European Para-Championships:Bogenschützin Kliem überrascht in Rotterdam
von Susanne Rohlfing
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Flora Kliem hatte gerade erst wieder das Laufen gelernt – und nun sicherte sich die 25-Jährige gleich bei ihrem ersten Auftritt im Nationaltrikot einen Paralympics-Startplatz.
Nach einer Beinamputation lernte Flora Kliem schnell wieder zu laufen.
Quelle: imago
Flora Kliem ist überzeugt, dass jeder Mensch eine Superkraft hat. Etwas, das er außergewöhnlich gut kann. Ihre eigene Superkraft lag lange im Verborgenen. Es ist eine, die die allermeisten Menschen nie brauchen und auch nicht brauchen wollen: Gehen mit Beinprothese.
Kliem musste sich schnell umstellen
Das zu lernen, ist für viele Betroffene nach einer Amputation ein langwieriger Prozess. "Aber ich konnte es sofort", sagt Kliem. Nur deshalb konnte die 25 Jahre alte Para-Bogenschützin aus Göttingen bei der gerade in Rotterdam zu Ende gegangenen Premiere der European Para-Championships antreten. Nur deshalb war ihre Bein- und Rumpfmuskulatur fit genug, um statt im Rollstuhl auch mit dem auf internationaler Bühne geforderten Sitzstuhl ohne Rückenlehne klarzukommen. Und nur deshalb konnte Flora Kliem zur großen deutschen Überraschung bei den ersten Mini-Paralympics werden.
Deutsche Medaillengewinner
• Silber für Lennart Sass im Einzel (J1 bis 73kg)
• Bronze für Ramona Brussig im Einzel (J2 bis 57kg)
• Bronze für Tabea Müller im Einzel (J1 bis 48kg)
• Bronze für Ramona Brussig im Einzel (J2 bis 57kg)
• Bronze für Tabea Müller im Einzel (J1 bis 48kg)
- Bronze für Katharina Krüger und Britta Wend im Doppel
- Bronze für Max und Marcus Laudan im Doppel
• Gold im Zeitfahren für Matthias Schindler (C3)
• Gold im Zeitfahren für Annika Zeyen (H3)
• Gold im Zeitfahren für Andrea Eskau (H5)
• Silber im Zeitfahren für Maike Hausberger (C2)
• Silber im Zeitfahren für Kerstin Brachtendorf (C5)
• Silber im Zeitfahren für Angelika Dreock-Käser (T2)
• Silber im Straßenrennen für Michael Teuber (C1)
• Silber im Straßenrennen für Angelika Dreock-Käser (T2)
• Silber im Straßenrennen für Annika Zeyen (H3)
• Silber im Straßenrennen für Andrea Eskau (H5)
• Silber im Straßenrennen für Vico Merklein (H3)
• Bronze im Team Relay für Annika Zeyen, Andrea Eskau und Vico Merklein
• Bronze im Straßenrennen für Kerstin Brachtendorf (C5)
• Gold im Zeitfahren für Annika Zeyen (H3)
• Gold im Zeitfahren für Andrea Eskau (H5)
• Silber im Zeitfahren für Maike Hausberger (C2)
• Silber im Zeitfahren für Kerstin Brachtendorf (C5)
• Silber im Zeitfahren für Angelika Dreock-Käser (T2)
• Silber im Straßenrennen für Michael Teuber (C1)
• Silber im Straßenrennen für Angelika Dreock-Käser (T2)
• Silber im Straßenrennen für Annika Zeyen (H3)
• Silber im Straßenrennen für Andrea Eskau (H5)
• Silber im Straßenrennen für Vico Merklein (H3)
• Bronze im Team Relay für Annika Zeyen, Andrea Eskau und Vico Merklein
• Bronze im Straßenrennen für Kerstin Brachtendorf (C5)
• Gold im Doppel für Rick Hellmann und Thomas Wandschneider (WH1/2)
• Gold im Einzel für Thomas Wandschneider (WH1)
• Gold im Einzel für Rick Hellmann (WH2)
• Bronze für Annika Schröder im Einzel (WH2)
• Bronze für Marcel Adam im Einzel (SL4)
• Gold im Einzel für Thomas Wandschneider (WH1)
• Gold im Einzel für Rick Hellmann (WH2)
• Bronze für Annika Schröder im Einzel (WH2)
• Bronze für Marcel Adam im Einzel (SL4)
Sie steuerte zwar keine Plakette zur beachtlichen Ausbeute von 23 Medaillen (sechsmal Gold, neunmal Silber, achtmal Bronze) bei. Aber sie sicherte dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) einen Startplatz bei den Paralympischen Spielen im kommenden Jahr in Paris, was ihr ein Sonderlob im Fazit von Karl Quade einbrachte, dem Vizepräsident Leistungssport im DBS.
