Nach Auszeit wegen Erschöpfung: Dressel kämpft sich zurück

Caeleb Dressel ist es gewohnt, als Erster anzuschlagen. Auf dem Podium ganz oben zu stehen. Die Blicke auf sich zu ziehen. Doch von alldem gab es kürzlich bei den US-Schwimm-Meisterschaften in Indianapolis nichts für ihn. Der 26-Jährige startete über vier Strecken - und verpasste es auf allen, sich für die WM in Fukuoka zu qualifizieren.

Trotzdem waren die Titelkämpfe wichtig für ihn. Sie waren sein Comeback nach Monaten voller Ungewissheit, Zweifeln und Fragen. "Mir geht es gut", sagte Dressel, als er in Indianapolis erstmals seit der WM im Juni 2022 wieder der Presse gegenüberstand.

Damals hatte er in Budapest an den ersten beiden Tagen zweimal Gold gewonnen, sich anschließend für das Halbfinale über die 100 Meter Freistil qualifiziert - und war dann verschwunden. "Gesundheitsprobleme", lautete die offizielle Begründung. Irgendwann sickerte der wahre Grund durch: psychische Probleme.

Er habe sich immer dafür gerühmt, einfach durchzupowern, betonte Dressel, auch wenn er ausgelaugt gewesen sei. Und mit dieser Einstellung habe er ja auch viele Jahre Erfolg gehabt. Doch irgendwann habe sein Körper gestreikt. Egal, wie sehr Dressel auch versucht hatte, gegen Erschöpfung und Lustlosigkeit anzugehen, es habe nicht mehr funktioniert.

Acht Monate war Dressel weg. Keine Auftritte, keine einzige Trainingseinheit. Er machte das, was er sonst nie tat: einfach mal nichts. Und er gewann so Abstand von Druck, Erwartungshaltung - und dem eigenen Anspruch, perfekt sein zu müssen, um so die Öffentlichkeit nicht zu enttäuschen.

Seit dem Karriere-Ende von Michael Phelps 2016 hatte er diese Rolle ausgefüllt. Damals suchten sie in den USA einen neuen Schwimm-Star - und fanden ihn im 20 Jahre alten Caeleb Dressel, der sofort lieferte. Sieben WM-Titel 2017, sechs weitere 2019. In Tokio wurde er 2021 mit fünf Gold erfolgreichster Athlet der Sommerspiele. Dressel schwamm bei seinen Einzel-Triumphen (50 und 100 Meter Freistil, 100 Meter Schmetterling) einmal Weltrekord und zweimal Olympiarekord.

Die "Sports Illustrated" schrieb von "Dressel’s Bilderbuch-Spielen" - doch Dressel selbst war enttäuscht. "Ich hatte in Tokio keine meiner Zielzeiten erreicht." Sein damaliger Trainer, Gregg Troy, stand vor einer großen Herausforderung. Sein Job ist es, seine Schützlinge so zu motivieren, dass sie besser sind, als sie es sich selbst zutrauen.

Bei der WM 2022 zog Dressel die Reißleine. "Ich hatte keine andere Wahl", sagt er.

Wann er bereit gewesen sei, zurückzukommen? An den genauen Zeitpunkt kann sich Dressel nicht mehr erinnern. Nur an die Situation. Er war beim Rasenmähen daheim in Florida, als ihm der Gedanke kam, dass er wieder schwimmen könne. Nicht weil er es müsse, sondern weil er es wolle. Als Olympiasieger im C-Finale Im Februar nahm er das Training wieder auf, die US-Meisterschaften waren sein erster Wettkampf.

"Ein Schwimm-Champion kehrt zurück - langsam, aber entschlossen", titelte die "New York Times". Doch Dressel war erstmals nicht der Superstar, sondern einer von vielen. Über die 100 Meter Freistil war er nach den Vorläufen 29. Nur weil einige vor ihm auf einen Start verzichteten, konnte der amtierende Olympiasieger auf dieser Strecke überhaupt im C-Finale dabei sein.

Sein Ziel sind die Sommerspiele 2024 in Paris. Dressel weiß, was auf ihn zukommt. Und er hat sich durch psychologische Betreuung ein System aufgebaut, das ihm ermöglicht, Warnsignale seines Körpers rechtzeitig zu erkennen - und entsprechend zu reagieren.