Stürze im Radsport: "Fahrer selbst sind das Problem"
Sicherheitsdebatte im Radsport:"Fahrer selbst sind das Problem"
|
Nach den heftigen Stürzen bei der Baskenland-Rundfahrt läuft im Radsport die Suche nach den Ursachen. Sind die Profis durch ihre riskante Fahrweise womöglich selbst schuld?
Radprofis um Jonas Vingegaard auf der 4. Etappe der Baskenland-Rundfahrt. Später ereignete sich die dramatische Sturzserie.
Quelle: Imago
Die Sturzserie von Top-Fahrern und die traumatischen Bilder des schwer verletzten Tour-de-France-Siegers Jonas Vingegaard bei der Baskenland-Rundfahrt erschüttern den Radsport. Vor dem nächsten Klassiker, dem Kopfsteinrennen Paris-Roubaix am Sonntag, ist die Sicherheitsdebatte neu entflammt.
Eine schwere Sturzserie überschattet die Baskenland-Rundfahrt. Tour-Sieger Vingegaard und weitere Profis werden teils schwer verletzt. Erst zuletzt hatte es heftige Crashs gegeben.
Renndirektor will Grundsatzdebatte
"Stopp, stopp, stopp, lassen Sie uns das Massaker beenden", sagte Thierry Gouvenou, Renndirektor von Paris-Roubaix. Der frühere Profi forderte in der "L'Équipe" eine Grundsatzdebatte zur Sicherheit der Fahrer: "Fangen wir an, über die Geschwindigkeitsprobleme nachzudenken", sagte Gouvenou und sprach damit wohl die Hauptursache für die vielen Stürze an. Es sei an der Zeit, sich Grenzen zu setzen, so Gouvenou weiter.
"Die Fahrer waren einfach zu schnell. Die Straße war gut, es war trocken. Es war keine Kurve, die völlig überraschend kam", erklärte auch der deutsche Profi Simon Geschke, der nach dem Massencrash am Donnerstag vor Legutio an seinen gestürzten Kollegen vorbeifuhr. "Ich bin froh, dass keiner im Koma liegt."
Schon mehrere schwere Unfälle in dieser Saison
Weltmeister Mathieu van der Poel aus den Niederlanden wurde am Freitag von der "L'Équipe" ganz ähnlich zitiert:
In der noch jungen Saison kam es bereits zu mehreren heftigen Vorfällen. Dazu schockte ein Trainingsunfall des deutschen Hoffnungsträgers Lennard Kämna am Mittwoch auf Teneriffa das deutsche Bora-Team. Der 27 Jahre alte Bremer erlitt dabei zahlreiche Verletzungen, befinde sich aber in stabilem Zustand, hatte sein Rennstall mitgeteilt.
Geschke gibt Fahrern die Schuld
Vor einer Woche verletzte sich Superstar Wout van Aert bei Quer durch Flandern schwer. Durch die besseren Räder und damit höheren Durchschnittsgeschwindigkeiten werden Stürze begünstigt. Hinzu kommt der Ehrgeiz der Profis. "Es ist diese Wer-bremst-verliert-Mentalität", sagte Geschke.
"Es ist super tragisch, aber es ist aus meiner Sicht die Nervosität der Fahrer. Jeder wollte in die ersten Zehn in dieser Abfahrt rein. Und wenn dann keiner bremst, dann passiert so etwas. Aber es ist schwer, einen Schuldigen auszumachen." Fahrer bräuchten sich laut Geschke nicht "über Streckenführung und schlechten Straßenbelag beschweren".
Politt: Stresslevel immer höher
Auch der deutsche Profi Nils Politt hatte vor dem Vorfall im Baskenland vor der zunehmend aggressivere Fahrweise im Feld gewarnt. "Allgemein ist das Stresslevel deutlich höher. Die Rennen werden immer schneller und immer früher eröffnet", sagte der 30-Jährige der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Der Däne Jonas Vingegaard erlitt neben einen Schlüsselbeinbruch sowie mehreren Rippenbrüchen eine Lungenquetschung und einen Pneumothorax. Davon ist die Rede, wenn Luft in den Raum zwischen der Lunge und der Brustwand eindringt. "Er ist stabil und hatte eine gute Nacht. Er bleibt im Krankenhaus", teilte sein Visma-Team am Freitag mit.
Auch Zeitfahr-Weltmeister Remco Evenepoel musste im Krankenhaus behandelt werden. Der Belgier brach sich das Schlüsselbein und zog sich eine Fraktur des Schulterblatts zu.
Giro-Sieger Primoz Roglic, der im Gelben Trikot in Richtung Gesamtsieg unterwegs war, verließ zumindest im Team- statt im Krankenwagen die Unfallstelle. Er überstand den Tag ohne Knochenbrüche.
Der Australier Jay Vine aus dem UAE-Team um Topstar Pogacar hatte größeres Pech. Der 28-Jährige zog sich einen Halswirbelbruch zu, zwei Brüche der Brustwirbelsäule wurden diagnostiziert.