Streit um Kindergrundsicherung lange nicht beendet

    Streit um Kindergrundsicherung:Mit freundlichen Grüßen, Olaf Scholz

    Kristina Hofmann
    von Kristina Hofmann
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    Die Kindergrundsicherung kommt – ach ja? Die Vorstellungen in der Koalition liegen weit auseinander. Nach Einigung klingt das alles nicht. Eher nach dem Verschieben bis zum Herbst.

    Am Ende ziehen sie noch einmal alle ihre Register: Der SPD-Kanzler schreibt einen Brief. Die FDP tritt nach. Und die Grünen hören nur das, was sie hören wollen. Mit einem Schein-Kompromiss hat sich die Bundesregierung auf die Kindergrundsicherung geeinigt.
    Damit hat sie vor allem erreicht, dass am Mittwoch das Kabinett den Haushalt für nächstes Jahr verabschieden kann. Die Grünen hatten mit einem Boykott gedroht: Ohne Kindergrundsicherung keine Zustimmung zum Haushalt. Nun wollen sie es nicht mehr blockieren, heißt es.
    Dabei ist die Einigung eigentlich keine.

    Scholz will Alternativen zu Leistungsverbesserung

    Die Grünen berufen sich auf den Brief, den Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag an Bundesfamilienministerin Lisa Paus abgeschickt hat. Ungewöhnlich genug, dass er sie nicht einfach anruft, sondern an die "Sehr geehrte Frau Bundesministerin" schreibt und ihr gleich noch einen detaillierten Aufgabenkatalog mitgibt.
    Dieser Brief, der dem ZDF vorliegt, soll natürlich nicht geheim bleiben, sondern gleich mehrere Zeichen setzen. Zum Beispiel an die FDP: Wir wollen die Kindergrundsicherung wirklich. Und an die Grünen und Ministerin Paus: Alles geht eben nicht, schon gar nicht zwölf Milliarden Euro mal eben so.
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    Zwei Milliarden Euro als Platzhalter im Haushaltsentwurf

    Die Zahl hatte Paus in den Raum geworfen, aber nie genau begründet, warum diese Summe nötig ist. Bis heute fehlen detaillierte Vorstellungen, die die Summe rechtfertigen. In dem Haushaltsentwurf für kommendes Jahr sind lediglich zwei Milliarden Euro als eine Art Platzhalter eingesetzt. Die Frage ist nun: Soll es dabei bleiben, wenn die Kindergrundsicherung tatsächlich möglicherweise 2025 eingeführt wird, oder ist mehr drin?
    Kanzler Scholz betont in dem Schreiben: "Es besteht Einvernehmen", dass die Kindergrundsicherung am Ende der Sommerpause beschlossen werden soll. Sprich: Auch die FDP hat zugestimmt. Bis Ende August soll Paus "zügig" einen "innerhalb der Bundesregierung geeinten Referentenentwurf" vorlegen.
    Kinder und Familien sollen mehr Geld bekommen, also: Leistungsverbesserungen ja, aber Paus solle "Alternativen erarbeiten": eine für den Kindersofortzuschlag, eine für das Existenzminimum, eine für den Pauschalbetrag des Bildungs- und Teilhabepakets.

    Auch hier bitte ich, Varianten aufzuzeigen.

    Olaf Scholz (SPD), Bundeskanzler

    Dann bitte "möglichst zeitnah" mit dem Bundesfinanzministerium abstimmen, damit ein Entscheidung Ende August "realisiert werden kann", mit freundlichen Grüßen, schreibt Scholz.

    Mützenich: Es geht weniger ums Geld

    Selbst in der SPD hält man den Brief für etwas komisch. Oder wie es Fraktionschef Rolf Mützenich ausdrückt: für einen "etwas ungewöhnlichen Vorgang". Am Mittel selbst zweifelt er nicht: Er stelle die ganze Diskussion "vom Kopf auf die Füße". Denn auch die SPD hält die zwölf Milliarden von Paus für überzogen.
    Erhöhung des Kindergeldes, Erhöhung des Kinderzuschlags – viel sei schon passiert, sagt auch Parteivorsitzende Saskia Esken am Morgen in der ARD. Im Grunde seien also schon sechs Milliarden Euro mehr für Kinder ausgegeben worden. Mützenich kommt sogar auf bis zu sieben Milliarden.
    Überhaupt sei die Bekämpfung der Kinderarmut "keine finanzielle, sondern eine strukturelle Frage", so Mützenich. "Denn zum Beispiel der Kinderzuschlag wird nur ein Bruchteil von denjenigen abgerufen, die ihn eigentlich bekommen müssten. Die Verfahren sind zu kompliziert. Darum gehe es jetzt. Was dann finanziell noch möglich ist, werden wir uns dann genau anschauen."

