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EVP-Chef bei "Lanz":Weber: Definitiv kein EU-Beitritt der Türkei
von Pierre Winkler
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Der EVP-Vorsitzende Manfred Weber schließt einen EU-Beitritt der Türkei "auf Dauer" aus. Er hofft auf Zusammenarbeit mit Präsident Erdogan - und warnt ihn eindringlich.
Zur Situation in der Türkei nach der Wiederwahl Erdogans und den industrie- und energiepolitischen Herausforderungen Deutschlands, auch mit Blick auf die Expansionspolitik Chinas30.05.2023 | 75:11 min
Mit Recep Tayyip Erdogans Wahlsieg bleibt an der Spitze der türkischen Politik alles beim Alten. Und auch in der Beziehung zur Europäischen Union deutet sich nach der türkischen Präsidentschaftswahl eine weitere Verhärtung an. "Die Jahrzehnte, in denen wir jetzt dieser Fata Morgana der Vollmitgliedschaft nachgelaufen sind", hätten Türkei und EU voneinander entfremdet, so formulierte es Manfred Weber am Dienstagabend bei Markus Lanz.
Darum ist seine Antwort auf die Frage nach einer türkischen EU-Mitgliedschaft: "Definitiv nicht." Der Vorsitzende der EVP-Fraktion im EU-Parlament gehörte schon immer zu den Skeptikern bei diesem Thema. Und diesmal schloss er die Tür auch für die Zukunft:
Weber: EU-Identität berücksichtigen
In eine bloße Freihandelszone mit Europa könne man die Türkei durchaus aufnehmen. Die EU sei aber viel mehr als das: "Es gibt eine Identität, es gibt ein Zusammengehörigkeitsgefühl, und das müssen Politiker berücksichtigen, wenn sie diese Erweiterungsschritte gehen", sagte Weber.
Er erklärte: "Wenn ich heute in Hamburg auf die Straße gehe oder in München auf die Straße gehe und den Leuten die Frage stelle: 'Gehört das Kurdengebiet zu Europa?' Dann werden die Leute sagen: 'Ich will eine enge Zusammenarbeit, ich will viel Partnerschaft mit den Kurden. Aber kurz vor der irakischen Grenze, das ist nicht mehr Europa.'"
Weber bot dem frisch wiedergewählten Erdogan eine "enge Zusammenarbeit" und ein "neues Kapitel" an, aber eben dezidiert und dauerhaft außerhalb der EU.
Rolle der Religion für türkische Regierung
Offiziell laufen die Beitrittsverhandlungen der Türkei seit 2005. In den vergangenen Jahren unter Präsident Erdogan hatte es aber keine nennenswerten Fortschritte mehr gegeben. Erdogan habe seine Wählerbasis über Jahre hinweg stabilisieren können, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende.
"Religion hat eine Rolle gespielt in der Türkei im Wahlkampf", fuhr er fort. "Auch die Frage, wie geht man mit dem Westen um, mit den USA, Schweden, Nato, diese Fragen haben eine Rolle gespielt."
Kritik an türkischer Nato-Blockade
Bislang blockiert die Türkei den Beitritt Schwedens zur Nato. Als Begründung verweist die Türkei auf in Schweden lebende türkische Oppositionelle wie etwa den Journalisten Bülent Kenes.
Ankara bezeichnet diesen als Terroristen und fordert seine Auslieferung. "Ich erwarte, dass diese türkische neu gewählte Staatsführung jetzt das grüne Licht für Schweden gibt, ansonsten werden sich Grundsatzfragen stellen. Auch in wirtschaftlichen Kooperationen", sagte Weber.
Mit rund 67 Prozent haben die in Deutschland lebenden Türken Präsident Erdogan wiedergewählt. Warum verehren ausgerechnet viele Deutsch-Türken das als autoritär geltende Staatsoberhaupt?30.05.2023 | 2:05 min
Weber: "Verdammt stark als Europäische Union"
"Wir sind nach wie vor extrem wichtig für die Türkei. Und manchmal sollte man das auch zeigen, ohne dass ich jetzt drohen will, aber ich will schon deutlich machen: Wir sind verdammt stark als Europäische Union." 42 Prozent der türkischen Exporte hätten die EU als Ziel. Webers Botschaft an den türkischen Präsidenten lautete:
Er wünsche sich aus Sicht der EU, "dass wir unsere Macht, die wir haben, auch durchaus einsetzen und nicht immer nur der 'Nette' sind".
Europa müsse mit der Türkei "Klartext reden" und sagen: "Wir erwarten von euch ein gewisses Verhalten, weil ansonsten werden die Beziehungen auch in anderen Bereichen belastet."
EVP-Chef fordert mehr Selbstbewusstsein
Ähnliches Selbstbewusstsein forderte Weber auch in Sachen EU-Mercosur-Abkommen: "Jetzt liegt ein ausgehandeltes, ein fertiges Handelsabkommen zwischen der EU und Südamerika, 800 Millionen Verbraucher, Konsumenten, auf dem Tisch. Und wir streiten im Europäischen Parlament, wie wir damit umgehen sollen", sagte er. "Meine Partei sagt: Hand ausstrecken, Partnerschaft."
Europa werde seinen Wohlstand nicht halten können, wenn es Handelsverträge nicht "pragmatisch" aushandele. "Deswegen sage ich ausdrücklich: Lasst uns jetzt Handelspolitik nutzen und lasst uns gegen die Putins und Xis dieser Welt eine Freihandelszone des Westens, der Freiheit, der Demokratie aufbauen", mahnte Weber.
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