Grüne: Merz-Kampfansage nach AfD-Wahlsieg "strunzdumm"

    Auch aus der CDU kritische Töne:Grüne: Kampfansage von Merz "strunzdumm"

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
    |

    Es sollte ein Befreiungsschlag werden. Doch es ist ein Boomerang. Die Kampfansage von CDU-Chef Merz an die Grünen stößt nicht nur dort auf Kritik. Sondern auch in seiner Partei.

    Friedrich Merz, CDU-Bundesvorsitzender, nimmt am CDU-Bundesausschuss im Konrad-Adenauer-Haus teil.
    CDU-Vorsitzender Friedrich Merz polarisiert mit seiner Kampfansage an die Grünen.
    Quelle: dpa

    Sie bilden in sechs Bundesländern zusammen eine Regierung: CDU und Grüne. Doch jetzt hat der CDU-Parteivorsitzende Friedrich Merz die Grünen "auf absehbare Zeit" als Hauptgegner ausgemacht. Denn schließlich seien sie "dafür verantwortlich, dass diese Polarisierung in der Energiepolitik entstanden ist", so Merz. Sie hätten so den Wahlsieg der AfD in Sonneberg möglich gemacht. Bei den Grünen wundert man sich.
    Zumal Merz das ausgerechnet an dem Tag sagt, als man gerade ein Jahr schwarz-grüne Koalition Schleswig-Holstein in Kiel feierte. "Auf besondere Art originell", nennt Grünen-Landesvorsitzende Anke Erdmann den Zeitpunkt. Und:

    Die Merz-Parole ist strunzdumm.

    Anke Erdmann (Grüne)

    Al-Wazir: Populismus hilft nur Populisten

    Strategisch und politisch sei die Kampfansage unverständlich, so Erdmann zu ZDFheute. Merz' Aussage war eine Reaktion auf die Wahl des ersten AfD-Landrates im thüringischen Sonneberg. Gegenkandidat war ein CDU-Politiker, der in der Stichwahl die Proteststimmen gegen die Ampel-Koalition aber nicht auf sich vereinigen konnte.
    Bei "Markus Lanz" äußerte sich CDU-Politiker Jens Spahn zur Richtungsdebatte in seiner Partei.
    Markus Lanz vom 27. Juni 2023: Markus Lanz, Jens Spahn, Julia Löhr, Mojib Latif, Carlo Masala
    Zum Richtungsstreit in der CDU, der Diskussion um die Kanzlerkandidatur und zum Verhältnis der Union zur AfD.27.06.2023 | 75:08 min
    Merz zeige mit den Fingern auf andere, weil er offensichtlich auch nicht wisse, wie er mit dem Umfragehoch der AfD umgehen solle, glaubt Erdmann. "Das ist eine pure Panikreaktion." Und es sei die falsche Antwort:

    Gegen Rechtspopulisten hakt man sich unter, das heißt ja nicht, dass wir miteinander Händchen halten müssen.

    Anke Erdmann (Grüne)

    Der Co-Parteivorsitzende Omid Nouripour hatte am Dienstag im ZDF gesagt, dass man für Merz' Reaktion auf den AfD-Wahlsieg, wohl kaum den "Nobelpreis für Logik kriegt".
    Omid Nouripour
    Die Ampel wirke "nach außen zu verstritten", so der Grünen-Vorsitzende Omid Nouripour. Die Wahl des ersten AfD-Landrats sei aber ein Auftrag an alle fünf demokratischen Parteien, ihr Angebot zu verbessern. 27.06.2023 | 5:51 min
    Grünen-Spitzenkandidat und Hessens Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir, der mit der CDU in einer Regierung sitzt und im Herbst wiedergewählt werden will, hält die Aussage von Merz "für absurd". Das Spiel mit dem Populismus helfe nur den Populisten selbst. Richtig sei, so Al-Wazir zu ZDFheute, dass die Ampel-Koalition Konflikte "zukünftig nicht mehr auf offener Bühne" austrage. In der CDU tobe aber anscheinend gerade ein Richtungsstreit:

    Will die Union die Partei von Hendrik Wüst und Volker Bouffier oder von Friedrich Merz und Markus Söder sein? Diese Frage sollte die Partei möglichst schnell für sich und die Wählerinnen und Wähler beantworten.

