Vor Migrationsgipfel: Was ist das "Ruanda-Modell“?

    FAQ

    Vor Migrationsgipfel:Was ist das "Ruanda-Modell"?

    von Moritz Flocke
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    Bund und Länder suchen eine Lösung für die hohe Zahl Geflüchteter in Deutschland. Der Lösungsvorschlag von Christian Dürr (FDP) und Hendrik Wüst (CDU): das "Ruanda-Modell".

    Was ist das "Ruanda-Modell", das Wüst und Dürr vorschlagen?

    Das "Ruanda-Modell" bezeichnet das Konzept, illegal eingereiste Geflüchtete in ein Drittland zu bringen. Dort soll ihr Asylantrag bearbeitet werden.
    Der Name des Modells stammt aus Großbritannien. Dort sollen Geflüchtete, egal woher sie kommen, in das 6.600 Kilometer entfernte Ruanda geflogen werden. Zuvor werden sie in Flüchtlingsunterkünften festgesetzt.
    Das Konzept ist nicht neu. Australien macht das seit vielen Jahren so. Dort werden Geflüchtete auf die kleine Insel Nauru gebracht. Sie ist mehr als 3000 Kilometer von der australischen Ostküste entfernt. Die Flüchtlingslager stehen dort seit Jahren in der Kritik.
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    Menschenrechtsorganisationen prangern die Lebensumstände dort an. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen berichtete 2018, dass es dort zu sehr vielen Suizidversuchen gekommen sei.

    Wie soll das Modell in Deutschland funktionieren?

    Geflüchtete, die irregulär einreisen, werden kurz nach ihrer Ankunft in einem Flüchtlingslager festgesetzt. Das dürfen sie dann nicht verlassen. Nach kurzer Zeit sollen sie in ein Flugzeug steigen, das sie in ein anderes Land bringt. Dieses Land muss bereit sein, sie aufzunehmen. Dafür werden dem Empfängerland hohe Summen bezahlt.
    Der Deal lautet: Geld gegen die Aufnahme von Geflüchteten. Viele tausend Kilometer entfernt, soll dann das Asylverfahren durchgeführt werden. Falls ein Schutzstatus gewährt wird, sollen die Menschen wieder zurück gebracht werden - so die Theorie.

    Ist das mit deutschem Recht vereinbar?

    Deutsches Recht regelt das Asylverfahren auf unterschiedlichen Ebenen. Entscheidend für die Vereinbarkeit mit deutschem Recht ist das Grundgesetz.
    Artikel 19, Absatz 4 Grundgesetz gewährt einen effektiven Rechtsschutz gegen die öffentliche Gewalt. Das bedeutet: Wenn jemand nach Deutschland kommt, darf er einen Asylantrag stellen und bei Ablehnung dagegen vorgehen.
    Wenn Menschen direkt nach Ruanda gebracht werden, ist es unmöglich, dem zu genügen. Praktisch heißt das, dass man Geflüchteten innerhalb der kurzen Zeit, bevor sie abgeschoben werden sollen, rechtliches Gehör gewährt. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen ist es kaum möglich, das zu schaffen.

    Und wie sieht es mit EU-Recht aus?

    Das Ruanda-Modell ist mit EU-Recht derzeit nicht vereinbar. In der EU ist das Thema Asyl sehr umstritten. Immer wieder versuchen die Mitgliedsländer ein funktionierendes Asylsystem zu schaffen.
    Länder wie Deutschland drängen auf eine solidarische Verteilung der Asylsuchenden. Polen oder Ungarn wollen hingegen keine Geflüchteten aufnehmen. Reformbestrebungen gab es zuletzt im Juni.
    Nach aktuellen Plänen ist eine "Verbindung" seitens der asylsuchenden Person zu einem Staat notwendig, in den abgeschoben werden soll. Das verhindert eine Abschiebung in Länder wie Ruanda, zu denen keinerlei Beziehung besteht.

    Wie funktioniert in Großbritannien das "Ruanda-Modell"?

    Im Juni stoppte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen Abschiebeflug nach Ruanda. Seitdem ist die Abschiebung dorthin nur noch der feste Plan der britischen Regierung.
    Zwar haben manche Gerichte die Praxis erlaubt, am Ende muss aber der Oberste Gerichtshof des Vereinigten Königreichs, der Supreme Court, entscheiden. Dort liegt der Fall aktuell. Eine Entscheidung wird voraussichtlich noch einige Monate dauern.
    Bisher hat die britische Regierung umgerechnet 160 Millionen Euro an Ruanda gezahlt. Ob die Pläne nach den nächsten Wahlen halten, ist offen. Diese finden voraussichtlich 2024 statt. Im vergangenen Jahr setzten über 45.000 Menschen illegal nach Großbritannien über.

    Wie steht die Bundesregierung zu dem britischen Modell?

    Laut Koalitionsvertrag wollen die Ampelparteien prüfen, ob die Schutzstatus-Feststellung von Flüchtlingen "in Ausnahmefällen unter Achtung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention in Drittstaaten möglich ist".

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    Auf Anfrage von ZDFheute erklärt das Bundesinnenministerium:

    Die Prüfung dauert angesichts der rechtlichen und tatsächlichen Komplexität der Fragestellung noch an. Maßgeblich ist für die Bundesregierung dabei die Einhaltung geltender europa- sowie völkerrechtlicher Vorgaben.

    Statement Bundesinnenministerium

    Die Debatte um Asylverfahren in Drittstaaten ist jedoch in Gang. Während sich Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesinnenministerin Nancy Faeser (beide SPD) sich vor wenigen Tagen skeptisch äußerten, legten SPD-Bundestagsabgeordnete einen Vorschlag vor, der in eine ähnliche Richtung geht.
    Moritz Flocke ist Mitarbeiter in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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