Analyse
Wirtschaftliche Abhängigkeit:Umgang mit China: Weniger Risiko - nur wie?
von Thomas Reichart, Berlin Deutschland versucht weniger abhängig zu werden von China. Aber De-Risking, also weniger China-Risiko, ist leichter gesagt als getan. Was plant Deutschland?
Gute Beziehungen zu China garantierten der deutschen Wirtschaft lange günstige Güter und gutes Geld. Doch China hat in vielem überholt - aus der Beziehung wurde Abhängigkeit.25.10.2023 | 44:28 min
Wie abhängig man ist, merkt man meistens dann, wenn es am wenigsten passt. Diese Erfahrung musste Deutschland beim Gas aus Russland machen. Aber die große Sorge in Berlin ist, dass die erheblichen Anstrengungen, die nötig waren, um russisches Gas zu ersetzen, nur ein Windhauch sind zu dem, was uns in Sachen
China drohen würde.
Die
China-Strategie war in der
Ampel-Koalition dennoch lange umstritten, ehe sie in diesem Sommer endlich vorgestellt wurde. Das Einfachste war dabei offenbar noch die Analyse. Dass China unter
Xi Jinping anders ist - repressiver nach innen, aggressiver nach außen - darin waren sich Kanzleramt und Außenministerium schnell einig. Viel strittiger war und ist die Frage, was daraus folgt.
Wenn China anders ist, wie anders soll dann Deutschlands Politik gegenüber China sein? Wie viel Konflikt soll oder muss Berlin gegenüber Peking wagen? Darauf geben Bundeskanzler
Olaf Scholz (SPD) und Bundesaußenministerin
Annalena Baerbock (Grüne) sehr unterschiedliche Antworten. De-Risking mag das prominenteste Wort der China-Strategie sein. Aber es ist eben nur ein Wort, das darauf wartet, mit Bedeutung gefüllt zu werden.
Was bedeutet De-Risking?
Es könnte helfen, in diesem Fall von China zu lernen. Denn so sehr sich Xi Jinping und seine Kader gegen De-Risiking aus Deutschland wenden. China betreibt seit Jahren selbst genau das. De-Risking auf Chinesisch bedeutet, dass staatliche Unternehmen mithilfe üppiger Subventionen ausländische Konkurrenz aus dem Markt drängen. Dass China also versucht, selbst möglichst autonom zu werden und andere Staaten von sich abhängig zu machen.
Wenn Deutschland darauf nun reagiert und seine eigene Verwundbarkeit reduziert, dann wird das unweigerlich zu Konflikten mit China führen. China möchte nicht "de-risked" werden, weil das der eigenen Strategie zuwiderläuft, sagt die China-Expertin Janka Oertel.
Ampel und Union mit Abkehr von China-Politik unter Ex-Kanzlerin Merkel
Es bedeutet auch eine Abkehr vom Erbe
Angela Merkels. Ihre Politik sah China fast ausschließlich als einen sogenannten strategischen Partner, also als ein Land, mit dem man durch Handel gemeinsam reich werden kann. Das war schon damals eine von reichlich China-Naivität geprägte Sichtweise. Nun immerhin wird China nicht mehr allein als Partner gesehen, sondern auch als Rivale.
Erstaunlich ist tatsächlich, wie breit der Konsens dazu in der ansonsten oft so uneinigen Berliner Politik hier ist. Er reicht von der Ampel bis zur Union. Die damit übrigens das Erbe ihrer Kanzlerin mit großer Vehemenz abwickelt.
Fundamental anders sehen das eigentlich nur
AfD und
die Linke. Eine eigentümliche Koalition derer, die angetrieben von einer oft tief sitzenden antiwestlichen Haltung erstaunlich viel Verständnis für oder gar Nähe zu Diktatoren wie
Wladimir Putin oder Xi zeigen.
Großkonzerne investieren massiv in chinesischen Markt
Auch große Dax-Konzerne wie BASF, Volkswagen, Siemens & Co. würden in China am liebsten so weitermachen wie bisher. Ohne De-Risking. Jedenfalls mindestens solange man dort noch Profite machen kann. Wenn es doch schiefläuft, müsste sie dann - so offenbar das Kalkül - der Steuerzahler mit umfangreichen Rettungsprogrammen raushauen.
Deutschland ist mittlerweile beim Import von bestimmten Medikamenten von China abhängig. Besonders problematisch ist das bei Antibiotika.25.10.2023 | 1:57 min
Gewinne zu privatisieren, Verluste aber zu sozialisieren - das will Berlin in Sachen China so allerdings nicht mehr mitmachen. Die Kosten wären schlicht zu hoch.
Aber auch De-Risking wird Geld kosten. Die Logik der globalisierten Welt, dass Güter allein dort produziert werden, wo es am billigsten ist - diese Logik ist vorbei. Wer aber zum Beispiel die Herstellung lebenswichtiger Antibiotika nicht mehr allein China überlassen will, muss bereit sein, für jede einzelne Tablette auch mehr zu bezahlen. Jedenfalls ein bisschen mehr.
Das ist der Punkt, wo die China-Strategie mehr sein wird als nur ein Papier mit einer zutreffenden Analyse. Das ist der Punkt, wo es sich entscheidet. Und genau da stehen wir gerade.
Deutschlands Abhängigkeit von China ist noch viel gefährlicher als die von Russland. Drei Punkte, wie Berlin sich daraus befreien kann.
von Diana Zimmermann