Stefan Kretzschmar: "Der Bundestrainer muss zaubern"

    Kretzschmar im sportstudio:"Der Bundestrainer muss zaubern"

    von Erik Eggers
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    Handball-Ikone Stefan Kretzschmar betrachtet Deutschland bei der EM im Januar nicht als Mitfavoriten. Ist wegen des Heimvorteils dennoch optimistisch.

    Im Jahr 2004 gewann er olympisches Silber, mit dem SC Magdeburg zuvor die Deutsche Meisterschaft und die Champions League. Und noch heute ist Stefan Kretzschmar, der heute als Sportchef der Füchse Berlin arbeitet, neben Heiner Brand das bekannteste Gesicht seiner Sportart. Für die EM im eigenen Land, die am 10. Januar in Düsseldorf startet, ist er Botschafter für den Standort Berlin.

    Handballfest für alle Nationen

    "Wir können uns auf ein großes Handballfest freuen, sehr weltoffen, sehr gastfreundlich", sagte Kretzschmar bei seinem Besuch im ZDF-Sportstudio mit Blick auf das Großereignis. Aber er wisse, dass sich auch die anderen Nationen sehr freuten, da auch die Spiele ohne deutsche Beteiligung gut besucht sein würden.
    Im Gegensatz zu DHB-Sportvorstand Axel Kromer, der das Halbfinale als Minimalvorgabe ausgegeben hat, sieht Kretzschmar das Team, das am heutigen Sonntag in München ein zweites Testspiel gegen Ägypten bestreitet, nicht als Mitfavorit. "Wir sind nicht in der Position das Halbfinale auszurufen als Ziel, das wäre vermessen", sagte Kretzschmar.

    Wir haben gehörigen Rückstand zur Weltspitze.

    Stefan Kretzschmar, Sportchef der Füchse Berlin

    Topfavorit Dänemark

    Die stelle Weltmeister Dänemark derzeit dar. "Die würden wahrscheinlich auch mit ihrer zweiten Mannschaft um den Titel mitspielen", sagte der 218-fache Internationale, so stark sei der Pool der Skandinavier. "Die Franzosen sind stark. Das sind die beiden Nationen, die uns individuell um ein Vielfaches voraus sind." Neben der Schweiz und Nordmazedonien trifft das Team von Alfred Gislason in der Vorrunde auch auf Frankreich.
    Der erste Test gegen Ägypten (31:31) habe Hoffnung geweckt. "Wenn wir es schaffen, tatsächlich eine Mannschaft zu formen mit einem tollen Teamgeist, mit einer tollen Teamchemie, und dann von der Euphoriewelle im eigenen Land getragen werden, dann kann man optimistisch sein, dann kann die Mannschaft tollen Handball spielen." Doch es liege wegen der vielen Verletzten noch Arbeit vor dem Bundestrainer. "Da muss er schon ein bisschen zaubern."

    Teamchemie als Schlüssel

    Während sein Chef, Füchse-Geschäftsführer Bob Hanning, im Sommer vehement einen Umbruch forderte und dem Bundestrainer den Einsatz möglichst vieler Juniorenweltmeister empfahl, kann Kretzschmar die vorsichtigere Personalpolitik seines ehemaligen Coaches Gislason nachvollziehen. Der Sprung von den Junioren in die A-Mannschaft sei physisch sehr groß. "Das spielt bei uns eine größere Rolle als im Fußball. Bei uns brauchst Du einen gewissen Körper, um in der Nationalmannschaft mitspielen zu können."
    Es gebe indes vielversprechende Talente. Nils Lichtlein mache seine Sache bei den Füchsen sehr gut. Auch Hannovers Kreisläufer Justus Fischer sei auch körperlich sehr weit. Und Torhüter David Späth, der am Freitag sein Debüt feierte, sei ein "unheimlich emotionaler Spieler", der sein Team mitreißen könne. "Ich gehe davon aus, dass Alfred tatsächlich mit einem Duo mit dem Typ eines älteren und eines jüngeren Torwarts zur EM geht und da wird David meiner Meinung nach schon dabei sein."

    Vorbild Basketball

    Es gehe aber eigentlich nicht um Alt oder Jung und auch nicht immer um die individuell stärksten Spieler. Gislason müsse, das sei im Mannschaftssport noch viel wichtiger, "eine Mannschaft zusammenstellen, die Du hinter einer Idee vereinst und die die charakterlich zusammenpasst." Wie wichtig dieses Element sei, hätten die deutschen Basketballer bei ihrem WM-Titel demonstriert.
    Eine Schlüsselrolle dabei spielt aus Kretzschmars Sicht unzweifelhaft Juri Knorr, der erst 23-jährige Spielmacher von den Rhein-Neckar-Löwen, dieser habe sich bei der letzten WM "zum uneingeschränkten Anführer der Nationalmannschaft entwickelt". Knorr bringe alles mit, ein unheimlich starkes Spielverständnis, einen guten Wurf und eine tolle Athletik. "Er ist kein Schreihals, er will einfach nur Handball spielen", sagt Kretzschmar. "Er ist eines der größten Talente, das wir im deutschen Handball haben."
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