Nach BVerfG-Urteil: Kann ein "Klimanotstand" jetzt helfen?
Nach dem Wumms aus Karlsruhe:Kann ein "Klimanotstand" jetzt helfen?
von Michael Wiedemann
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Nach dem Haushaltsurteil des Bundesverfassungsgerichts fordern einige das Ausrufen des "Klimanotstandes". Ein Verfassungsrechtler hält das für "völlig verantwortungslos".
Den Klimanotstand ausrufen - wie sinnvoll ist das?
Quelle: dpa
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom vergangenen Mittwoch hat weitreichende Konsequenzen: 60 Milliarden Euro weniger für das Sondervermögen "Klima- und Transformationsfond". Geplante Investitionen in den Ausbau der Erneuerbaren Energien, der Förderung der Energieeffizienz, Hilfen für den Kohleausstieg und der Entwicklung der Wasserstofftechnologie, können jetzt erstmal nicht umgesetzt werden. Manche wollen deshalb jetzt den "Klimanotstand" ausrufen.
Das meinte Prof. Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) laut "taz" am Tag nach dem Urteil des BVerfG. Und suggeriert damit, das Ausrufen des "Notstandes" könne geltendes Verfassungsrecht kippen.
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"Völlig verantwortungslos", meint dazu Kyrill A. Schwarz, Professor für Öffentliches Recht der Uni Würzburg. "Klimanotstand ist juristisch kein verbindlicher, oder normativer Begriff, sondern eher ein politischer", so der Experte für Verfassungsrecht.
Zunächst Kampfbegriff der Klimaaktivisten
Der Begriff stammt eigentlich vom englischen "Climate Emergency" und wurde schon 2009 als Protest-Slogan von Klimaaktivisten in Australien verwendet. In seiner deutschen Übersetzung erinnert er an die Notstandsgesetzgebung der ersten Großen Koalition, Ende der 1960er-Jahre. Gedacht sind diese - damals sehr umstrittenen Gesetze - für unvorhersehbare Krisensituationen des Staates, wie Krieg, Aufstand, oder Naturkatastrophen.
Die Klimakrise sei dagegen etwas völlig anderes, so Prof. Schwarz. Seit vielen Jahren bekannt, konnte man sich auch viele Jahre auf ihre möglichen Auswirkungen vorbereiten. Jetzt durch einen vermeintlichen "Klimanotstand" geltendes Recht - Veränderungen der Bestimmungen zur Schuldenbremse erfordern immerhin eine Zweidrittelmehrheit - außer Kraft setzen zu wollen, hält Schwarz für "völlig ungerechtfertigt".
Weltweit erklären Städte "Klimanotstand"
Doch obwohl die Erklärung des "Klimanotstands" juristisch gesehen keine unmittelbar bindende Wirkung hat, machte der Begriff spätestens seit 2017 weltweit Karriere. Das australische Darebin erklärte als erste Stadt formell den "Klimanotstand", wenig später verbreitete der "Club of Rome" den Begriff in seinem "Climate Emergency Plan".
Es folgten das Europäische Parlament, mehrere nationale Parlamente und Kommunalverwaltungen in 40 verschiedenen Ländern weltweit. Auch in Deutschland. Mindestens 74 Städte und Kommunen haben hierzulande für sich den "Klimanotstand" erklärt. Wie Wuppertal, das Ende März letzten Jahres knapp die "Resolution zur Ausrufung des Klimanotstands" mit 12 zu 10 Stimmen angenommen hat.
Für Ulrike Schmidt-Keßler, Sprecherin der Stadt, ist klar, dass dieser Beschluss nur symbolischen Charakter hat und eher die Dringlichkeit markieren soll, die klimatischen Auswirkungen kommunalen Handelns im Blick zu haben und nachhaltigere Möglichkeiten zu bevorzugen.
Wirklich einklagbar seien bestimmte Entscheidungen dazu nicht, aber "es rüttelt auf". Allerdings seien die konkreten Erfahrungen der Bevölkerung, beispielsweise mit dem Hochwasser der Wupper, oder dem Trockenstress der städtischen Grünanlagen, für das Verständnis der Problematik bei den Einwohnern deutlich wirksamer als der Entscheid der Stadt.
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