VW will wohl Stilllegungsrisiko auf Diesel-Käufer verlagern

    Umwelthilfe sieht "Bauerntrick":Risiko beim Dieselkauf steigt

    von Hans Koberstein
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    Diesel-Gebrauchtwagen könnten irgendwann amtlich stillgelegt werden. Volkswagen geht in dieser Sache einen eigenen Weg und verlagert wohl das Risiko auf die Käufer von Gebrauchten.

    CSU-Politiker und ehemalige Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer sowie Titelgrafik Der Diesel-Krimi
    Der Abgasskandal nimmt kein Ende: Noch immer verweigert VW betroffenen Dieselfahrern Entschädigung, während das Bundesverkehrsministerium die Dieselaffäre zur Geheimsache erklärt.27.06.2023 | 16:31 min
    Volkswagen sieht offenbar das Risiko, dass seine Diesel-Gebrauchtwagen eines Tages stillgelegt werden müssen und verlangt von seinen Vertragshändlern, Autokäufer über dieses Risiko zu informieren. Ein entsprechendes Schreiben liegt dem ZDF vor.
    Wer bei einem VW-Händler einen gebrauchten Diesel kauft, soll demnach künftig unterschreiben, dass er die amtliche Stilllegung seines neuen Gebrauchten in Kauf nimmt. In einem Brief des Volkswagenkonzerns an seine Händler heißt es:

    Dies könnte bis zu einem gegen Fahrzeughalter gerichteten Entzug der Fahrzeugzulassung oder einer Nutzungsuntersagung reichen.

    Brief VW-Konzern an seine Händler

    Der ADAC warnt: "Kunden gehen ein derzeit schwer kalkulierbares Risiko ein, wenn sie das Dokument unterschreiben". Autoexperte Stefan Bratzel, Chef vom Center for Automotive Management, sieht das ähnlich: "Das Risiko beim Kauf von gebrauchten Dieseln steigt." Und VW-Händlern drohten hohe Abschreibungen, sagt Bratzel:

    Viele Fahrzeuge sind dann praktisch nicht mehr verkaufbar.

    Stefan Bratzel, Auto-Experte

    Der Volkswagen-Konzern rechnet nicht mit einem Einbruch bei den Verkaufszahlen. Man informiere lediglich "potenzielle Käufer von gebrauchten Dieselfahrzeugen vor dem Kauf proaktiv, transparent und schriftlich", so VW.
    Wenn sich ein Kunde "nach Kenntnisnahme der Kundeninformation gegen den Kauf eines Dieselfahrzeugs entscheidet", würde ihm ein attraktives Angebot unterbreitet, "zum Beispiel für unsere Elektrofahrzeuge oder Benzinmodelle", erklärte ein VW-Sprecher.

    Umwelthilfe sieht in VW-Vorgehen "Bauerntrick"

    "Damit will Volkswagen offenkundig weitere Schadenersatzforderungen verhindern", sagt Rechtsanwalt Remo Klinger. Er hatte für die Deutsche Umwelthilfe gegen die Zulassung von VW-Dieselautos geklagt, die den Abgasskandal 2015 ausgelöst hatten. Mit Erfolg: Das Verwaltungsgericht Schleswig hat das Software-Update für rechtswidrig erklärt, das die Autos eigentlich in Ordnung bringen sollte. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, droht Volkswagen eine neue Klagewelle. Davor will sich der Konzern nun offenbar schützen.
    "Das ist ein Bauerntrick", sagt Jürgen Resch, Geschäftsführer der Umwelthilfe, und warnt davor, einen solchen Kaufvertrag zu unterzeichnen. Betroffen sind laut Schreiben des Volkswagen-Konzerns gebrauchte Dieselautos der Marken VW und Audi, die vor September 2017 produziert wurden. Diese Autos enthalten Abschalteinrichtungen - sogenannte "Thermofenster" - die in jüngsten Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für unzulässig erklärt wurden.
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