    Tarek Al-Wazir (Grüne)

    Röttgen: Da läuft etwas schief

    Tatsächlich stößt die Strategie von Merz in der CDU nicht überall auf Applaus. Erst in der vorigen Wochen hatte sich die Partei durch die Diskussion um einen möglichen Kanzlerkandidaten eher zerrupft als geschlossen gezeigt. Die Erkenntnis seit Sonneberg, dass das seit Monaten anhaltenden Umfragehoch nicht unbedingt ins Kanzleramt führen muss, kommt nun noch hinzu.
    "Da läuft etwas schief", sagt Norbert Röttgen dem "Tagesspiegel", der mit Merz um das Amt des Parteivorsitzenden konkurriert hatte. Die CDU gebe derzeit "den Menschen nicht die Antworten auf die Probleme und Sorgen, die sie umtreiben."
    Der Thüringer CDU-Politiker Mike Mohring hält das Abladen der Schuld allein auf die Ampel ebenfalls für falsch. Die Union müsse besser kommunizieren, sagte er dem Sender n-tv: Für was steht die Union selbst, wenn sie in Regierungsverantwortung käme? "Die Klarheit fehlt."
    Und, so Bundestagsabgeordneter Roderich Kiesewetter auf Twitter: Die Grünen seien Mitbewerber in der Mitte, nicht Gegner:

    Mit wem wollen wir denn künftig sinnvoll koalieren? Brücken bauen!

    Roderich Kiesewetter (CDU)

    Gerhard Sager
    Auch der erste von der AfD gestellte Landrat müsse "einwandfrei rechtstaatlich" handeln und habe keinen Spielraum für bundespolitische Themen, so Gerhard Sager, Präsident des deutschen Landkreistages.27.06.2023 | 4:33 min
    Es ist die Verantwortung der politischen Mitte, sagt Politikwissenschaftler Karl-Rudolf Korte, wie sie auf die Radikalisierung der Ränder reagiert. Welche Tonalität setzt sie, welches Vokabular? Und dazu gehöre auch, dass man selbst Lösungen anbiete und "Transformationsängste mit Optimismus auflösen" sollte, so Korte, der an der Universität Duisburg-Essen lehrt.
    Damit lasse sich die Mitte mobilisieren. "Das Bashing der Grünen gehört nicht dazu." Wäre die Union für Wutbürger attraktiv, würde die AfD "zur Restgröße" schrumpfen, glaubt Korte:

    Das Schimpfen von Merz auf andere bestätigt AfD-Wähler in ihrer wahrgenommen Heimatlosigkeit im traditionellen Parteienwettbewerb.

    Karl-Rudolf Korte

    Spagat? In Baden-Württemberg alles "stabil"

    Mit dem Spagat zwischen Kritik und Kooperation haben aber nicht alle ein Problem. "Die Grünen in Badem-Württemberg sind nicht die Grünen im Bund", sagt der CDU-Landesvorsitzende Thomas Strobl zu ZDFheute. Seit sieben Jahren arbeiteten beide Parteien "sehr erfolgreich in der Regierung" zusammen, sogar "stabil, verlässlich, vertrauensvoll". Aber im Bund? Das "Heizungschaos" sei fernab jeder Lebenswirklichkeit. Weil man in Baden-Württemberg, so Strobl "mit und nicht gegen die Menschen" regiere, funktioniere die Zusammenarbeit.
    Und Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne)? Ist schon selbst auf Merz-Linie. Eine Ursache für den Erfolg der AfD sei die Performance der Ampel-Regierung, hatte er am Dienstag kritisiert. "So kann man nicht regieren, das müssen die sich jetzt auch mal merken."

    Mehr Hintergründe