Deutsche Firmen: US-Bürokratie "nicht weniger kompliziert"

    Deutsche Firmen in den USA:US-Bürokratie "nicht weniger kompliziert"

    SGS-Hinterleitner
    von Karl Hinterleitner
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    Für deutsche Firmen gelten die USA als gelobtes Land: weniger Bürokratie, mehr Freiheit. Bei Wirtschaftsminister Robert Habecks US-Reise wird klar, dass die Wahrheit komplexer ist.

    USA, Washington DC: Robert Habeck, Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft und Klimaschutz, nimmt an einem Treffen mit der US-Finanzministerin Janet Yellen teil.
    Deutsche Unternehmen drohen, in die USA abzuwandern: Bundeswirtschaftsminister Habeck bei einem Treffen mit US-Finanzministerin Janet Yellen in Washington.
    Quelle: AFP

    "Habeck? Kenn ich nicht, wer soll das sein?", meint der Secret-Service-Mann trocken. Am Einlass zwischen Weißem Haus und Finanzministerium gelten eigene Regeln. Ein Schreibfehler bei der Anmeldung, eine Stelle in der Behörde, die nicht informiert wurde.
    Jedenfalls muss der deutsche Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) mit seiner Delegation warten. Auch wenn der Termin mit der amerikanischen Finanzministerin Janet Yellen schon überfällig ist. Erst als alles mit allen Zuständigen geklärt ist, öffnen sich die Tore zum ersten Treffen mit einem US-Regierungsmitglied auf der Reise des Vizekanzlers in die Vereinigten Staaten.

    Förderpaket lockt deutsche Wirtschaft in die USA

    So viel zum angeblich unbürokratischen Amerika, wo alles schneller und flexibler sei als in Deutschland. So zumindest die regelmäßigen Klagen der Wirtschaft über den Standort Deutschland. Was zuletzt als plastisches Beispiel herangeführt wird: Der Inflation Reduction Act (IRA), ein riesiges Gesetzespaket, mit dem die US-Regierung über die kommenden Jahre Hunderte Milliarden Dollar in die Volkswirtschaft pumpt, allein 370 Milliarden für klimafreundliche Projekte.
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    In den Augen vieler Unternehmer ist diese Förderung so ein Standortvorteil für die USA, dass sie überlegen, ihre Fertigung dorthin zu verlegen. Der IRA gefährde die deutsche Industrie, besonders grüne Technologien drohten abzuwandern, wird immer wieder als Schreckensszenario beschworen. Vor allem weil die Förderung angeblich so einfach zu bekommen sei.

    Unternehmer: Bürokratie dort "nicht weniger kompliziert"

    Vor Ort in Washington kommen aus der deutschen Wirtschaftsdelegation aber deutlich zurückhaltendere Stimmen. Im kleinen Kreis sagt ein deutscher Mittelständler:

    Die Bedingungen des Inflation Reduction Acts sind knallhart.

    Deutscher Mittelständler in den USA

    "Man bekommt erst mal gar nichts, sondern kann im Gewinnfall vielleicht später Steuern sparen. Bis dahin geht man aber mit Millionen ins Risiko", klagt der Unternehmer. Und auf diese Steuerersparnis verlassen könne man sich auch nicht, denn "die Regeln sind vielleicht anders, aber nicht weniger kompliziert als bei uns."
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    Zu Gast: Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Grünen-Chefin Ricarda Lang sowie VDMA-Vize Bertram Kawlath und der Präsident des Münchner ifo Instituts, Clemens Fuest.22.02.2024 | 63:08 min

    Habeck mahnt außenpolitische Einheit mit USA an

    Der rote Teppich wird, mit oder ohne IRA-Förderung, in den USA also nicht ausgerollt. Dennoch ist die deutsche Wirtschaft durchaus zufrieden mit der Entwicklung des gemeinsamen Handelsvolumens. 2023 gab es ein Plus von über einem Prozent in beide Richtungen. Das ist viel in Zeiten stotternder Weltkonjunktur - so ging der Handel mit China im vergangenen Jahr um 15 Prozent zurück.

    Nie in den letzten Jahren waren die Beziehungen so gut wie jetzt.

    Wirtschaftsminister Robert Habeck, Grüne

    Politisch wie wirtschaftlich freut sich Habeck über das gute Verhältnis. An dieser Stelle kommt aus dem Wirtschaftsminister der Vizekanzler hervor. Es seien drei große Krisen, die den Westen im Moment herausforderten und für die es eine gemeinsame Antwort brauche: der Nahost-Konflikt, China und der russische Angriffskrieg in der Ukraine.
    "Es besteht die Gefahr, dass sich diese Krisen bündeln und zu einer einzigen großen Herausforderung werden", meint Habeck. Das könne den Westen überfordern. Umso wichtiger sei, dass Deutschland und die USA mit einer Stimme sprächen.
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    In einer kämpferischen Rede betonte US-Präsident Biden die Unterschiede zwischen ihm und seinem voraussichtlichen Herausforderer Trump. Auch sein Alter thematisierte er.08.03.2024 | 2:31 min

    Sorgen um Zukunft der Ukraine-Hilfen

    Bei keinem Thema wurde diese Sorge so deutlich wie bei den Ukraine-Hilfen. Finanzministerin Yellen lobte ausdrücklich die große Unterstützung Deutschlands auch bei den Sanktionen gegen Russland. "Die Hilfe darf nicht weniger werden", mahnte Yellen und bekam Zuspruch von Habeck.
    Doch all diese Harmonie und offizielle Einigkeit täuscht darüber hinweg, dass die Hilfe für die Ukraine alles andere als Konsens im Land ist. So blockieren die Republikaner immer noch 60 Milliarden Dollar Ukraine-Hilfen - und viele Amerikaner finden das richtig.

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    Ihr Idol Donald Trump würde nach eigenen Aussagen den Krieg innerhalb von Wochen beenden und Nato-Mitglieder, die seiner Meinung nach nicht genug zahlten, sich selbst überlassen. Mit solchen Botschaften eilt Trump bei den Vorwahlen der Republikaner von Sieg zu Sieg.
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    An eine zweite Amtszeit für Trump mag Robert Habeck nicht glauben: "Man soll auch nichts herbeireden; der Wahlkampf in Amerika hat noch nicht einmal richtig angefangen."
    Ist das wohlüberlegte Abgeklärtheit oder Wunschdenken? Es bleibt der Eindruck, dass die Bundesregierung sich nicht wirklich auf einen möglichen Trump-Sieg vorbereiten möchte, sondern stattdessen auf das Prinzip Hoffnung setzt. Dann könnte es mit dem harmonischen Gleichklang zwischen Berlin und Washington schnell vorbei sein. Bürokratie und der Wettlauf um Subventionen wären dann das geringste Problem.

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    :Trump vs. Biden - so steht es in den Umfragen

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