    FDP: Wie wäre es mit weniger PR?

    Damit ist die SPD näher an der FDP als an den Grünen. Die Liberalen nämlich halten von Mehrausgaben wenig bis nichts. Fraktionschef Christian Dürr sagt im ZDF:

    Über Mehrbedarf zu sprechen, wo alle den Gürtel enger schnallen müssen, halte ich für falsch.

    Christian Dürr (FDP)

    Das Gesetz zur Kindergrundsicherung Ende August zu beschließen, sei "durchaus realistisch". Aber Leistungsverbesserung? Da sei er "skeptisch". Vielmehr müsse es doch um mehr Digitalisierung der Prozesse gehen, damit die Leistungen zu denen kommen, die sie brauchen. Das müsse Paus nun machen, und da "helfen wir gerne", so Dürr.

    Finanzminister Lindner will Elterngeld kürzen

    Vorschläge, wie Paus in ihrem Etat selbst Reserven schaffen kann, hat die FDP auch. Finanzminister Christian Lindner schlug die Halbierung der Bemessungsgrenze beim Elterngeld von 300.000 auf 150.000 Euro vor.
    Das lehnen die Grünen ab, weil Doppelverdiener-Familien die Geschädigten wären. Lindner legt auf Twitter nach: Wenn Paus davon nicht überzeugt sei, "dann kann und sollte sie ihren Konsolidierungsbeitrag in anderer Weise erbringen":

    Tweet von Christian Lindner

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    Fraktionschef Dürr hat auch noch eine Idee: Paus‘ Ministerium habe im neuen Haushalt angeblich seinen "PR-Anteil", also die Öffentlichkeitsarbeit "um 240 Prozent" erhöht und außerdem gebe es neue Seminare. "Da kann man kürzen", findet Dürr.

    Grüne: Hauptsache Leistungsverbesserung

    Und die Grünen? Sind nach außen hin eigentlich ganz zufrieden. Der Brief, so wird es gewertet, sei ein klares Bekenntnis von Kanzler Scholz, dass er zur Kindergrundsicherung steht. So sagt es Ministerin Paus am Montagabend in der ARD.
    Fraktionschefin Katharina Dröge wiederholt es am Dienstag. Er habe sich damit klar an die Seite der Ministerin gestellt. Beide sehen in dem Brief von Scholz das Wort Leistungsverbesserung. "Das ist jetzt klar", sagt Dröge.

    Bundeshaushalt liegt in der Hand des Bundestags

    Und wie viel soll das jetzt nun kosten? Zwei oder zwölf Milliarden Euro? Jeder, sagt Dröge, der sich mit der Kindergrundsicherung beschäftige, "weiß, dass Leistungsverbesserungen nicht für zwei Milliarden Euro darstellbar sind".
    Noch wichtiger als die Zahl sei daher die Verständigung auf das Gesetz selbst. Alles andere werde sich daraus ergeben. Vielleicht mit der Konsequenz, das Elterngeld zu kürzen? Dröge sagt zu Lindners Idee: "Aus gleichstellungspolitischer Sicht ist das nicht der beste Vorschlag, den er machen konnte, aber das werden wir weiter diskutieren".
    Oder auch nicht. Der Haushalt wird zwar vom Kabinett der Bundesregierung beschlossen. Am Ende entscheidet der Bundestag. "Spekulationen", sagt SPD-Fraktionschef Mützenich, wo gekürzt werden könne, "helfen überhaupt nicht". Der Bundeshaushalt liege ab morgen "in der Hand des Bundestages und nicht mehr in der von einzelnen Ministerinnen oder Ministern".

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