SPD-Politiker Roth bei Lanz: AfD-Wähler verachten Demokratie

    SPD-Politiker bei "Lanz":Roth: AfD-Wähler verachten Demokratie

    von Pierre Winkler
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    Nach dem jüngsten AfD-Umfragehoch zeigt sich Michael Roth "angefasst". Er sieht vor allem unter Ostdeutschen Demokratiedefizite. Der Thüringer Landrat Werner Henning wehrt sich.

    Markus Lanz vom 5. Juli 2023: Markus Lanz, Michael Roth, Anne Hähnig, Werner Henning, Sarah Pagung
    Über das Erstarken der AfD, die Entwicklung des Kriegs in der Ukraine und die Lage nach dem Putschversuch von "Wagner"-Chef Prigoschin05.07.2023 | 76:33 min
    In mehreren bundesweiten Umfragen lag die AfD zuletzt bei 20 Prozent und damit vor allen Ampelparteien. Ein Umstand, der Michael Roth umtreibt. "Ich bin angefasst", sagt der SPD-Bundestagsabgeordnete am Mittwochabend bei Markus Lanz.
    Er sei in einem Deutschland groß geworden, das "sensibel gegenüber Nationalismus, Demokratieverachtung, Populismus" sei. Das werde nun infrage gestellt, vor allem in bestimmten Teilen der Republik.
    Experten sehen wachsende Unzufriedenheit mit der Politik im Osten Deutschlands:

    Roth: Im Osten wählen doppelt so viele Menschen AfD

    "Klar ist das ein ganz gesamtdeutsches Phänomen, aber wir müssen schon zur Kenntnis nehmen, warum wählen ungefähr doppelt so viele, prozentual gesehen, in Ostdeutschland die AfD wie in Westdeutschland", sagt Roth. Er habe darauf "keine abschließende Antwort", machte aber klar: "Dieser Automatismus, 'Wir müssen uns jetzt stärker kümmern, wir müssen zuhören, wir müssen uns der Sorgen annehmen,'" habe bei AfD-Wählern nicht funktioniert.

    Ich finde, dass wir uns dieser bitteren Wahrheit stellen müssen, dass es offensichtlich in ganz Deutschland, und in einigen Teilen Deutschlands offenkundig mehr, eine verfestigte Verachtung gegenüber Demokratie gibt, eine Geringschätzung der Freiheit.

    Michael Roth, SPD

    ZDFheute live
    Die AfD erobert im thüringischen Sonneberg erstmals ein Landratsamt. Holt sie jetzt noch weitere Spitzenämter?26.06.2023 | 32:26 min
    ZDFheute live analysiert, was der jüngste Erfolg der AfD in Thüringen für die Partei bedeutet:

    "AfD-Wähler wollen AfD in machtvolle Positionen"

    Die Journalistin Anne Hähnig will das Argument jedoch nicht gelten lassen, die deutsche Politik habe zu viel Verständnis für AfD-Wähler. "Ich finde, da blenden Sie etwas aus. Eine gewisse Wählerbeschimpfung gibt es ja, seit es die AfD gibt", sagte sie zu Roth. "So wie ich AfD-Wähler kenne, die wollen gar nicht, dass Sie sich jetzt unbedingt therapeutisch über die beugen und sagen: 'Was fehlt euch denn?' Sondern die wollen die AfD in machtvollen Positionen."
    Auch Werner Henning hat einen etwas anderen Blick auf die Wähler der AfD. Der CDU-Politiker ist seit 1994 Landrat des Landkreises Eichsfeld in Thüringen und berichtet bei Lanz von seinen alltäglichen Erfahrungen. Roth urteile "natürlich doch sehr stark" aus einer "rationalen Position". Was in Ostdeutschland passiere, sei aber nicht immer rein rational zu betrachten. "Die AfD drängelt sich mit ihren Themen in einer unverschämten Art in die kommunale Landschaft hinein. Ich erlebe es permanent im Kreistag", sagt Henning.
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    CDU-Politiker Spahn mahnt zu Besonnenheit gegenüber AfD-Wählern:

    Landrat Henning hat mit AfD zu kämpfen

    Er müsse permanent darauf hinweisen, dass ein Kreistag kein Parlament sei. "Und vor jeder Kreistagssitzung bekomme ich eine lange Latte an Fragen, alles zu Themen, die den Landkreis als Gebietskörperschaft überhaupt nicht berühren", sagte er. Das seien "große Themen, Flüchtlinge natürlich" sowie andere "bundes- und landespolitische Themen".
    Ähnlich sei es auch im thüringischen Sonneberg gelaufen, wo die AfD nach einem Wahlkampf mit bundespolitischen Themen jetzt zum ersten Mal einen Landrat stelle. Die Leute dort seien "dem Etikettenschwindel erlegen gewesen. Dort kommen Leute und erklären permanent: 'Wir können die Welt aus den Angeln heben, wenn ihr uns als AfD wählt.'"
    AfD-Politiker Robert Sesselmann mit Björn Höcke und Tino Crupalla
    52,8 Prozent für Robert Sesselmann von der AfD in der Stichwahl ums Landratsamt. Wie konnte der Partei, die in Thüringen als "erwiesen rechtsextrem" gilt, dieser Sieg gelingen? Spurensuche in Sonneberg.17.06.2023 | 14:04 min
    Warum die AfD besonders in Ostdeutschland derzeit so viel Zulauf erhält:

    Roth: Keine einfachen Lösungen

    Alles Herausforderungen, die Roth zu der Aussage bringen: "In einer globalisierten Welt, und das ist das, was die AfD für viele attraktiv macht, kann ich mich nicht hier hinstellen und einfache, schnelle, umfassende Lösungen versprechen."
    Eines ist für ihn trotzdem klar: "Ich habe überhaupt nicht den Anspruch, moralisch besser zu sein, weil ich Sozialdemokrat bin. Ich erhebe mich nicht, ich weise nur auf die Konsequenzen hin. Und deswegen lehne ich zum Beispiel auch ein Verbotsverfahren" für die AfD ab. Wer das "Problem der AfD" sowie "Nationalismus und Demokratieverachtung" in den Griff bekommen wolle, "wird es nicht über ein Verbotsverfahren schaffen".

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