Estland: Die Millionengeschäfte der Krypto-Gangster

    Organisierte Kriminalität:Estlands Krypto-Gangster im Goldrausch

    von Hannes Munzinger, Anastasia Trenkler
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    Estland ist Europas Digital-Eldorado. Jahrelang lockte der Kleinstaat Krypto-Unternehmer. Die kamen auch, um Geld zu waschen. Hacker, Betrüger und russische Söldner profitierten.

    Mitglieder der rechtsextremen russischen paramilitärischen Einheit "Rusich" auf dem Roten Platz in Moskau.
    Finanzieren sich über Krypto-Plattformen in Estland: Mitglieder der rechtsextremen russischen Einheit "Russitsch" auf dem Roten Platz in Moskau. (Archivbild)
    Quelle: imago/NurPhoto

    Bis vor kurzem war Sergei B. Geschäftsführer von 24 Firmen. Der Mann aus einer Stadt im Osten Estlands war Serienunternehmer im Geschäft mit Kryptowährungen. Millionen flossen über die Konten seiner Unternehmen. Aber wenn es nach ihm geht, ist Estland "ein Land, das Leute davon abhält, Geld zu verdienen". B. habe mehr als zehn Jahre Berufserfahrung im Banken- und Finanzwesen, so steht es auf seinem LinkedIn-Profil. Heute ist er arbeitslos.
    Tatsächlich ist B. Klempner, die Legende vom Finanzexperten ist frei erfunden. Erdacht von Männern, deren Namen er nicht nennen will, die ihn als Strohmann anheuerten und den Klempner zum vermeintlichen Finanzexperten machten.

    US-Behörden sanktionierten estnisches Krypto-Portal

    Der Krypto-Klempner ist nur einer von vielen Strohmännern, mit deren Hilfe windige Finanzjongleure aus aller Welt schmutziges Geld in Estland wuschen. Seit 2017 hatte das Land mit schnellen Lizenzen für Firmen gelockt, die Kryptowährungen tauschen oder Zahlungen abwickeln. Mehr als 2.000 Lizenzen wurden ausgestellt, Anbieter aus aller Welt machten davon Gebrauch.
    Allerdings kamen eben auch die, die man nicht wollte: Firmen wie die, denen der Klempner B. offiziell als Geschäftsführer diente. Zum Beispiel "Izbits OÜ", die in Verbindung mit der virtuellen Kryptobörse Chatex stand, und inzwischen von US-Behörden sanktioniert wurde. In der Begründung des US-Finanzministeriums heißt es:

    Die bekannten Transaktionen von Chatex zeigen, dass mehr als die Hälfte direkt auf illegale oder hochriskante Aktivitäten wie Darknet-Märkte, hochriskante Austauschbörsen und Erpressersoftware zurückzuführen sind.

    US-Finanzministerium

    Zwei Drittel aller Lizenzen wurden widerrufen

    Schon drei Jahre später musste die Finanzaufsicht in einem drastischen Schritt zwei Drittel aller Lizenzen wieder kassieren. Die Aufseher hatten festgestellt, dass viele Firmen nur zum Schein registriert worden waren und ihre Lizenzen für krumme Geschäfte angemeldet hatten.
    Der Oberste Geldwäschebekämpfer des Landes warnte, man müsse das Geschäft mit Kryptolizenzen stoppen und von vorne beginnen. 2022 verschärfte das Parlament das Gesetz gegen Geldwäsche und Terrorfinanzierung, weitere 400 Firmen verloren ihre Geschäftsgrundlage.

    Ransomware-Erpresser sollen Börse genutzt haben

    Darunter war auch die Krypto-Börse Garantex, die seit 2019 von Moskau und St. Petersburg aus operiert, aber in Estland lizenziert war. Kunden können bei Garantex traditionelles Geld einzahlen und in Bitcoin, Ethereum, Monero oder andere Blockchain-Währungen umtauschen. Die USA sanktionierten die Börse im April 2022.
    Das US-Finanzministerium konnte Transaktionen von Garantex im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar mit "illegalen Akteuren und Darknet-Märkten" in Verbindung bringen. Sechs Millionen davon rechneten sie der berüchtigten prorussischen Hacker-Gruppe "Conti" zu. Conti ist für sogenannte Ransomware-Angriffe bekannt, bei denen die Systeme der Opfer verschlüsselt und erst gegen Zahlung von Lösegeld entschlüsselt werden. Lösegeld, das dann dank Garantex bei den Erpressern ankam.
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    Neonazi-Söldner mit Verbindungen zur Wagner-Truppe

    Über Garantex erhielt auch die russische Neonazi-Söldner-Truppe "Russitsch" Gelder. Sie hat 2014 und 2015 im Donbass gekämpft. Spätestens seit Frühjahr 2022 ist sie am Angriffskrieg gegen die Ukraine beteiligt. Ihr Gründer Alexei Miltschakow ist ein Rechtsextremer aus St. Petersburg. Er soll Verbindungen zur Söldnertruppe "Wagner" unterhalten.
    Die Kämpfer von "Russitsch" sind für ihr brutales Vorgehen bekannt. Auf ihrem Telegram-Kanal teilt "Russitsch" Bilder von Soldaten, die mit Leichen posieren - ein Bein abgestützt auf den leblosen Köpfen. Sie posten Videos von Erschießungen und Sprengköpfen, die neben Menschengruppen hoch gehen.
    Dazwischen finden sich immer wieder Spendenaufrufe: Für Tarnjacken, Drohnen, Kommunikationstechnik und Evakuierungsfahrzeuge. Unterstützer können das Geld direkt an russische Institute wie die Sperbank oder Alfa Bank überweisen. Oder sie nutzen eben Kryptowährung.

    Geld verdienen mit getöteten Ukrainern

    Alle Wallet-Adressen sind dafür in den jeweiligen Telegram-Nachrichten aufgezählt, ganz gleich ob Bitcoin, Ethereum, Tether oder Monero. Man ist flexibel. Das ZDF konnte mit Hilfe des Organised Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP) und der estnischen Rechercheplattform Delfi die Zahlungen an "Russitsch" nachvollziehen. Insgesamt sammelten die Söldner über 211.000 US-Dollar. Mindestens 10.000 Dollar flossen zwischen "Russitsch" und Garantex. Dass Geld bei den Rechtsextremen ankommt, teilen sie ihren Fans regelmäßig auf Telegram mit - und beschwören feierlich deren grenzenlose Solidarität.
    Aber da machen sie nicht halt: Zwischenzeitlich sollen in ihrem Telegram-Kanal Anleitungen kursiert haben, die erklären, wie russische Kämpfer mit den Leichen ermordeter Ukrainier Geld verdienen können: "Macht Fotos, auf denen die Gesichter zu sehen sind und bietet den Verwandten Informationen über den Bestattungsort des Sohnes oder Ehemanns für eine Summe von zwei- bis fünftausend Dollar an." Das Geld könne dann an eine Bitcoin-Adresse überwiesen werden.
    Mitarbeit: Holger Roonemaa, Martin Laine, Oliver Kund, Riin Aljas, Šarūnas Černiauskas

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