Uni Leipzig: Hälfte im Osten will eine "starke Partei"

    Studie der Universität Leipzig:Hälfte im Osten will eine "starke Partei"

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    Viel Ostdeutsche fremdeln laut einer Studie mit der Demokratie. Die Umfrage belegt hohe Zustimmungswerte zu rechtsextremen Aussagen. Ein Viertel fühlt sich als Verlierer der Wende.

    Ein blaues Herz und der Schriftzug AfD sind mit Kreide auf eine Straße gemalt am Tag der Stichwahl des Landrats im Landkreis Sonneberg.
    In Ostdeutschland ist die Unzufriedenheit mit der Demokratie im Alltag groß. Ein Studienergebnis der Uni Leipzig zeigt ein erhebliches Wählerpotential für rechte Parteien.28.06.2023 | 1:52 min
    Die deutliche Mehrheit der Ostdeutschen kann sich mit der Demokratie als Idee identifizieren, allerdings ist bloß weniger als die Hälfte zufrieden damit, wie sie diese im Alltag erlebt. Das ergab eine repräsentative Befragung des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts der Universität Leipzig.
    Fast zwei Drittel (64,6 Prozent) der Ostdeutschen halten es demnach für sinnlos, sich politisch zu engagieren.



    Ostdeutsche haben Gefühl der politischen Einflusslosigkeit

    Mehr als drei Viertel (77,4 Prozent) gehen davon aus, ohnehin keinen Einfluss darauf zu haben, "was die Regierung tut". Die Identifikation als Ostdeutsche ist hoch, die Bilanz der Wende durchwachsen.
    Studienleiter Prof. Dr. Oliver Decker fasste ein zentrales Ergebnis zusammen:

    Ein Viertel fühlt sich als Verlierer der Wende, nicht mal die Hälfte möchte sich als Gewinner bezeichnen. Rückblickend ist die Zufriedenheit unter den Befragten mit ihrem Leben in der DDR hoch.

    Prof. Dr. Oliver Decker, Studienleiter

    Dieser Rückblick auf die DDR hängt nicht zuletzt mit dem Wunsch nach einer Einparteiendiktatur zusammen, wie es die hohe Zustimmung zur Forderung nach "einer einzigen starken Partei, die die Volksgemeinschaft verkörpert" verdeutlicht.
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    Rechtsextreme Einstellungen weit verbreitet in Ostdeutschland

    Diese Ergebnisse zeigen, sagt Decker, dass extrem rechte Parteien mit ihren ideologischen Angeboten zahlreiche Anknüpfungspunkte in die Breite der Bevölkerung haben. Konsequenterweise finden sich unter den Anhängern der AfD auch die meisten Menschen mit rechtsextremen Einstellungen, so Decker.
    Als weiteres Ergebnis stellen die Autoren hohe Zustimmungswerte zu rechtsextremen und migrationskritischen Aussagen und Chauvinismus fest. Solche Einstellungen seien seit 30 Jahren im Wesentlichen stabil, heißt es in der Studie.

    Der AfD ist es gelungen, das extrem rechte Wählerpotential an sich zu binden. Und sie hat noch ein großes Reservoir, z.B. mit Blick auf die Nichtwähler.

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    Jeder Zweite in Ostdeutschland wünscht sich "starke Partei"

    Laut der Umfrage stimmt jeder Zweite in den ostdeutschen Ländern der Aussage zu, dass Deutschland eine "starke Partei" brauche, die die "Volksgemeinschaft" insgesamt verkörpere. Die Forscher ermittelten hier Werte von 26,3 Prozent mit einer manifesten Zustimmung und 24,9 Prozent mit einer latenten Zustimmung.
    14 Prozent fanden die Aussage richtig: "Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert".
    Studienleiter Elmar Brähler betonte:

    Statt pluralistischer Interessenvielfalt wird eine völkische Gemeinschaft gewünscht.

    Prof. Dr. Elmar Brähler, Studienleiter

    Hohes Maß an Ausländerfeindlichkeit

    41,3 Prozent stellten sich voll und ganz hinter die Aussage: "Die Ausländer kommen nur hierher, um unseren Sozialstaat auszunutzen" und 36,6 Prozent hinter den Satz: "Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet."
    Hinzu kamen jeweils weitere Befragte, die diese Aussagen zum Teil unterstützten - die Autoren sprechen von einer "latenten Zustimmung".
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    Decker: Viele Menschen wünschen sich "autoritäre Staatlichkeit"

    Studienleiter Oliver Decker erklärte: "Unsere Untersuchung zeigt, dass sich derzeit viele Menschen in den ostdeutschen Bundesländern nicht mehr demokratische Teilhabe und Sicherung der demokratischen Grundrechte wünschen, sondern die scheinbare Sicherheit einer autoritären Staatlichkeit."
    Die Sehnsucht nach der DDR sei ausgeprägt, zwei Drittel teilen sie. Drei Viertel fühlten sich als Ostdeutsche. Viele fühlen sich aber auch als Deutsche und als Bürger der Bundesrepublik, mehrere Identitäten können also parallel zueinander existieren.

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    Quelle: epd, ZDF, dpa

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