Profiteurin der Unruhen?:Marine Le Pen gibt Präsidententraum nicht auf
von Christoph Piening
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Marine Le Pen ist ihrem Traum, französische Präsidentin zu werden, näher als je zuvor. Mit einem neu aufgestellten Rassemblement National wartet sie nur auf ihre Chance.
Sie hat den Rechtspopulismus in Frankreich neu erschaffen und zum politischen Mainstream gemacht. Ihre Partei ist seriöser und machthungriger als je zuvor. Wer ist Marine Le Pen?29.06.2023 | 13:37 min
Frankreich kommt in diesem Jahr nicht zur Ruhe.
Juni 2023: Nach dem Tod eines 17-Jährigen durch eine Polizeikugel kommt es in mehreren Städten tagelang zu gewaltsamen Protesten. Präsident Emmanuel Macron sieht sich gezwungen, den für Anfang Juli geplanten Staatsbesuch in Deutschland kurzfristig abzusagen. Die Bilanz der Unruhen: mehrere hundert Festnahmen und Verletzte, Sachbeschädigungen in Millionenhöhe.
März 2023: Frankreich im Ausnahmezustand. Als Emmanuel Macron verkündet, dass er das Renteneintrittsalter auf 64 Jahre anheben wird, ziehen Franzosen jeder Schicht protestierend auf die Straße.
Nutznießerin dieser Umstände: Marine Le Pen. Sie weiß, die Wut auf Macron zu verstärken. Würde Frankreich die Präsidentschaftswahl von 2022 heute wiederholen, hätte Le Pen laut Umfragen aus diesem Jahr gute Chancen, Frankreichs Präsidentin zu werden. Aber wer ist die Frau, die in Frankreich ein neues "Rechts" aufbaut?
Vater von Le Pen gründet schon rechtspopulistische Partei
Marine Le Pen kommt 1968 als Marion Anne Perrine Le Pen im schönen Pariser Vorort Neuilly-sur-Seine zur Welt. Nur vier Jahre nach ihrer Geburt gründet ihr Vater Jean-Marie Le Pen die rechtspopulistische Partei Front National.
Der Name Le Pen ist von nun an politisiert, Marine erfährt das mit gerade einmal acht Jahren schon am eigenen Leib: 1976 verüben Attentäter einen Anschlag auf das Haus der Le Pens. In der Folge wird ein Sicherheitsgürtel nur für die Le Pens errichtet.
Zur Zielscheibe wird die Familie auch, weil ihr Vater immer wieder mit geschichtsrevisionistischen und neofaschistischen Aussagen auffällt. Und trotzdem schafft er etwas, was ihm vorher niemand zugetraut hätte. Er kommt bei der Präsidentschaftswahl 2002 in die Stichwahl.
Marine hat aus den Niederlagen des Vaters gelernt
Frankreich stürzt in der Folge buchstäblich ins Chaos. Jeden Tag gehen mehr Menschen auf die Straße, um gegen Le Pen zu protestieren. Die Stichwahl verliert er mit gerade einmal 17,8 Prozent.
Eine herbe Niederlage, aus der Marine eine ganz entscheidende Lehre zieht. Wenn du es bis ganz nach oben schaffen willst, dann musst du anders auftreten als dein Vater: moderater, weniger radikal. Aber dafür muss sie erstmal an ihrem Vater vorbei, der schillernden Leitfigur der neuen Rechten Frankreichs.
2011 ist es dann so weit. Die Mitglieder des Front National wählen Marine Le Pen mit 67 Prozent zur neuen Parteivorsitzenden und unter ihr soll sich einiges ändern. Sie selbst nennt es "Entdämonisierung".
Alles radikal Wirkende muss aus Front National weichen
Der Front National soll von allem befreit werden, was an die laute, rechtsextreme Art des Vaters erinnert. Das fängt bei kleinen Dingen an: Marine Le Pen lässt sich gerne mit kleinen, süßen Katzen ablichten.
Aber auch im sprachlichen Duktus der Parteikader ändert sich etwas, so wird statt von "Rassen" nun von "Kulturen" gesprochen. Und Personen, die öffentlich Nazi-Symboliken zeigen, werden von der Partei ausgeschlossen. Der Parteiausschluss macht auch vor ihrem eigenen Vater nicht Halt. Zu groß ist die negative Konnotation, die er beim französischen Volk hervorruft.
Mit diesem neuen - weicheren - Front National will Marine zur Präsidentin werden. Eines ist dabei jedoch geblieben. Die Parole "Les Francais d’abord", also "Frankreich zuerst", bleibt das wichtigste Ziel.
Marine Le Pen stärkt Akzeptanz von rechtspopulistischen Positionen
Und der Erfolg gibt ihr Recht. Gleich zweimal schafft sie es in die Stichwahl bei der französischen Präsidentschaftswahl, und anders als bei ihrem Vater protestieren nicht Tausende Menschen auf Frankreichs Straßen.
Ziel der nächsten Präsidentschaftwahl fest im Blick
Marine Le Pen verliert mit 33,9 Prozent und 41 Prozent. Aber Jahr für Jahr steigt ihr Zuspruch in der Bevölkerung. Ihr neuester strategischer Schritt: Sie gibt 2022 den Parteivorsitz an Jordan Bardella ab. Der 27-Jährige ist ihr neuer großer Trumpf.
Er zieht völlig neue Wählergruppen zur nun umbenannten Rassemblement-National-Partei von Le Pen. Und während er die Partei leitet, hat Marine Le Pen Zeit, sich auf die Wahl 2027 vorzubereiten. Ob das klappt, bleibt offen - aber noch nie war sie dem Elyseé-Palast in den Umfragen näher als heute.
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