Diesel-Skandal: Ex-Audi-Chef Stadler erhält Bewährungsstrafe

    Urteil im VW-Abgasskandal:Ex-Audi-Chef Stadler erhält Bewährungsstrafe

    Peter Aumeier
    von Peter Aumeier
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    Seit gut acht Jahren beschäftigt der Diesel-Skandal die Öffentlichkeit. Über die strafrechtlichen Vergehen der Angeklagten wurde nun das Urteil gesprochen. Manchen ist es zu milde.

    Normalerweise ist Rupert Stadler einer der ersten im Gerichtsaal, geradezu überpünktlich. Heute, am 172. Verhandlungstag, nicht. Heute wird nach mehr als zweieinhalb Jahren das Urteil gesprochen.
    Als der Vorsitzende Richter Stefan Weickert sehr knapp und präzise das Strafmaß vorträgt, nimmt Ex-Audi-Chef Stadler, die Gallionsfigur des Prozesses, das Urteil ohne Regung auf. Es ist aber auch keine Überraschung für ihn.

    Bewährungsstrafen für die Angeklagten

    Mit seinem Geständnis vor wenigen Wochen hatte der heute 60-Jährige den Weg für eine gerichtliche Verständigung, einen sogenannten Deal, freigemacht: Ein Geständnis, dafür die Zusicherung des Gerichts, dass er nicht wieder in Haft muss.
    Das Ergebnis für Stadler: Ein Jahr und neun Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung und eine Geldauflage von 1,1 Millionen Euro, zu zahlen an gemeinnützige Organisationen.
    Zudem muss Stadler noch Prozesskosten in Höhe von rund einer Million Euro begleichen. Damit gilt der frühere Vorstandsvorsitzende der Audi AG und einer der ehemals mächtigsten Auto-Manager Deutschlands als vorbestraft.








    Urteile als Schlusspunkt von Mammutverfahren

    Seit dem 30. September 2020 wurde am Landgericht München, meist im Hochsicherheitssaal der JVA in München-Stadelheim, verhandelt. Allein die Anklageschrift umfasste über 90 Seiten, 190 Zeugen wurden angehört.
    Der verursachte Schaden der Dieselmanipulationen, so die Münchner Staatsanwaltschaft, betrug 2,2 Milliarden Euro. Manche nennen eine Summe von über drei Milliarden. Ein Mammutverfahren oder - wie ein Gerichtssprecher es heute nennt - ein "außergewöhnliches Verfahren". Nun der Schlusspunkt.

    Motoren hielten Werte nur im Labor ein

    Im September 2015 war der Skandal um millionenfach manipulierte Abgaswerte aufgeflogen. Ingenieure um den ehemaligen Audi-Motorenchef und Porsche-Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz hatten für die Manipulation von Motoren gesorgt, damit zwar die gesetzliche Abgaswerte auf dem Prüfstand eingehalten wurden, jedoch auf der Straße überschritten wurden.
    Im Juni 2018 war dann der Diesel-Skandal ganz oben in der Audi-AG angekommen. Wegen Verdunklungsgefahr war Rupert Stadler rund vier Monate in Haft genommen worden. Kernvorwurf gegen Stadler: den Verkauf von manipulierten Diesel-Fahrzeugen nicht gestoppt zu haben, nachdem er von der Manipulation erfahren hatte.
    Rupert Stadtler vor Gericht
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    Zivilrechtliche Ansprüche nicht mehr zu erwarten

    Anders als seinen Mitangeklagten wurde Stadler allerdings nie vorgeworfen, Motoren manipuliert zu haben oder den Auftrag dazu erteilt zu haben. Nun also Bewährungsstrafen für alle drei Angeklagten. Wolfgang Hatz soll 400.000 Euro und der Ingenieur Giovanni P. 50.000 Euro zahlen.
    Bereits vor Ostern hatte der mitangeklagte Ingenieur Henning L. ein Geständnis abgelegt und das Verfahren gegen ihn war gegen eine Geldauflage von 25.000 Euro eingestellt worden. Er hatte als Kronzeuge die Mitangeklagten schwer belastet.
    Mit weiteren zivilrechtlichen Ansprüchen haben die Angeklagten Stadler und Hatz wohl nicht mehr zu rechnen. Denn gezahlt haben beide Ex-Manager bereits: Volkswagen hatte sich Mitte 2021 mit Stadler auf eine Schadenersatz-Zahlung in Höhe von 4,1 Millionen verständigt. Bei Hatz waren es 1,5 Millionen Euro gewesen.
    Diesel-Emissionen
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    Werden in Wirtschaftsverfahren mildere Urteile gesprochen?

    Der frühere Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn musste 11,2 Millionen Euro zahlen. VW hatte seinen früheren Spitzenverdienern vorgeworfen, sie hätten Sorgfaltspflichten fahrlässig vernachlässigt. Die Abgasaffäre hat den VW-Konzern insgesamt mehr als 30 Milliarden Euro an Strafen und Schadenersatzzahlungen für getäuschte Kunden gekostet.
    Schon vor dem Urteil hatten Prozessbeobachter kritisch angemerkt, dass wohl keiner der Angeklagten eine Haftstrafe verbüßen müsse. Der Vorwurf der Kritiker: in Wirtschaftsstrafverfahren werde milder geurteilt als in anderen Verfahren. Diese Kritik trifft offenbar zu, sagen Fachjuristen.
    "Der Allgemeinplatz, dass bei Wirtschaftsstrafverfahren milder geurteilt wird, ist richtig", sagt Frank Saliger, Wirtschaftsjurist an der Uni München. Wirtschaftsstrafverfahren seien in der Regel komplizierter und länger. Damit sei auch die zeitliche, finanzielle und psychische Belastung für die Angeklagten höher. "Daher werden diese Verfahren meist milder geahndet," sagt Saliger.
    Peter Aumeier ist Redakteur im ZDF-Studio München.

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