Antisemitismus im Sport: Bedrohung für jüdische Vereine
Antisemitismus im Sport:Wie jüdische Vereine mit der Bedrohung leben
von Stefan Schlösser
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Makkabi Frankfurt ist der größte jüdische Sportverein in Deutschland. Immer wieder sind die Sportler und Sportlerinnen Anfeindungen ausgesetzt. Die Vorfälle nehmen deutlich zu.
Von Januar bis Oktober 2024 hat sich laut Polizei die Anzahl antisemitischer Straftaten gegenüber dem Vorjahreszeitraum verdoppelt. Auch Makkabi Frankfurt ist betroffen.18.12.2024 | 1:01 min
Liav ist 12 Jahre alt und spielt schon seit sieben Jahren Fußball bei Makkabi Frankfurt, dem größten jüdischen Sportverein in Deutschland. Auf der Vereinskleidung prangt der Davidstern, den trägt Liav mit Stolz. Doch das macht ihn und alle anderen Sportler von Makkabi immer wieder zum Ziel von Anfeindungen und Angriffen.
Vor wenigen Wochen hat Liav es selbst erleben müssen. Als er einmal als Erster beim Training ist, wird er von einem älteren Jugendlichen angepöbelt und bedrängt. "Er hat gesagt, warum spielst du für Juden? Die Juden, die nehmen uns alles weg. Er hat mich auch geschubst und so. Ich hatte schon ein bisschen Angst, was noch passieren könnte."
Antisemitische Straftaten haben in Deutschland seit dem Terrorangriff der Hamas deutlich zugenommen. Das liege auch an einer "unkontrollierten Zuwanderung", sagt Alon Meyer, Chef von Makkabi.18.12.2024 | 3:51 min
Antisemitische Straftaten sprunghaft angestiegen
Als der Platzwart zufällig erscheint, sucht der Angreifer das Weite. Der Vorfall wurde der Polizei gemeldet, die Ermittlungen mittlerweile aber eingestellt. Nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel und dem folgenden Krieg sind die von der Polizei erfassten antisemitischen Straftaten sprunghaft angestiegen. Im Zeitraum von Januar bis Oktober 2024 wurden über 3.200 Taten registriert. Im Vorjahreszeitraum waren es rund 1.600. Also eine Verdoppelung.
John Schaffner ist Jugendleiter Fußball bei Makkabi und Trainer von Liav. Auch er kann von Vorfällen berichten. "Scheiß Jude" hat er schon öfters gehört. Bei einem Spiel der Herrenmannschaft kochte die Stimmung dann richtig hoch, berichtet er. "In der Kabine mussten wir uns dann einsperren, weil eben die gegnerische Mannschaft uns und den ganzen Verein antisemitisch beleidigt hat."
Rückzug für Juden keine Option
John ist kein Jude, wie die große Mehrheit der Mitglieder. Makkabi ist ein Multi-Kulti-Verein, offen für alle Nationalitäten und Religionen. Doch sie alle werden als jüdisch markiert und mitverantwortlich gemacht für das Handeln des israelischen Staates. Eine Eskalation im Nahost-Konflikt wirkt wie ein Katalysator für jede Form von Antisemitismus. "Wenn mich jemand beschimpft, würde ich niemals antworten, ja, aber ich bin doch kein Jude", sagt John, "denn darum geht es nicht, damit ist das Problem nicht geklärt."
Hass gegen Juden wird in Deutschland wieder offen gezeigt: bei Demos, vor Synagogen und im Netz. Die Zahl antisemitischer Straftaten erreicht aktuell einen neuen Höchststand.19.09.2022 | 28:46 min
Liavs Familie ist Mitglied der jüdischen Gemeinde. Sein Vater Tomer Nahary ist vor vielen Jahren aus Israel nach Deutschland gekommen. Juden in Deutschland müssen seit jeher mit Anfeindungen leben. Synagogen, Schulen - jüdische Einrichtungen in Deutschland werden besonders geschützt. Das wissen sie, damit leben sie. Doch seit dem 7. Oktober ist es nochmal anders, sagt Tomer Nahary. Dennoch kommt es für sie nicht infrage, sich zurückzuziehen.
"Das ist uns keinesfalls irgendwie in den Sinn gekommen. Ja, man guckt sich mehr um, man guckt mehr nach links und rechts. Aber das tun wir nicht nur beim Training, beim Spiel oder wenn wir die Makkabi-Kleidung anhaben, sondern das machen wir auch im Einkaufszentrum, im Supermarkt, wenn wir in der Stadt sind. Das gehört leider dazu", stellt er sachlich fest.
Makkabi-Spiele teils unter Polizeischutz
Manche Spiele von Makkabi-Vereinen fanden in der Vergangenheit unter Polizeischutz statt. Direkt nach dem 7. Oktober mussten einige Ortsvereine ihren Spiel- und Trainingsbetrieb kurzzeitig einstellen, weil sie die Sicherheit der Mitglieder nicht garantieren konnten. Den Anfeindungen immer wieder zu widerstehen ist anstrengend, aber unerlässlich. Das hat Liav schon längst begriffen.
"Ich finde, ich sollte mich eigentlich auch nicht so unterkriegen lassen, wenn mich Leute halt ärgern. Wenn ich mich unterkriegen lasse, dann zeige ich denen, dass sie gewonnen haben, dass sie mich eingeschüchtert haben." Reife Worte eines 12-Jährigen.
Quelle: Reuters
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