Chinas Wirtschaft wächst:Comeback des wankenden Riesen?
von Frank Bethmann
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Chinas Wirtschaft wächst stärker als angenommen. Die Probleme im Immobiliensektor aber bleiben hartnäckig. Großbanken sind dennoch optimistisch.
Quelle: dpa
Ein Aufschwungsignal zu rechten Zeit, so scheint es. Etwas stutzig macht allerdings, dass China das höher als erwartete Wachstum von 4,9 Prozent im dritten Quartal genau zu dem Zeitpunkt verkündet, als Staatschef Xi Jinping seine Rede anlässlich des dritten Seidenstraßen-Forums beginnt. Zufall oder gut inszeniert? Dass die Statistikbehörde gar nachgeholfen haben könnte, "den größten Beitrag zum Wachstum" geleistet habe, wie am Mittwoch vereinzelnd in den sozialen Medien zu lesen, nachweisen lässt es sich nicht. Passen aber würde es.
Chinas wirtschaftliche Probleme sind groß
Chinas großes Prestigeprojekt "Neue Seidenstraße" hat merklich an Schwung verloren. Und das hat auch mit den wirtschaftlichen Problemen des Landes zu tun. Nicht nur die rigide Null-Covid-Strategie mit hartem Lockdown in der Metropole Schanghai hat dem Reich der Mitte stark zugesetzt. Schlimmer noch, die Krise der Immobilienbranche, die für rund ein Viertel der Wirtschaftsleistung steht. Der förmlich zusammengebrochene Bausektor wirkt für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung wie ein Klotz am Bein.
Und selbst im gesteuerten Staatskapitalismus muss Peking inzwischen aufpassen, nicht den Rückhalt in der Bevölkerung zu verlieren. Milliardeninvestitionen im Ausland für Großbauten wie Flughäfen oder Autobahnen, um die neue Seidenstraße voranzutreiben, lassen sich immer schwerer rechtfertigen, wenn es den eigenen Leuten schlechter geht.
Wohlstand der meisten Chinesen hängt von den Immobilienpreisen ab
Und genau das ist die Gefahr. Die Legitimität der Herrschaft der Kommunistischen Partei Chinas hängt in einem hohen Maß von der Wirtschaftsleistung ab, sprich wächst der Wohlstand für den Einzelnen? Dieser aber hängt wie in keinem anderen Land der Welt von den Immobilienpreisen ab. Für fast 90 Prozent der chinesischen Haushalte gibt es nur ein Thema: was wird aus meinem Wohlstand, wenn die Immobilienpreise beginnen drastisch einzubrechen? Die Gefahr ist akuter denn je.
Vor diesem Hintergrund sind die heutigen Zahlen ein erster Ausdruck von wiedergewonnener Stärke - nach außen, vor allem aber auch nach innen. Chinas Wirtschaft - so die Botschaft - scheint zurück zur Normalität zu finden, zu überdurchschnittlichen Wachstumsraten, wie in der Vergangenheit. Vor allem die chinesischen Verbraucher trauen sich wieder, geben mehr Geld aus. Die Einzelhandelsumsätze, die zuvor vor sich hin dümpelten, stiegen im September um 5,5 Prozent. Auch die Industrieproduktion zog an. Daran knüpfen sich Hoffnungen für eine nachhaltige Erholung der Wirtschaft.
Schieflage bei Immobilien - es droht ein Knall
Hier aber wird es kritisch, nicht nur weil auch Ökonomen in der Vergangenheit häufig genug Daten aus Peking angezweifelt haben. Selbst wenn die Zahlen "echt" sind, bleiben Chinas strukturelle Probleme gravierend. Das größte ganz sicher, die Eskalation an den Immobilienmärkten. 2021, als die Schieflage bekannt wurde, hieß es, im Land gäbe es 65 Millionen leerstehende Häuser und Wohnungen.
Bei einer gleichzeitig schrumpfenden Gesellschaft steht dem Reich der Mitte allein deshalb ein wirtschaftlicher Knall bevor. Hinzu kommt, ausländische Direktinvestitionen sinken deutlich. Internationale Geldgeber haben sich zuletzt von Peking abgewandt. Auch das ein schlechtes Zeichen.
Obwohl die Ein-Kind-Politik seit einigen Jahren aufgehoben wurde, wollen viele Chinesen nicht mehr als ein Kind bekommen. Ein großes Problem für die Wirtschaft Chinas.20.09.2023 | 6:19 min
Großbanken optimistisch: Über fünf Prozent Wachstum in 2023
Trotz der Risiken und Unsicherheiten haben am Mittwoch mehrere Großbanken aus den USA, darunter Goldman Sachs, JP Morgan und Citigroup ihre Prognosen für China deutlich angehoben. Sie trauen Pekings Wirtschaft ein Comeback zu.
Die weltweit einflussreichen Finanzhäuser gehen davon aus, dass Chinas Wirtschaft 2023 um mehr als fünf Prozent wächst. Damit könnte China auch in diesem Jahr wieder das höchste Wirtschaftswachstum aller Industrie- und Schwellenländer erreichen. Allein daran kann man den immer noch immensen Stellenwert der zweitgrößten Volkswirtschaft ablesen.
Frank Bethmann ist ZDF-Börsenexperte im Studio Frankfurt am Main.
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