Der Krieg im Sudan tobt weiter mit großer Brutalität. Augenzeugen berichten von Steinigungen und Folter. Viele fliehen ins Nachbarland Tschad, es sind vor allem Frauen und Kinder.
Der Weg an die Grenze zwischen Tschad und Sudan führt über holprige Straßen. Reguläre Flüge gibt es schon lange nicht mehr.
Wer von hier berichten möchte, muss einen Platz auf einem Flieger der UN ergattern und dann weiter - stundenlang über staubige Pisten. Immer wieder gibt es Entführungen, unlängst wurde ein Transporter der UN überfallen. Weil die Regenzeit schon begonnen hat, treten auch kleine Flüsse immer wieder über die Ufer und machen das Passieren unmöglich.
Tschad: Im UN-Flüchtlingcamp Farchana
40 Kilometer von der Grenze zum Sudan entfernt liegt das Flüchtlingscamp Farchana. Im Eilverfahren haben die Vereinten Nationen hier Brettergerüste hingestellt, die mit den weißen Plastikplanen der UN überspannt sind. Es gibt keinen Baum, keinen Schatten - den ganzen Tag sitzen die Menschen in der prallen Sonne und warten darauf, dass die Zeit vergeht.
Vor einer Notunterkunft sitzen trauernde Frauen. Ihr bunten Gewänder sind wie Farbkleckse in der kargen Landschaft, ihr Wehklagen erfüllt die Stille. Jede von ihnen hat schon einen Familienangehörigen verloren, Vater, Mann oder Bruder. Getötet wegen des Machtkampfes zweier rivalisierender Militärs im Sudan.
Fatime Adam Mahamat verlor Mann und Schwager
In ihrer Hütte sitzt Fatime Adam Mahamat, ihr Gesicht ist tränenüberströmt. Die zierliche Frau wird gehalten von einer Freundin, immer wieder bricht sie zusammen. Erst gestern hat sie erfahren, dass ihr Mann und ihr Schwager in der Region Darfur erschossen wurden. Die Familie hat vom Holzverkauf gelebt, einfache Zivilisten.
Der Krieg im Sudan brach am 15. April 2023 in der Hauptstadt Khartoum sowie anderen Landesteilen aus. Seitdem kämpfen rivalisierende Fraktionen des herrschenden Militärs gegeneinander: die Sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter De-facto-Staatschef Abdel Fattah Burhan und die Rapid Support Forces (RSF) unter seinem bisherigen Mohammad Hamdan Daglo.
Wie so oft geht es vor allem um Macht, aber auch um die Vorherrschaft und damit Gewinne im Handel mit Rohstoffen. Der Sudan ist seit jeher reich an Gold und Erdöl. Das Land ist außerdem Hauptexporteur von Gummiarabikum, einem Lebensmittelzusatzstoff, der etwa bei Softdrinks oder Schokoriegeln, aber auch zur Medikamentenherstellung genutzt wird.
In einer der Hauptregionen des Konflikts, der Region Darfur im Westen des Sudan, geht es auch um Kämpfe zwischen Stämme, die sich wegen Weideland und Zugang zu Wasser bekriegen.
Der Sudan gehörte schon vor dem Krieg zu einem der ärmsten Länder der Welt. Die Zivilbevölkerung ist jetzt massiv betroffen: Es gibt so gut wie keine Gesundheitsversorgung mehr. Viele Kliniken wurden zerstört oder geplündert. Wegen marodierender Banden trauen sich viele Menschen nicht mehr, ihre Häuser zu verlassen und haben so keinen Zugang zu Lebensmitteln und Wasser. UNICEF schätzt, dass 13.8 Millionen Kinder auf humanitäre Hilfe angewiesen sind.
Das UNHCR schätzt – mit Zahlen von Ende Mai – dass über 350.000 Menschen aus dem Sudan geflohen sind. 90 Prozent davon sind Frauen und Kinder. Sie fliehen vor allem in die Nachbarländer Tschad, Ägypten, Südsudan, Äthiopien und Zentralafrikanische Republik. Innerhalb des Sudans sind etwa 850.000 Binnenflüchtlinge unterwegs.
Die 35-Jährige war mit den Kindern vorausgegangen in den Tschad, ihr Mann wollte hinterher kommen. "Wir haben auf der Straße übernachtet, ich konnte nicht mehr. Eine Hilfsorgansation hat uns gefunden und uns mit einem Pferdekarren hierher gebracht. Ich habe nichts mehr", sagt Fatime und bricht wieder in Tränen aus.
Im Sudan haben Armee und RSF-Miliz erneut einen Waffenstillstand vereinbart, der am Sonntag begann. Am Tag zuvor kamen in Khartum 17 Menschen ums Leben.
NGO-Hilfskonvois bringen Wasser und Essen
Ständig fahren in dem Camp Hilfskonvois von Nichtregierungsorganisationen ein und aus. Sie bringen Wasser und Essen, in ihrem Kummer können sie den Menschen nicht helfen.
"Alle hier haben einen Kreislauf von Gewalt erlebt, und es wäre so wichtig, den Menschen auch psychosozial zu helfen." Doch dafür gibt es im Moment keine Kapazitäten. In der örtlichen Präfektur in Farchana verwalten sie den täglichen Mangel.
Viele Länder verweigern Flüchtlinge die Aufnahme
Farchana ist die ärmste Region in einem der ärmsten Länder der Welt. Der Tschad ist eines der wenigen Nachbarländer des Sudans, das seine Grenzen für Flüchtende offenhält. Viele andere - wie Ägypten - wollen niemanden mehr aufnehmen.
"Ich bin stolz auf mein Land", meint Agrum Jahamat Akmat, der Départment-Chef. "Es ist doch unzumutbar, seinen Nachbarn leiden zu sehen und nicht zur Hilfe zu eilen. Und es gibt ja auch Konventionen. Und es gibt Gesetze."
Leben im Flüchtlings-Camp - seit über 20 Jahren
Zeynab Daffallah Aoumar kam schon im letzten Sudan-Krieg in das Camp. Das war vor über 20 Jahren. Ihre Kinder kennen nichts anderes als das Leben in einer Notunterkunft. Immer wieder hat sie versucht, in ihr Heimatland zurückzukehren, sie fühlt sich als Sudanesin. Doch dann flackerten die Kämpfe wieder auf, und alle Hoffnungen waren dahin.
Es wird Abend, die Regenzeit hat begonnen, ein heftiges Gewitter ist aufgezogen. Im Nu stehen die Hütten unter Wasser. Die Menschen hier haben sich daran gewöhnt - an Dürre und dann wieder Wolkenbrüche. Sie kennen nur das Leben im Geflüchtetencamp Farchana.