Rollstuhlbasketballer verspielen erste Paralympics-Chance
Den deutschen Rollstuhlbasketballern, Männern wie Frauen, war das Vorhaben Paris-Qualifikation nicht geglückt. Sie hätten dafür ins Finale kommen müssen – verloren aber sogar jeweils ihr Spiel um Platz drei und müssen nun alle Kräfte bündeln für eine weitere Chance bei einem Qualifikationsturnier im kommenden Jahr.
Flora Kliem hatte vor zehn Jahren einen schlimmen Unfall, bei dem sie ein Polytrauma erlitt. Vor allem am linken Bein und am Rücken zog sie sich schwere Verletzungen zu. Zunächst war sie noch voller Hoffnung. "Ich dachte, wenn ich genug übe, wird alles wieder wie früher", erzählt sie. Wurde es aber nicht. Im Gegenteil. Irgendwann konnte sie mit dem linken Fuß gar nicht mehr auftreten und war schließlich komplett auf den Rollstuhl angewiesen.
Amputation war unumgänglich
In diesem Jahr wurde dann eine Amputation ihres linken Unterschenkels, die sie als 15-Jährige noch kategorisch abgelehnt hatte und die seither kein Thema mehr gewesen ist, zu einer annehmbaren Option.
Ihr Arzt verlangte aber, dass sie zunächst an ihrer Fitness arbeitete. Das rechte Bein und die Beckenmuskulatur mussten gestärkt werden, Kliem hatte das Training ihrer unteren Körperhälfte im Rollstuhl mangels Perspektive vernachlässigt. Jetzt arbeitete sie wieder an sich. Und im Mai war es soweit, die mehrfache deutsche Meisterin im Para-Bogenschießen ließ sich den linken Unterschenkel vom Knie an abwärts abnehmen.
Gehen mit Prothese im Eiltempo lernen
Sie war bereit, ihren Traum von einer Paralympics-Teilnahme im kommenden Jahr dem Traum vom Wieder-gehen-Können zu opfern. Schließlich schien es utopisch, nach der Operation rechtzeitig wieder fit zu werden, um noch einen Paris-Startplatz zu erobern.
Aber da kannte die angehende Grundschullehrerin ihre Superkraft noch nicht. Sie lernte das Gehen mit Prothese im Eiltempo. Und gewöhnte sich genauso schnell daran, ihren Recurve-Bogen nur gestützt von einem speziellen Stehstuhl zu bedienen. Vier Wochen trainierte sie die neuen Abläufe. Und es klappte so gut, dass ein Start bei der EM in Rotterdam doch noch möglich wurde.
Kliem holt Startplatz bei Paralympics
Im Wettbewerb um die EM-Medaillen schied Kliem dann noch enttäuscht im Achtelfinale aus. Doch am Tag darauf, als es um zwei Startplätze für die Paralympics ging, holte sie sich völlig überraschend den Sieg. Zunächst hat sie damit einen Slot für eine deutsche Bogenschützin gewonnen. Persönlich muss sie sich noch qualifizieren. Aber sie ist zuversichtlich. Viel Training und viele Teilnahmen an internationalen Wettkämpfen seien nun nötig, sagt Kliem:
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