von Sophia Baumann, Maria Christoph, Felix Klauser, Hans Koberstein, Hannes Munzinger, Bastian Obermayer, Frederik Obermaier, Marta Orosz, Timo Schober und Sophia Stahl
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Geheimverträge zeigen, wie russische Oligarchen in Zypern über Briefkastenfirmen ihr Geld mehren und den Westen beeinflussen wollen. Der Überblick zu "Cyprus Confidential".
Interne Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union genutzt haben.14.11.2023 | 40:51 min
Was ist "Cyprus Confidential"?
"Cyprus Confidential" ist eine vom ZDF und dem International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) angestoßene weltweite Recherche zu fragwürdigen Geschäften, die über und durch das EU-Mitgliedsland Zypern laufen. Die internen Dokumente mehrerer zyprischer Finanzdienstleister legen offen, wie sanktionierte russische Oligarchen Zypern als eine Art Hintertür zur Europäischen Union und dem Schengen-Raum genutzt haben.
Was sind die spektakulärsten Fälle?
Dokumente, die dem ZDF zugespielt wurden, enthüllen, dass der preisgekrönte deutsche TV-Journalist und Russland-Experte Hubert Seipel eingewilligt hat, für Buchprojekte Hunderttausende Euro aus Russland zu erhalten und dies vor der ARD, seinem Buchverlag und der Öffentlichkeit verborgen hat. Seipel räumte "Unterstützung" durch den Milliardär Alexej Mordaschow ein. Der mittlerweile sanktionierte Oligarch habe jedoch keinen Einfluss auf den Inhalt seiner Bücher gehabt. Warum Seipel die Vereinbarung nicht offengelegt hat, erklärte der vielfach ausgezeichnete Journalist nicht. Mordaschow antwortete nicht auf Fragen zum Sponsorenvertrag mit Seipel.
Quelle: ZDF
Sehen Sie mehr zu dem Thema bei frontal. Am 14. November um 21 Uhr im ZDF und in der ZDF-Mediathek.
Auch in anderen Ländern finden sich prominente Nutzer und Nutznießer von Briefkastenfirmen auf Zypern, unter ihnen der frühere Profiboxer Wladimir Klitschko sowie der ehemalige österreichische Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Wladimir Klitschko ließ über einen Anwalt ausrichten, dass er Fragen zu privaten Investitionen, die länger als zehn Jahre zurücklägen "aus nachvollziehbaren Gründen" nicht fristgerecht beantworten könne. Er habe aber "selbstverständlich immer seine Steuern an die jeweils zuständigen Finanzämter korrekt abgeführt." Grasser ließ über seinen Anwalt mitteilen, dass die eine Firma "nicht verwendet und nie operativ tätig" gewesen sei. Die andere sei "gänzlich unbekannt".
Die Daten belegen außerdem erstmals, wie Oligarch Roman Abramowitsch ein Netzwerk aus Briefkastenfirmen mutmaßlich nutzte, um den englischen Fußballklub FC Chelsea offenbar einen Wettbewerbsvorteil im Titelkampf zu verschaffen. ZDF-Recherchen offenbaren geheime Zahlungen an das Umfeld von Spielern und Trainer. Abramowitsch ließ konkrete Fragen unbeantwortet. Er hat den Verein nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine 2022 verkauft. Der FC Chelsea gab an, dass die neue Klubführung diese "Angelegenheiten" angezeigt habe und "die zuständigen Aufsichtsbehörden proaktiv bei ihren Untersuchungen unterstützt" und dies weiterhin tun werde.
Lesen Sie hier die ZDF-Recherche dazu, wie Abramowitsch mithilfe von Offshore-Firmen Kunstwerke erwarb.
Geheime Unterlagen zeigen, welche Kunstwerke der russische Oligarch Abramowitsch erworben hat. Finanzdienstleister auf Zypern halfen offenbar, die Geschäfte zu verschleiern.
von R. Davies, F. Obermaier, M. Orosz, R. Schaar, T. Schober und A.Trenkler
Exklusiv
Woher kommen die Daten und wie wurden sie ausgewertet?
Die "Cyprus-Confidential"-Recherchen basieren auf internen Unterlagen von sechs zyprischen Finanzdienstleistern sowie von einer lettischen Firma, die Dokumente aus dem zyprischen Handelsregister vertreibt. Ein großer Teil der Daten wurde dem ZDF zugespielt. Weitere Unterlagen landeten bei der Whistleblower-Plattform Distributed Denial of Secrets (DDoS) und dem Organized Crime and Corruption Reporting Project (OCCRP). Alle drei haben die Daten mit dem ICIJ geteilt.
Weltweit waren mehr als 270 Journalistinnen und Journalisten von 69 Medienhäusern in 55 Ländern an der Recherche beteiligt - darunter "Spiegel", "Washington Post", "Guardian" und "Standard".
Warum ist Zypern insbesondere bei russischen Oligarchen so beliebt?
