Diskussion um US-Präsident: Stolpert Biden über sein Alter?

    Diskussion in der US-Politik:Stolpert Biden über sein Alter?

    von Benjamin Daniel und Claudia Bates
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    US-Präsident Joe Biden ist auf offener Bühne über einen Sandsack gestürzt. Die Diskussionen um sein Alter wurden deshalb neu entfacht - ist Biden zu alt für eine zweite Amtszeit?

    US-Präsident Biden zeigt nach seinem Sturz bei einer Absolventenfeier der Air Force Academy auf den Sandsack, über den er gestolpert ist.
    Ein Sandsack als Übeltäter: Joe Biden ist gestolpert - Gegner des US-Präsidenten wollen das für sich ausnutzen.
    Quelle: AP

    Der US-Präsident ist gestolpert. Über einen Sandsack, der direkt neben ihm auf dem Boden lag. So weit, so normal. Aber natürlich kommt der Stolperer denen entgegen, die in den Köpfen festsetzen möchten, dass Joe Biden zu alt für sein Amt sei.
    Die gleichen republikanischen Politiker allerdings, die Biden gern unterstellen, senil und tatterig zu sein, fühlten sich dieser Tage von ihm nach allen Regeln der Verhandlungskunst über den Tisch gezogen, als er bei den Gesprächen über die Schuldenobergrenze keinerlei Zugeständnisse machte, was seine Sozial- und Klimapolitik angeht.

    Joe Biden gilt als geschickter Verhandler

    Der Journalist David Rothkopf schrieb: "Ja, Bidens Alter ist ein Thema. Wie wir diese Woche wieder gesehen haben, ist es ein riesiger Vorteil."

    Er (Biden) ist der Kongress-Flüsterer.

    David Rothkopf, Journalist

    Joe Bidens Bilanz, was die Verabschiedung von Gesetzen mit knapper Mehrheit angeht, ist beachtlich. Riesige Gesetzespakete zur Reduzierung der Inflation, zur Herstellung von Halbleitern in den USA, zum Aufbau einer wettbewerbsfähigen Infrastruktur. Gesetze, die eine ambitionierte Sozial- und Klimapolitik enthalten.
    Aber natürlich stellt sich bei einem Politiker, der mit 82 Jahren seine zweite Amtszeit antreten möchte, die Frage, ob er wirklich der beste Kandidat für seine Partei ist. 68 Prozent der Amerikaner meinen, dass Biden zu alt sei für eine zweite Amtszeit.
    Welche politischen Erfolge Biden vorweisen kann:






    Gesundheitschecks sprechen für Joe Biden

    Die regelmäßigen Gesundheitschecks attestieren Joe Biden immer wieder die generelle Amtsfähigkeit. Dennoch spiegeln manche Formulierungen der beurteilenden Ärzt*innen durchaus das Alter des US-Präsidenten wider. So wurde in der Vergangenheit unter anderem der "steife Gang" des mächtigsten Mannes der Welt thematisiert. Von allgemeinem "Verschleiß" ist die Rede oder davon, dass orthopädische Einlagen für ihn ratsam seien.
    Nun klingt das alles nicht so, als schränke es Biden bei seiner Amtsausübung ein. Dennoch sind viele der Meinung, dass er mit seinen 80 Jahren nicht fit für eine zweite Amtszeit sei. Sollte der US-Präsident bei den US-Wahlen 2024 wiedergewählt werden, wäre er am Ende seiner zweiten Amtszeit 86.

    Biden ältester US-Präsident der Geschichte

    Schon jetzt ist der Demokrat der älteste US-Präsident aller Zeiten. Mit seinem fortgeschrittenen Alter ist er in der US-Politik allerdings nicht allein. Die frühere demokratische Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, war 82, als sie ankündigte, ihr Amt als Sprecherin niederlegen zu wollen. Seither ist sie "einfache" Abgeordnete im Repräsentantenhaus.
    Der aktuelle Kongress ist einer der ältesten in der US-Geschichte. Stellvertretend dafür wird häufig die älteste Senatorin genannt.

    Fall Feinstein: Klammern am Amt?

