Schwimm-WM mit Christian Keller: Medaillenjagd im Becken
Interview
Schwimm-WM mit Christian Keller:Sprung ins Becken: Nächstes Wellbrock-Gold?
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Bei der Schwimm-WM starten am Sonntag die Beckenwettbewerbe. Holt Florian Wellbrock nach den Freiwasser-Siegen das nächste Gold? ZDF-Experte Christian Keller ist zuversichtlich.
Seit 18 Jahren ZDF-Schwimm-Experte: der ehemalige Topschwimmer Christian Keller.
Quelle: Imago
Christian Keller ist bei den ZDF-Livestreams von der Schwimm-WM in Fukuoka/Japan neben Livereporter Volker Grube wieder als Experte und Co-Kommentator im Einsatz. Nach dem deutschen Medaillenglanz im Freiwasser stehen nun die Beckenwettbewerbe im Blickpunkt.
ZDFheute: Wo siehst du die Gründe für den deutschen WM-Triumph im Freiwasser zum Auftakt der Schwimm-WM?
Christian Keller: Die Gründe liegen in der ausgeklügelten Systematik von Trainings- und Wettkampfplanung. Das Freiwasserschwimmen war ja schon vor Florian Wellbrock und Leonie Beck eine der Paradedisziplinen im deutschen Schwimmsport. Thomas Lurz war ja quasi Dauerweltmeister (Anm.: zwölf Titel 2004 – 2011). Und wie man sieht: Erfolge ziehen Erfolge nach sich.
ZDFheute: Immer wieder werden die Bedeutung der Trainingsgruppen in Magdeburg um Florian Wellbrock und in Italien um Leonie Becks betont. Was ist das Erfolgsrezept?
Keller: Die Sportlerinnen und Sportler werden in Trainingsgruppen auf diesem internationalen Niveau Tag für Tag zu Höchstleistungen animiert. Wenn ich allein trainieren muss, komme ich nie an meine Grenzen. Wenn ich in der Gruppe trainiere und Reibungspunkte habe, kann man sich gegenseitig pushen. Dadurch erreiche ich jeden Tag ein anderes Trainingsniveau.
ZDFheute: Was erwartest du aus deutscher Sicht bei den Beckenwettbewerben ab Sonntag?
Keller: Ich rechne mit Bestzeiten, deutschen Rekorden und Finalteilnahmen. Die DM bei den Finals 2023 haben gezeigt, dass zum Beispiel Isabell Gose aus dem Training heraus Bestzeit geschwommen ist über 1.500 Meter Freistil. Ihr Freund Lukas Märtens könnte über 400-Meter-Freistil was reißen. Auch Angelina Köhler, Anna Elendt und Ole Braunschweig sind aktuell auf einem hohen Niveau. Und:
Quelle: dpa
Mit acht Athletinnen und elf Athleten geht der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) im Beckenschwimmen bei der WM in Fukuoka (bis 30. Juli) an den Start: Anna Elendt (Frankfurt/Main), Isabel Gose (Magdeburg), Angelina Köhler, Lisa-Marie Finger, Leonie Kullmann, Nele Schulze (alle Berlin), Nina Holt (Mönchengladbach), Laura Riedemann (Halle/Saale)
Luca Nik Armbruster, Ole Braunschweig (beide Berlin), Eric Friese (Potsdam), Oliver Klemet, Lucas Matzerath (beide Frankfurt/Main), Lukas Märtens, Florian Wellbrock/Foto (beide Magdeburg), Rafael Miroslaw (Hamburg), Josha Salchow (Heidelberg), Timo Sorgius (Leipzig), Peter Varjasi (Erlangen)
ZDFheute: Auf welche Highlights bei der Schwimm-WM in Japan freust du dich am meisten?
Keller: Auf die Königsdisziplinen, das sind die 100- und 200 Meter Freistil der Männer, die 100 Meter Freistil der Frauen und die 50-Meter-Strecken, denn da gibt‘s immer wieder Überraschungserfolge. Nicht zu vergessen, meine alte Paradedisziplin 200-Meter-Lagen - für mich einer der spannendsten Wettbewerbe im Schwimmsport.
ZDFheute: Welche internationalen Stars hast du bei der WM auf dem Zettel?
Keller: Ich freue mich besonders auf die Topschwimmerinnen und -schwimmer aus Italien, Australien und den USA. Wird zum Beispiel US-Star Katie Ledecky (Anm.: sieben Olympiasiege, 18 Weltmeistertiteln im Freistil) ihre Erfolgsserie fortsetzen? Auch Jungstar David Popovici aus Rumänien hat mich zuletzt beeindruckt. Er wurde mit 17 bereits Europameister in Weltrekordzeit über 100 Meter Freistil. Für ihn geht‘s jetzt drum, auf der Weltbühne im direkten Duell gegen die Stars aus Australien und den USA zu bestehen.
Quelle: dpa
... geb. 3. August 1972 in Essen Beruf: Bankkaufmann
Größte Erfolge als Schwimmer: Olympia-Bronze 1996, WM-Bronze 2003, Europameister 1995 und 1999, Olympiateilnehmer 1992,1996, 2000 und 2004, 35-facher Deutscher Meister (1991 - 2004) Paradedisziplin: 200 Meter Lagen
ZDF-Experte seit der WM 2005 in Montreal bei Olympischen Spielen, Welt-, Europa- und Deutschen Meisterschaften (zuletzt bei den Finals 2023)
ZDFheute: Apropos Zettel - wie bereitest du dich auf deinen Einsatz als ZDF-Experte vor – oder hast du als ehemaliger Spitzenschwimmer eh alles im Kopf?
Keller: Mit Fleiß und Akribie. Ich bin als ZDF-Schwimm-Experte quasi volljährig geworden. Mittlerweile darf ich im 18. Jahr von meiner Schwimmleidenschaft berichten. Über den langen Zeitraum hat man natürlich einiges im Kopf. Aber zusammen mit Reporter Volker Grube bereite ich mich akribisch vor. So blicken wir zum Beispiel auf aktuelle Wettbewerbe wie die Junioren-EM und U23-WM, und schauen, wie die Qualifikationswettkämpfe gelaufen sind.
ZDFheute: Demnächst will der Schwimm-Weltverband "World Aquatics" entscheiden, ob trotz des Krieges in der Ukraine russische und belarussische Athleten bei Olympia in Paris 2024 starten dürfen, wie das IOC empfohlen hat. Wie ist deine Meinung dazu?
Keller: Solange dieser unbarmherzige schlimme Krieg Russlands gegen die Ukraine anhält, muss die internationale Gemeinschaft auch im Sport zusammenhalten.
Zumal nach meiner Kenntnis einer der erfolgreichsten russischen Schwimmklubs ZSKA Moskau nach wie vor ein Militär-Klub ist.
Das Interview führte Sportredakteur Gerhard Crispin.
In diesem Sommer misst sich in Japan die Schwimm-Elite. Bei der WM fallen vom 14. bis 30. Juli in Fukuoka in sechs Disziplinen rund 75 Entscheidungen. Die wichtigsten Infos.