Wo überall für das Klima geklagt wird

    Klimaschutz vor Gericht:Wo überall für das Klima geklagt wird

    von Jan Henrich und Nico Kellner
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    Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte verhandelt seit heute eine Klage junger Portugiesen. Es ist nicht das einzige Verfahren, bei dem Klimaschutz vor Gericht steht.

    Sie wollen 32 Staaten zu größeren Anstrengungen im Klimaschutz zwingen. Deshalb hat eine Gruppe von sechs jungen Portugiesen im Alter zwischen elf und 24 Jahren einen Prozess vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) angestrengt. Aufsehen erregt das Verfahren auch wegen seiner Größe: Die beklagten Länder lassen sich von über 80 Anwälten vertreten.
    Die Kläger selbst sprechen von einem der größten Gerichtsverfahren zum Klimaschutz. Es ist aber nicht das einzige Klimaklageverfahren, mit dem sich Gerichte aktuell beschäftigen.

    Klima-Senioren aus der Schweiz klagen auch

    Ebenfalls vor dem EGMR läuft momentan das Verfahren der "Klimaseniorinnen Schweiz". Der Zusammenschluss Schweizer Rentnerinnen fordert mit Unterstützung von Greenpeace mehr staatliches Engagement für das Klima. Die Klägerinnen argumentieren, dass sie als ältere Frauen durch Hitzewellen stärker gefährdet und demnach in ihren Grundrechten verletzt seien.
    Welche unmittelbaren Auswirkungen Urteile in den beiden Verfahren haben könnten, ist allerdings offen. Der Gerichtshof in Straßburg stellt in der Regel fest, ob eine Rechtsverletzung vorliegt. Wie diese konkret beseitigt wird, liegt allerdings meist in der Hand der betreffenden Staaten.
    Bislang besteht in der Europäischen Menschenrechtskonvention zudem kein explizites Recht auf eine saubere Umwelt. Die Verfahren stützen sich daher auf andere Menschenrechte, die die Kläger durch Umweltverschmutzung und Klimawandel gefährdet sehen - etwa das Recht auf Leben.

    Klima-Urteil des Bundesverfassungsgerichts

    Schon im Frühjahr 2021 hatte sich das Bundesverfassungsgericht in einem wegweisenden Urteil mit dem Klimaschutz befasst. Eine Gruppe um Klimaaktivistin Luisa Neubauer (Grüne) hatte gegen das Klimaschutzgesetz des Bundes geklagt.
    Das Gesetz wurde von den Karlsruher Richtern als teilweise verfassungswidrig angesehen, da es keine Maßnahmen über das Jahr 2030 hinaus vorsah. Freiheitsrechte seien zudem eingeschränkt, wenn die Last, mit dem Klimawandel umzugehen, immer weiter in die Zukunft geschoben würde.

    Peruanischer Bauer gegen deutschen Energiekonzern

    Der Trend, mit Klagen Klimaschutz einzufordern, zeigt sich auch in Verfahren gegen Unternehmen. Am Oberlandesgericht Hamm läuft derzeit die Beweisaufnahme in einem Fall, eines peruanischen Bauern, dessen Haus durch einen schmelzenden Gletscher bedroht ist. Da er den Energiekonzern RWE in der Mitverantwortung für den Klimawandel sieht, verlangt er von diesem, Maßnahmen zu finanzieren.
    • Interview mit Klima-Anwältin Rode Verheyen: "Die Umwelt selbst kann sich nicht schützen"
    2021 hatte ein niederländisches Gericht in einem Verfahren gegen den Ölkonzern Shell geurteilt, das Unternehmen müsse seine CO2-Emissionen bis zum Jahr 2023 um 45 Prozent reduzieren. Einige Klimaklagen sind in der Vergangenheit aber auch gescheitert. So etwa Verfahren gegen Autohersteller.

    Verfahren gegen "Klimaneutral"-Labels

    Auch gegen sogenanntes "Greenwashing" wird zunehmend juristisch vorgegangen. Das Landgericht Karlsruhe hatte unlängst der Drogeriemarktkette dm untersagt, auf einigen Produkten das Label "klimaneutral" zu platzieren. Die Artikel seien selbst nicht klimaneutral hergestellt. Kompensationszahlungen für entstandenes CO2 seien für eine entsprechende Werbung demnach nicht ausreichend. Das Unternehmen hat gegen die Entscheidung Berufung eingelegt.
    Auch ein Verfahren der Deutschen Umwelthilfe gegen die Werbung mit "klimaneutralem Heizöl" durch den Konzern Total Energies hatte Anfang des Jahres Erfolg gehabt.
    • Was "klimaneutral" umfasst - und was nicht
    Ob die portugiesischen Kläger vor dem EGMR an bisherige Erfolge in juristischen Auseinandersetzungen um den Klimaschutz anknüpfen können, ist noch unklar. Zum heutigen Verhandlungsauftakt findet zunächst eine Anhörung statt. Ein Urteil wird erst im nächsten Jahr erwartet.

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    Jan Henrich und Nico Kellner sind Redakteure der ZDF-Redaktion Recht und Justiz.

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