der Krefelder Anwalt Christian Lödden, der auch Beschuldigte vertritt, gegen die anhand der so gewonnenen Daten ermittelt wird, nennt das Vorgehen der Ermittler "Befugnisshoppen", und kritisiert, dass diese "illegale Massenüberwachung" gegen die "rechtsstaatlichen Werte in Deutschland" verstoße.

    Für mich ist das ein Skandal.

    Christian Lödden, Rechtsanwalt

    Das Vorgehen der Behörden sei unverhältnismäßig, da diese "auf sämtliche Geräte" zugegriffen hätten, um dann zu schauen, was sich auf diesen Smartphones befinde. Die Behörden hätten "ohne qualifizierten Tatverdacht" ermittelt. Das verstoße "gegen unsere rechtsstaatlichen Werte in Deutschland", sagt Lödden.

    Firmengründer Eap wehrt sich gegen Vorwürfe

    Sky Global und Firmengründer Jean-François Eap betonen, dass die Krypto-Handys die Privatsphäre von Personen schützen sollten und nicht für kriminelle Nutzer entwickelt wurden.

    Meine Technologie war nie dafür gemacht, designed oder gedacht, um eine kriminelle Nachfrage zu bedienen.

    Jean-François Eap, Gründer Sky ECC

    Die US-Regierung wirft Jean-François Eap vor, den internationalen Drogenhandel unterstützt zu haben. Der streitet die Vorwürfe ab: "Ich konnte nicht verstehen, wie ein Technologieunternehmen ein Drogenhändler sein sollte."

    Europol: Sky ECC nutzten ausnahmslos Kriminelle

    Die Europol-Chefin Catherine de Bolle überzeugt dieses Argument nicht: "Wenn mir Leute aus dieser Branche sagen, dass sie zwar das Gerät liefern, aber überhaupt nicht für die mögliche Nutzung verantwortlich sind, habe ich dafür keinerlei Verständnis und das gefällt mir auch nicht."

    Wir sind ziemlich zuversichtlich, dass alles, was wir getan haben, rechtmäßig war. Unter richterlicher Aufsicht.

    Catherine de Bolle, Europol-Chefin

    De Bolle sagt, Sky ECC hätten ausnahmslos Kriminelle genutzt, sie hätten sich "unantastbar" gefühlt:

    Diese Kriminellen haben wirklich gedacht, dass Ermittler niemals reinkommen würden. Aber wir sind reingekommen.

    Catherine de Bolle, Europol-Chefin

    De Bolle will Anbieter von Diensten zur Herausgabe jener Informationen zwingen, "die wir für unsere Ermittlungen brauchen". Dieser Ruf nach einer technischen Hintertür wird von IT-Sicherheitsexperten kritisiert. Er sei schlicht nicht umsetzbar, ohne die IT-Sicherheit aller gleichermaßen zu gefährden.
     the headquarters of europol are seen in the hague, netherlands. the european union's police agency is calling for better awareness and tougher, targeted legislation to tackle cybercrime in the wake of devastating malware and ransomware attacks in recent months
    Wegen des immer besseren Arbeitens der Geheimdienste nutzen kriminelle Organisationen oft speziell verschlüsselte Messengerapps. Europol konnte nun einen dieser Messenger hacken.22.10.2024 | 1:53 min

    Präsidentin der Signal-Stiftung warnt

    Meredith Whittaker, Präsidentin der Signal-Stiftung, die den gleichnamigen Messenger entwickelt, warnt: Wenn die EU damit beginne, private Kommunikation zu überwachen, wäre das ein Vorwand für autoritäre Staaten, ähnlich restriktive Gesetze zu erlassen: "Und das könnte das Ende echter Online-Privatsphäre bedeuten."
    Im Frühjahr 2025 beginnt in Frankreich der Prozess gegen Eap. Ein Vorwurf: Er und weitere Personen von Sky Global sollen den Drogenhandel zumindest fahrlässig unterstützt haben.

    Eine Person hält ein Smartphone in der Hand. Darauf ist der WhatsApp-Channel der ZDFheute zu sehen.
    Quelle: ZDF

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