Schon in Zeiten des Kalten Krieges waren die Bande zwischen Zypern und der Sowjetunion eng. In den Neunzigerjahren brachten viele wohlhabende Russen ihr Geld auf die Mittelmeerinsel - sie lockte mit niedrigen Steuersätzen, einem vorteilhaften Doppelbesteuerungsabkommen und vor allem einer Menge Finanzdienstleister und Banken, die sich auf russische Kundschaft spezialisierten. Zypern sei eine regelrechte "russische Kolonie", sagt der Kreml-Kritiker Bill Browder. In den "Cyprus-Confidential"-Unterlagen finden sich fast 100 Russen, die in den vergangenen Jahren von westlichen Ländern sanktioniert wurden.
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Was hat die die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC mit "Cyprus Confidential" zu tun?
PwC spielte laut den Cyprus-Confidential-Daten eine wichtige Rolle bei der Erhaltung des Reichtums einiger russischer Oligarchen. Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat womöglich zu Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine dabei geholfen, das Vermögen russischer Klientinnen und Klienten vor der drohenden Sanktionierung zu sichern.
PwC-Gebäude Zypern
Quelle: ZDF
Im Juni 2023 kritisierte auch das EU-Parlament, dass "PwC zusammen mit anderen großen Wirtschaftsprüfungsunternehmen eine zentrale Rolle bei der Unterstützung russischer Oligarchen bei ihren Investitionen im Westen durch ihre Netzwerke von Offshore-Mantelgesellschaften gespielt hat". In einer schriftlichen Antwort teilte PwC mit: Das Unternehmen habe alle Sanktionen umgesetzt, sanktionierte Personen seien keine Kunden mehr:
Warum ist Zypern fragwürdigen Kunden bei ihren Geschäften behilflich?
Der Kern des Problems ist die Abhängigkeit Zyperns von Russland: Einerseits war die zyprische Wirtschaft viele Jahre lang auf russisches Geld angewiesen. Andererseits existiert eine politische Abhängigkeit von Russland, die ihren Ursprung in der Teilung des Landes in eine griechisch-zyprische und eine türkisch-zyprische Hälfte hat. Damit der Konflikt nicht wieder aufflammt, ist eine Friedenstruppe der Vereinten Nationen (UN) auf der Insel stationiert. Dieser Einsatz muss aber jährlich bestätigt werden, von allen Mitgliedern des UN-Sicherheitsrats. Dazu zählt auch Russland.
Inwiefern betrifft das die Bundesrepublik?
Dass Zypern trotz aller Kritik mit laxen Kontrollen und intransparenten Firmenkonstrukten fragwürdigen Kunden behilflich ist, betrifft Deutschland in vielerlei Hinsicht. Zyperns niedrige Steuern ziehen Firmen an, die Gewinne verschieben wollen. Vermögen, das zum Beispiel in Deutschland erwirtschaftet wurde, wird dann nicht in Deutschland versteuert, sondern ganz legal in zyprische Firmen transferiert. Den Firmen bleiben größere Gewinne, dem deutschen Staat weniger Einnahmen. Die dem ZDF vorliegenden Daten aus Zypern geben auch Aufschluss über bislang unbekannte Investitionen sanktionierter Oligarchen in Deutschland.
Die Kritik an Zypern ist nicht neu. Was unternimmt das Land?
Wenig. In mehreren Fällen zeigen die Dokumente, dass zyprische Finanzdienstleister nach Einleitung eines EU-Vertragsverletzungsverfahren und selbst nach Beginn des Ukraine-Kriegs noch russische Oligarchen betreuten. Erst als Großbritannien und die USA im Frühjahr 2023 mehr als ein Dutzend Zyprer beziehungsweise zyprischer Finanzdienstleister sanktionierten, brach Hektik aus.
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Zyperns Präsident Nikos Christodoulides erklärte bei seinem Deutschland-Besuch im Mai 2023, alle Sanktionen umgesetzt zu haben. "Wir befinden uns auf der richtigen Seite der Geschichte. Und wir werden auf dieselbe Art und Weise fortfahren." Erst vergangene Woche betonte der Regierungssprecher Zyperns, Konstantinos Letymbiotis, es sei erklärte "Absicht der Regierung, bei der Umgehung von Sanktionen und Gesetzesverstößen keine Toleranz walten zu lassen und damit den Ruf des Landes als zuverlässiges Finanzzentrum zu wahren".
Cyprus-Confidential wurde vom ICIJ koordiniert. Was ist das?
Das International Consortium of Investigative Journalists ist eine internationale Vereinigung für investigative Journalisten mit Sitz in Washington D.C.. Ihr gehören weltweit etwa 300 Journalisten an, darunter die für das ZDF tätigen Frederik Obermaier und Bastian Obermayer. Die 1997 gegründete Non-Profit-Organisation finanziert sich durch Spenden.