Shoppen wie ein Milliardär: Temu - Clou oder Schmu?

    Shoppen wie ein Milliardär:Temu: Clou oder Schmu?

    Klaus Weber
    von Klaus Weber
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    Es gibt eine neue Billig-App aus China, bei der man sich beim Shoppen angeblich fühlt wie ein Milliardär. Sie ist sehr erfolgreich. Kritik gibt es jede Menge.

    Das Logo der chinesischen Shopping-App "Temu"
    Die chinesische Shopping-App Temu wirbt mit günstigen Preisen. Was sagen Verbraucherschützer zu der Plattform?
    Quelle: Reuters

    Man soll sich also fühlen wie ein Milliardär, wenn man auf der Online-Plattform Temu einen Eierschneider mit fünf Sterne Bewertung für 1,78 Euro ersteht oder einen professionellen Edelstahl-Nagelknipser für 98 Cent.
    Gut, jetzt wissen natürlich die Wenigsten wie sich ein Milliardär beim Shoppen so fühlt, aber klar ist, welche Absicht hinter dem Versprechen steht. Man bekommt angeblich für ganz wenig Geld ganz viel Qualität.
    Das Schlaraffenland für jeden mit überschaubarem Budget. Diese Verheißung schreit allerdings förmlich nach einem Haken.

    Temu macht keine Qualitätskontrolle

    Vorsicht ist geboten und ein Blick in die Nutzungsbedingungen macht schon hellhörig. Dort wird unter anderem keine Verantwortung für Qualität oder die Wahrhaftigkeit der Produktinformationen der einzelnen Verkäufer übernommen.
    Denn Temu unterhält selbst keinerlei Warenzentren, ist vielmehr eine reine Onlineplattform. Eigenmarken gibt es nicht. Produzenten schließen Verträge mit Temu ab und verkaufen anschließend  über die Plattform. Amazon macht es mit seinem Marktplatz seit geraumer Zeit ganz ähnlich.
    Beim Live-Shopping präsentieren Unternehmen ihre Produkte per Stream, der Kunde schaut live zu:

    Rusche: Kosten durch fehlende Qualitätskontrolle gedrückt

    Christian Rusche, vom Institut der Deutschen Wirtschaft, drückt es deshalb so aus: "Die App/Anwendung profitiert davon, dass sie direkt Käufer und Verkäufer vermittelt und jegliche Zwischeninstanz (wie den klassischen Einzelhandel oder Amazon den Händler) umgeht. Zudem werden die Kosten dadurch gedrückt, dass eine Qualitätskontrolle nicht stattfindet."

    Die Kunden selber müssen somit aufpassen, was sie bestellen, bei wem sie bestellen und über Rezensionen die Qualität untereinander mitteilen.

    Christian Rusche, Institut der Deutschen Wirtschaft

    Verbraucherzentralen sehen App kritisch

    Klassischer Zwischenhandel also. Auch deshalb sind die Verbraucherzentralen äußerst skeptisch. Gerade aufgrund der Billig-Strategie bestehe "die Möglichkeit, dass No-Name-Produkte angeboten werden, deren Qualität und Sicherheit fragwürdig sein könnten", heißt es beispielsweise auf der Homepage der Verbraucherzentrale Hessen.
    Außerdem warnt sie vor längeren Lieferzeiten, da die Waren aus Fernost kommen, und versteckten Zollgebühren.
    Wenn online bestellte Produkte aus dem Ausland nicht zuhause, sondern zunächst beim Zoll landen, kann das teuer werden:
    Aber gerade in Zeiten hoher Inflation, sind viele Willens dem Ruf solcher Billig-Apps zu folgen, die derzeit reihenweise aus dem Boden schießen. Neben Temu sind es beispielsweise noch Shein oder AliExpress.
    Die Unternehmen ihrerseits nehmen derzeit Milliardensummen in die Hand, um sich regelrecht in die westlichen Märkte zu katapultieren. Werbung beim Superbowl, teure Influencer, penetrante Werbung in sozialen Medien. Aktuell ist es für viele schwer an Temu und Konsorten "vorbeizushoppen".

    Problematische Produktionsbedingungen

    Der Erfolg gibt ihnen Recht. Temu etwa hat seinen Umsatz im ersten Quartal des Jahres verdoppelt. Shein hat ihn laut Schätzungen im Jahr 2022 von 16 auf 23 Milliarden gesteigert. Weniger Geld im Portemonnaie, heißt offenbar auch: weniger moralische Bedenken. Denn, dass solche Billigware irgendwer produzieren muss, ist klar.
    Das Geschäft mit Produkt-Fälschungen boomt. Die Gefahren für Verbraucher sind groß:
    Bei Temu arbeitet ein Mitarbeiter laut Insidern 13 Stunden pro Tag. Bei Shein beträgt die Wochenarbeitszeit gemäß der Plattform duibiao.info im Durchschnitt 57,6 Stunden pro Woche. Für Christian Rusche zwar kein neues Phänomen, dennoch gibt er zu bedenken:

    Es dürfte klar sein, dass die europäischen Standards nicht garantiert werden. Zudem sind die Löhne in China und generell in Südostasien niedriger. Des Weiteren sollte bei den aufgerufenen Preisen klar sein, dass Löhne generell in EU-Europa damit nicht abgebildet werden können.

    Christian Rusche, Institut der Deutschen Wirtschaft

    Konkurrenz für Amazon?

    Mit Argusaugen werden auch Konkurrenten wie Amazon auf die neuen Anbieter schauen. Christian Rusche sieht allerdings noch keine Gefahr für den Marktführer:
    "Temu muss in den Markt über sehr günstige Preise kommen. Amazon kommt über Kundenzufriedenheit und Qualität. Zudem bietet Amazon über das Programm Prime Zusatzangebote wie Musik- oder Video-Streaming. Kostenlosen Versand haben beide."

    Nur wenn es Temu gelingt, mehr Nutzer von sich zu überzeugen und zu binden sowie ein ähnlich breites Produktspektrum abzubilden, dann kann es ein Problem für Amazon darstellen.

    Christian Rusche, Institut der Deutschen Wirtschaft

    Heißt allerdings auch: Was nicht ist, kann bald noch werden. Fakt ist jedenfalls, dass chinesische Apps gerade den europäischen und amerikanischen Handel aufmischen und dieser sich verändern wird. Zudem kann es sein, dass mancher, der eben noch wie ein Milliardär geshoppt hat, danach arm ist wie eine Kirchenmaus.

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