Gerüchte über Doppelgänger:Das steckt hinter den Meldungen zu Putins Tod
von Sebastian Ehm
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Auf Telegram meldet ein reichweitenstarker Account, dass Putin tot sei und ein Doppelgänger das Ruder übernommen habe. Was als Fake News startet, dominiert bald das Netz.
Im März 2024 steht der Präsident zur Wiederwahl - und am Gesundheitszustand Putins gibt es nicht nur in Russland ein gewaltiges Interesse.
Quelle: AP
Der Telegram-Account, der sich selbst als General des russischen Auslandsgeheimdienstes SWR bezeichnet, hat 460.000 Abonnenten. Wer dahintersteckt, ist unklar, verifiziert ist der Kanal nicht. Doch die Nachricht, die am 26. Oktober dort verbreitet wird, schlägt ein wie eine Bombe.
Auf Telegram, auf der Plattform X und auch in Online-Medien wird die Nachricht aufgegriffen und ungefiltert ins Netz gejagt. Was richtig und was falsch ist, hinter welchem Account ein Mensch steckt und hinter welchem ein Bot, das ist in diesen Tagen längst nicht mehr klar. Nie waren so viel Falschinformationen im Umlauf wie jetzt. Da trifft eine Nachricht zu Putins Tod auf einen idealen Nährboden.
Früherer Moskauer Professor für Putin-Gerüchte verantwortlich?
Ein ehemaliger Professor des Moskauer Staatlichen Instituts für Internationale Beziehungen namens Waleri Solowej soll dem Kanal nahestehen. Zumindest benutzt dieser in seinen YouTube-Videos und Statements regelmäßig nur diesen einen Account als Quelle und verbreitet dessen teils wirre Nachrichten in andere Netzwerke.
Solowej hat mittlerweile seinen Job verloren und wird in Russland offiziell als ausländischer Agent geführt. Trotzdem lebt er immer noch unbehelligt in Moskau. Gerade deswegen glauben viele, dass der Professor mächtige Verbündete hat. Gerüchten zufolge könnte er auch dem Kreml nahestehen oder sogar von ihm gesteuert werden. Doch warum sollte der Kreml Gerüchte über Putins Tod streuen?
Vor Wahlen: Gerüchte um Gesundheitszustand Putins
In schöner Regelmäßigkeit tauchen vor den Präsidentschaftswahlen Gerüchte über einen verschlechterten Gesundheitszustand Putins auf. 2012 hatte der Präsident schlimme Rückenprobleme, 2018 ging es bereits um Krebs im fortgeschrittenen Stadium.
Laut dem Historiker Jewgeni Ponasenkow könnte der Kreml vor den Wahlen das Ziel haben, den Menschen vorzugaukeln, dass Putin sowieso krank sei und bald auf natürliche Weise sterben könnte. Demonstrieren oder sich auflehnen, lohne sich deswegen gar nicht. Es könnte, so Ponasenkow, auch ein Stresstest des Kreml sein, um zu sehen, wer aus dem politischen Establishment nach einer Nachricht über Putins schlechten Gesundheitszustand Maßnahmen ergreift.
Solowejs Aussagen über Putin immer absurder
Warum sich der Kreml dafür ausgerechnet den leicht verrückt anmutenden Professor Solowej ausgesucht haben soll, leuchtet indes nicht ein. Seit 2017 berichtet dieser vom schlechten Gesundheitszustand Putins und seiner baldigen Pensionierung. 2020 wurde es besonders wirr, als Solowej dem russischen Präsidenten Lepra und Parkinson andichtete. Am Ende der Eskalationsspirale angekommen, soll Putin jetzt also tot sein?
Der Kanal des selbsternannten Telegram-Generals ist sich auch eine Woche nach seiner ersten Meldung sehr sicher, dass Putin das Zeitliche gesegnet habe. Nikolai Patruschew, eigentlich Sekretär des Sicherheitsrates, regiere nun das Land. Der Putin, den man im Fernsehen sehe, sei ein Doppelgänger. Man kann sich mittlerweile auf dem Kanal sehr detailliert über den Alltag des Wladimir Putin 2.0 informieren:
"Liebe Abonnenten und Gäste des Kanals! Gestern ging der Doppelgänger des russischen Präsidenten Wladimir Putin seiner Lieblingsbeschäftigung nach – Treffen mit Gouverneuren. Die Zweitbesetzung fühlt sich sehr wohl im Umgang mit Menschen."
Verwirrspiel um Putins Gesundheit erst der Anfang
Dass der Telegram-Kanal des Generals nicht ganz in den luftleeren Raum sendet, beweisen Zahlen beim russischen Google-Pendant Yandex. Suchanfragen zu Putins Tod stiegen vergangene Woche um 3.000 Prozent an.
Kreml-Sprecher Peskow sah sich gezwungen, das zweite Mal binnen kürzester Zeit zu dementieren, dass Putin tot sei. Das sei eine absurde Falschinformation. Trotzdem könnte das Verwirrspiel um Putins Gesundheit erst der Anfang sein. Im März 2024 steht der Präsident zur Wiederwahl - und am Gesundheitszustand Putins gibt es nicht nur in Russland ein gewaltiges Interesse.
Sebastian Ehm ist ZDF-Korrespondent für Russland, den Kaukasus und Zentralasien
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