Trotz Sanktionen: PwC-Hilfe für russischen Tui-Großaktionär?
Exklusiv
Russischer Oligarch Mordaschow:Hilfe für sanktionierten Tui-Großaktionär?
von Sophia Baumann, Maria Christoph, Carina Huppertz, Marta Orosz
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Der zweitgrößte Wirtschaftsprüfer der Welt half offenbar einem russischen Oligarchen beim Versuch, seine Tui-Anteile vor Sanktionen zu retten.
Interne Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union genutzt haben.14.11.2023 | 40:51 min
Die Sanktionen der Europäischen Union waren Ende Februar 2022, vier Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, für die wenigsten Oligarchen eine große Überraschung. Bereits seit der Krim-Annexion 2014 sorgten Kreml-nahe Superreiche vor und schichteten ihr Vermögen um. Auch der größte Einzelaktionär des deutschen Reisekonzerns Tui, Alexej Alexandrowitsch Mordaschow, versuchte, seine Unternehmensanteile in Sicherheit zu bringen und vor den Sanktionen zu schützen. Sein Tui-Aktienpaket, damals im Wert von mehreren Hundert Millionen Euro, hielt eine zyprische Firma des russischen Milliardärs.
Mordaschow konnte, wie viele andere reiche Russen, über Jahre auf eine Heerschar sogenannter Service-Dienstleister im EU-Land Zypern zählen. Globale Beratungsunternehmen wie PwC, aber auch hunderte kleine Agenturen, kümmern sich auf der Sonneninsel um die Gründung von Briefkastenfirmen, stellen Geschäftsführer und verwalten das Vermögen der Superreichen. Recherchen von ZDF frontal mit internationalen Partnern im Rechercheprojekt "Cyprus Confidential" zeigen nun, wie der zweitgrößte Wirtschaftsprüfer der Welt dem Oligarchen Mordaschow bei dem Versuch geholfen haben soll, seine Tui-Anteile vor Sanktionen zu retten.
Sehen Sie oben die ZDF-frontal-Dokumentation über die Recherche zu "Cyprus Confidential".
Mordaschow seit 2007 Großaktionär bei Tui
Mordaschow baute sein Vermögen in der Stahlindustrie der postsowjetischen Jahre auf und formte aus dem russischen Unternehmen Severstal einen Weltkonzern. Der Milliardär stieg 2007 auch bei Tui ein und wurde über die Jahre zum größten Einzelaktionär. In der Corona-Pandemie waren es auch Mordaschows Kapitalspritzen, die den Reisekonzern vor der Insolvenz retteten. Das Datenleak aus Zypern enthüllt einen anderen Rettungsversuch Mordaschows.
Die Sanktionen der EU galten ab Mitternacht vom 27. auf den 28. Februar 2022. Interne Unterlagen vom 25. und 28. Februar 2022, die dem ZDF, dem "Spiegel" und dem österreichischen "Standard" vorliegen, zeigen, wie Mordaschow den Großteil seiner Tui-Beteiligung offenbar in Sicherheit bringen wollte.
Quelle: ZDF
Sehen Sie mehr zu dem Thema bei frontal. Am 14. November um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Wie soll Mordaschows Plan ausgesehen haben?
PwC-Mitarbeiter auf Zypern unterstützten ihn augenscheinlich bei dem Versuch, seine Anteile an Marina Mordaschowa zu übertragen. EU-Behörden führen die Frau mal als Lebensgefährtin, mal als Ehefrau von Alexej Mordaschow. Der stand ab dem 28. Februar 2022 schon auf der Sanktionsliste der Europäischen Union. Das schien die PwC-Manager nicht von Aktivitäten abzuhalten. Dabei gilt für Sanktionierte, dass ihr Vermögen sofort eingefroren werden muss.
