Nach Frontal-Bericht: Wallonien will Rüstungsdeals prüfen
Reaktion auf frontal-Bericht:Wallonien will Rüstungsdeals prüfen
von Felix Klauser, Nils Metzger, Marta Orosz
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Nach den jüngsten Recherchen kündigt die wallonische Regierung erste Schritte an. Eine Regierungsdelegation soll in Serbien prüfen, ob möglicherweise Sanktionen verletzt wurden.
Rüstungsunternehmen New Lachaussée: Wurde hier gegen Russland-Sanktionen verstoßen?
Quelle: ZDF
Die Recherchen von frontal und des belgischen Rundfunks RTBF zum belgischen Rüstungsunternehmen New Lachaussée (NLC) haben erste politische Konsequenzen. Die wallonische Regierung will eine Delegation nach Serbien schicken, die untersuchen soll, ob möglicherweise Russland-Sanktionen verletzt wurden. Sanktionsexperte Viktor Winkler wünscht sich ähnliche Schritte auch von deutscher Seite.
Frontal berichtete am Dienstagabend über fragwürdige Geschäfte von NLC. Die Mehrheitsanteile des Unternehmens gehören der Holding Magtech Europe mit Sitz in Nassau, Rheinland-Pfalz. Magtech Europe beliefert auch die Polizei, die Bundeswehr und Nato. Die wallonische Regierung ist Minderheitsgesellschafter bei NLC.
Cihan Kuzkaya war forensischer Ermittler bei KPMG. Seine Aufgabe: Wirtschaftskriminalität bei Großunternehmen aufdecken und aufklären.11.07.2023 | 12:40 min
NLC schloss laut einem internen KPMG-Bericht, der frontal vorliegt, mehrere Großaufträge mit serbischen Rüstungsunternehmen ab. Für den Verkauf von Munitionsfertigungsanlagen an eine Tochter des serbischen Staatskonzerns Yugoimport im Wert von rund 70 Millionen Euro erhielt NLC eine Exportgenehmigung von der wallonischen Regierung.
Dem KPMG-Ermittler fiel laut Bericht auf, dass die Fertigungsanlagen für die gleichen sowjetischen Kaliber sind, für die das belgische Unternehmen Kostenvoranschläge an die russische Munitionsfabrik TulAmmo ausstellte. Russische Streitkräfte benutzen eben diese Kaliber.
Treffen auf Waffenmessen
Dabei ist der Verkauf von Rüstungsgütern an Russland seit dem Waffenembargo der EU aus 2014 verboten.
Es besteht ein Waffenembargo, Rüstungsgüter dürfen also nicht mehr nach Russland ausgeliefert werden. Dazu zählen auch so genannte Dual-Use-Güter. Dinge also, die für militärische Zwecke benutzt werden können. Diese Verbote allerdings sind nicht neueren Datums, sondern sie reichen wie viele andere Sanktionen, ins Jahr 2014 zurück, als Russland in der Ukraine einmarschierte und die Krim annektierte.
Dennoch soll NLC laut Gesprächsnotizen, die frontal vorliegen, an der Waffenmesse IWA in Nürnberg 2016 Kontakte zwischen Vertretern des serbischen staatlichen Rüstungsunternehmens Yugoimport und Vertretern der russischen Munitionsfabrik TulAmmo hergestellt haben. Der NLC-Geschäftsführer bestätigte auf Anfrage, den Kontakt zwischen beiden Unternehmen hergestellt zu haben:
Allerdings bestreitet NLC, gegen Sanktionen verstoßen zu haben. Seit 2014 habe New Lachaussée "zu keiner Zeit irgendeine Geschäftsbeziehung mit irgendeinem Rüstungsunternehmen in Russland", teilte der NLC-Geschäftsführer in einer Stellungnahme mit. NLC erklärte sich nach der ZDF-Veröffentlichung in einer Pressemitteilung bereit, mit den belgischen Behörden bei der Aufklärung der Vorwürfe zu kooperieren.
