Vor Stichwahl in der Türkei:Kilicdaroglu setzt auf Populismus
von Narîn Şevîn Dogan
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Vor der Türkei-Stichwahl verschärft Erdogans Herausforderer Kilicdaroglu den Ton. Mit Populismus geht er auf Stimmenfang bei nationalistischen und unentschlossenen Wählern.
Türkischer Präsidentschaftskandidat Kemal Kilicdaroglu
Quelle: epa
Vor der Stichwahl in der Türkei am kommenden Sonntag umwirbt Kemal Kilicdaroglu verstärkt die Nationalist*innen im Land. Im Wahlkampf vor der ersten Runde der Präsidentenwahl hatte er versprochen, demokratische Verhältnisse im Land herzustellen, das von Recep Tayyip Erdogan eingeführte Präsidialsystem wieder in ein parlamentarisches System zu überführen und die Beitrittsverhandlungen mit der EU wieder aufleben zu lassen. Er ist dafür mit seiner kemalistischen CHP und fünf weiteren Parteien im Bündnis ins Rennen gegen Amtsinhaber Erdogan und sein rechtskonservatives Bündnis gegangen.
Seit klar ist, dass er in einer Stichwahl gegen Erdogan antreten muss, der knapp fünf Prozentpunkte Vorsprung hat und nun auch vom ultranationalistischen, drittplatzierten Präsidentschaftskandidaten Sinan Ogan unterstützt wird, hat Kilicdaroglu seinen Ton geändert: Statt besonnen und versöhnlich gibt er sich nun populistisch.
Wahlkampf mit nationalistischen Parolen
Inzwischen wettert Kilicdaroglu intensiv mit Parolen gegen Geflüchtete, vor allem gegen Migrant*innen aus Syrien. In Videobotschaften auf Twitter richtet er sich mit kurzen, rechtspopulistischen Thesen an potentielle Wähler*innen. Der Ton ist nun sehr viel härter als vor der ersten Wahlrunde. So will er offenbar Stimmen in der ultrarechten Ecke für sich gewinnen, die er für einen Sieg dringend bräuchte.
Er macht Erdogan dafür verantwortlich, dass knapp vier Millionen Geflüchtete in der Türkei sind. Mit seinem populistischen Kurs will Kilicdaroglu auch die Gruppen überzeugen, die bisher der nationalistischen Partei MHP und Sinan Ogans ultranationalistischem Bündnis ihre Stimmen gegeben haben.
Nationalismus hat lange Tradition in der Türkei
Wahlkampf mit nationalistischen Slogans zu machen, das ist auch für die CHP kein neues Terrain. Traditionell gehört das in den meisten Parteien in der Türkei zur Wahlkampfstrategie. Das findet in großen Teilen der Bevölkerung Anklang. Denn seit der Staatsgründung vor hundert Jahren gehört der türkische Nationalismus zur Kultur und Politik des Landes. Auch die CHP unter Kilicdaroglu steht für diesen Nationalismus. Bis zum ersten Wahlgang äußerte sich Kilicdaroglu allerdings weniger offensichtlich als nun vor den Stichwahlen.
Kilicdaroglu positioniert sich vielleicht auch deshalb noch nationalistischer, weil ihm im Wahlkampf immer wieder vorgeworfen wird, mit Terrororganisationen zusammenzuarbeiten, ohne Belege.
Kilicdaroglu will auch Erstwähler überzeugen
Die Erstwähler*innen sind eine entscheidende Gruppe bei dieser Wahl. Acht Prozent dürfen das erste Mal ihre Stimme abgeben. Seit der ersten Wahlrunde richtet sich CHP-Kandidat Kilicdaroglu noch gezielter an junge Menschen, überwiegend über Soziale Netzwerke und mit direkter Ansprache. Zuletzt war er über sieben Stunden live im Interview mit dem türkischen Online-TV-Sender Babala TV zu sehen, der besonders von jungen Leuten genutzt wird.
Vor der Wahl am 14. Mai hatte Kilicdaroglu ein Interview mit diesem Sender noch abgelehnt, nun scheint diese Gruppe entscheidend für ihn. Zuschauer*innen hatten die Gelegenheit, dem Präsidentschaftskandidaten direkt Fragen zu stellen. Themenschwerpunkte waren die Asylpolitik, mit der Kilicdaroglu auch bei jungen Menschen punkten will. Es sind die Themen, die wohl wahlentscheidend sein werden.
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