Geleakte E-Mails vom Abend des 28. Februar legen erstmals offen, dass die PwC-Mitarbeiter dennoch den Verkauf von Mordaschow Tui-Anteilen absegneten: "Genehmigt. Der Preis wird in Kürze festgelegt," schrieb ein PwC-Manager laut den bis dato geheimen Unterlagen. Doch irgendwas scheint schief gegangen zu sein. Denn einen Tag nachdem die Sanktionen in Kraft traten - also am 1. März 2022 - verschickten PwC-Mitarbeiter ein weiteres Dokument mit einer handschriftlichen Notiz zum Verkauf der Tui-Anteile: "EILT - bitte Originale (...) nochmal unterschreiben. Danke!" Die zyprischen Geschäftsführer der beteiligten Briefkastenfirmen müssten die Verträge nochmal signieren.
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Hat PwC Zypern einem sanktionierten Oligarchen geholfen?
Die genaue Uhrzeit des Inkrafttretens der Sanktionen sei hier nicht ausschlaggebend, sagt Rechtsanwalt und Sanktionsexperte Viktor Winkler. Seine Rechtsauffassung formuliert er so: Alleine die Beteiligung an Versuchen, Sanktionen und deren Effekte zu umgehen, sei strafbar.
Wenn also in dieser Situation unabhängig von der Tages- und Uhrzeit Versuche gemacht worden sind, Schäfchen ins Trockene zu bringen, dann liegt darin eine Straftat.
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Sanktionsexperte Viktor Winkler
Der Tui-Konzern mit Sitz in Hannover teilte am 4. März seinen Aktionären mit, dass ein Großteil der Mordaschow-Anteile verkauft worden sei. Erst zwei Wochen später verriet Tui, an wen: Die Offshore-Firma, die rund 27 Prozent der Anteile übernahm, gehörte demnach zu diesem Zeitpunkt Frau Marina Mordaschowa.
Verteilung der Tui-Aktien
Quelle: ZDF
Zyprische Behörden ermitteln im Fall Tui
Auf Nachfragen zu mutmaßlichen Saktionsverstößen durch PwC-Mitarbeiter schreibt das Unternehmen, es habe alle Sanktionen umgesetzt. Zudem seien sanktionierte Personen keine Kunden mehr.
PwC Zypern hat nach der russischen Invasion in der Ukraine die Beziehungen zu etwa 150 Kundengruppen beendet.
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PwC-Stellungnahme
Das gesamte PwC-Netzwerk habe sich im März 2022 Regeln auferlegt, die "über das hinausgehen, was rechtlich erforderlich ist".
Alexej Mordaschow ließ über eine Sprecherin erklären, dass keines seiner Unternehmen gegen Gesetze verstoßen habe. "Alles, was er aufgebaut und erreicht hat, wurde durch faire Geschäftspraktiken und die strikte Einhaltung von Vorschriften erreicht", heißt es in einer Antwort auf unsere Fragen. Dies gelte auch für die erwähnten Aktienübertragungen.
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Am Ende scheiterte der Versuch: Im Juni 2022 setzte die EU auch Marina Mordaschowa auf ihre Sanktionsliste. Begründung: Sie stehe in Verbindung mit einer sanktionierten Person. Alexej Mordaschow habe ihr Unternehmensanteile im Wert von insgesamt mehr als 1,5 Milliarden Euro durch verschiedene Offshore-Unternehmen übertragen.
Der deutsche Reisekonzern teilt mit: Mordaschow habe keinen Zugriff mehr auf seine Aktien. Der Fall hat dennoch ein Nachspiel: Auf Zypern wird strafrechtlich ermittelt, gegen wen genau ist unklar. Im Fokus aber, so die Behörden, stünden die Geschäfte rund um die Tui-Anteile der Mordaschows. Ob tatsächlich gegen Sanktionen verstoßen wurde, müssen die Ermittlungen zeigen.
Russland-Experte Seipel hat 600.000 Euro von einem Putin-nahen Oligarchen erhalten. Das zeigen ZDF-Recherchen. Seine Unparteilichkeit sieht der Journalist nicht beeinträchtigt.
von Hans Koberstein, Frederik Obermaier, Bastian Obermayer und Timo Schober
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