    Dianne Feinstein ist zwar mittlerweile wieder an ihrem Arbeitsplatz in Washington. Die Demokratin hat allerdings noch immer mit den Nachwirkungen einer schweren Gürtelrose zu kämpfen. Im März wurde die 89-Jährige ins Krankenhaus eingeliefert und war wochenlang nicht in der Lage, ihren Heimatstaat Kalifornien im Senat zu vertreten. Selbst enge Freunde legen ihr mittlerweile den Rücktritt nahe.
    Dianne Feinstein, US-Senatorin, im Rollstuhl
    Die US-Senatorin Dianne Feinstein im Rollstuhl. Sie hatte mit Gürtelrose zu kämpfen.
    Quelle: Reuters

    Feinstein aber besteht darauf, bis zum regulären Ende ihrer Amtszeit Ende 2024 durchzuhalten. Feinsteins langes Fehlen hatte unter anderem zur Folge, dass Gesetzgebungsprozesse ausgebremst wurden. So hat ihre Partei beispielsweise im Justizausschuss des US-Senats lediglich eine hauchdünne Mehrheit.
    Da Feinstein lange nicht mit abstimmen konnte, verzögerten sich die Wahlen von knapp zwei Dutzend Kandidat*innen für Richterposten. Zu groß waren die Bedenken auf Seiten der Demokrat*innen, dass die Republikaner*innen ansonsten für eine Ablehnung bestimmter Anwärter*innen hätten sorgen können.

    Die Vor- und Nachteile des hohen Alters in der Politik

    Auf der anderen Seite verfügen Politiker*innen im hohen Alter oft über jahrzehntelange Erfahrung, was gerade bei hochsensiblen Themen, bei denen größtmögliches Verhandlungsgeschick gefragt ist, vorteilhaft sein kann. Kongressmitglieder erarbeiten sich über die Dekaden mächtige Ausschuss-Posten, kennen häufig alle parlamentarischen Kniffe und haben nicht selten ein nationales oder gar internationales Profil.
    Sie werden zu effizienten Spendensammlern und verlässlichen Kandidat*innen, wenn es um die Wahlkreis-Verteidigung geht. Das macht sie für ihre jeweiligen Parteien sehr wertvoll. Gleichzeitig aber verhindern sie das Nachrücken jüngerer Kolleg*innen mit oft moderneren Ansichten, mehr Dynamik, und einer frischen Sicht auf die Dinge.
    Und so bleibt der unglückliche Umstand nicht aus, dass altgediente Kongressmitglieder, die ihre politische Karriere begannen, als es noch keine Handys oder das Internet, wie wir es heute nutzen, gab, teilweise dafür zuständig sind, CEOs von einflussreichen Social-Media-Unternehmen oder sonstigen Tech-Konzernen ins Kreuzverhör zu nehmen.
    Computergrafik: Eine junge Frau hält ihr Smartphone in der Hand, um sie herum sind mehrere Apps von Google, Amazon, Facebook und Apple abgebildet.
    Vier Megakonzerne wachsen scheinbar grenzenlos und werden immer mächtiger. Sie sind im Fokus der Öffentlichkeit – doch stehen sie auch über dem Gesetz?09.12.2021 | 42:30 min

    Keine Lösung in Sicht

    Vorstöße, die Mandatszeiten im US-Senat oder US-Repräsentantenhaus zu begrenzen, blieben bislang erfolglos. Schon 1945 setzte sich der damalige US-Präsident Harry Truman dafür ein, eine Amtszeit-Beschränkung auch für Senator*innen und Abgeordnete einzuführen. Damals mahnte er mit den Worten:

    Wir würden dazu beitragen, Senilität und Überalterung zu heilen - beides schreckliche Krankheiten der Gesetzgebung.

    Harry Truman 1945, US-Präsident

    Seitdem hat sich trotz manch weiteren Vorstoßes nicht viel getan. Und so wird die Diskussion wohl auch künftig weitergeführt werden, ob im amerikanischen Kongress eine Amtszeit- oder Altersbeschränkung nicht vielleicht doch Sinn machen würde.
    Was Bidens Leibarzt über die Gesundheit des US-Präsidenten sagt:
    Quelle: mit Material von dpa, AP, AFP, Reuters