Auch der deutsche Mutterkonzern Magtech teilt per Rechtsanwalt mit: Die Prüfung durch KPMG habe keine Nachweise für Rechtsverletzungen durch New Lachaussée ergeben. New Lachaussée habe "im relevanten Zeitraum keine Munitionsmaschinen nach Russland geliefert […]. Auch die Lieferungen an serbische Geschäftspartner […] stellen insbesondere keine Umgehung von Sanktionen dar".
Yugoimport und TulAmmo reagierten nicht auf die Anfragen von frontal.
Delegation soll Deals mit Serbien prüfen
Die wallonische Regierung steht in ihrer Rolle als Minderheitsgesellschafter von New Lachaussée und als Genehmiger von Exportlizenzen für Rüstungsgüter gleich doppelt in der Verantwortung.
Ministerpräsident Elio di Rupo sagte am Mittwoch bei einer parlamentarischen Anhörung im belgischen Namur, dass er den KPMG-Bericht über die Geschäfte von NLC aus dem vergangenen Jahr erst Anfang Juli 2023 erhalten habe. Zuvor soll der Regierung lediglich eine juristische Beurteilung vorgelegt geworden sein, wonach die Untersuchung keine Gesetzesverstöße festgestellt hatte.
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von Felix Klauser, Nils Metzger, Marta Orosz
Interview
Nach der Veröffentlichung der Recherchen traf di Rupo am Dienstag den serbischen Botschafter in Belgien. Der Botschafter soll versichert haben, dass serbische Behörden keine Exporte von Waffen oder Munition nach Russland genehmigten. Di Rupo forderte zudem die EU-Arbeitsgruppe für den Export konventioneller Waffen (COARM) auf, die Beziehungen der EU- Mitgliedsstaaten zu Serbien zu überprüfen.
Sanktionsexperte: Ministerien in Deutschland müssen reagieren
Di Rupo kündigte an, dass eine Delegation "schnellstmöglich" nach Serbien reisen und die Unternehmen besuchen soll, die mit New Lachaussée in Geschäftsbeziehung stehen. Sie sollen vor Ort überprüfen, ob die Maschinen von New Lachaussée tatsächlich dort vorzufinden sind und "versuchen, die Situation zu verstehen". Der Botschafter Belgiens in Serbien soll Kontakte zu den zuständigen serbischen Behörden aufnehmen.
Sanktionsexperte und Rechtsanwalt Viktor Winkler begrüßt die Reaktion der wallonischen Regierung, die aus seiner Sicht "der hohen politischen Brisanz des Vorgangs entspricht." Darüber hinaus sollten auch die entsprechenden Behörden in Belgien, wie die Staatsanwaltschaft oder der Zoll, tätig werden, sagt Winkler.
"Habecks und Lindners Ministerien", so der Sanktionsexperte, "müssen sich nun mit der belgischen Regierung hierzu sehr schnell kurzschließen".
Update vom 01.08.2023: Die wallonische Regionalregierung hat eine Pressemeldung zum Untersuchungsergebnis veröffentlicht. Darin heißt es:
"Nichts deutet darauf hin, dass es eine Umgehung der EU-Sanktionen oder des Waffenembargos gegen Russland gegeben hätte. Die Maschinen von New Lachaussée befinden sich in Serbien. Die serbischen Behörden haben alle Fragen der Delegationsmitglieder nach dem Endverbleib der Munition transparent beantwortet."
Wallonien hat die Exportlizenzen von New Lachaussée nach Serbien wieder in Kraft gesetzt. Wohin die in Serbien produzierte Munition genau geliefert wurde bzw. geliefert werden soll, geht nicht aus der Pressemitteilung hervor. Zu den anderen Vorwürfen über Kostenvoranschläge an ein russisches Rüstungsunternehmen hat sich die wallonische Regionalregierung bislang nicht geäußert.
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