Klimaneutrale Wärmewende: Wo kommt eigentlich Fernwärme her?
FAQ
Bund will Wärmewende ankurbeln:Wo kommt eigentlich Fernwärme her?
von Isabel Handrich
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Fernwärme kommt gar nicht aus der Ferne, sondern ist ein regionales Energieprodukt. Die Politik will sie als klimafreundliche Wärme-Alternative nutzen - kann Fernwärme das leisten?
Wie ökologisch Fernwärme ist, kommt auch darauf an, was der ursprüngliche Energieträger war.
Quelle: dpa
Was ist Fernwärme?
Fernwärme ist - einfach gesagt - Wärme, die an anderer Stelle entsteht, Wasser erhitzt und dann durch ein Rohrsystem in den jeweiligen Haushalt gelangt. Sie entsteht in Kraft- oder Heizwerken. Der Brennstoff kann ganz unterschiedlich aussehen.
Damit unterwegs möglichst wenig Wärme verloren geht, sind die Rohre isoliert. Sie können unterirdisch, aber auch überirdisch und damit gut sichtbar verlaufen. Die Fernwärmestation (oder Hausübergabestation) der jeweiligen Immobilie regelt, welche Menge an Wärme abgenommen wird, passt die Temperatur gegebenenfalls an und sorgt dafür, dass das kalte Wasser wieder zum Kraftwerk zurückgelangt.
Wie ökologisch ist Fernwärme?
Wie ökologisch Fernwärme ist, hängt maßgeblich damit zusammen, woraus sie sich speist. Eine Möglichkeit sind fossile Energieträger wie Kohle und Gas. So entsteht beispielsweise in Kohlekraftwerken bei der Stromerzeugung ohnehin Wärme als "Nebenprodukt". Diese kann zur Warmwasseraufbereitung genutzt werden. Man spricht dann von einer Kraft-Wärme-Kopplung, kurz KWK.
Wirtschaftsminister Robert Habeck und Bauministerin Klara Geywitz treffen sich am heutigen Montag mit Vertretern der Wirtschaft und der Kommunen. Von dem Gespräch soll ein "deutliches Aufbruchssignal" für den klimaneutralen Um- und Ausbau der Fernwärmeversorgung gesendet werden, wie es vorab hieß. Hintergrund ist der Plan, Gas und Kohle durch Ökoenergie zu ersetzen, um den Klimawandel zu bremsen.
Der Umbau ist ein wichtiger Teil der Energiewende: Mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs in Deutschland geht auf den Wärmesektor zurück. Die Pläne der Bundesregierung sehen vor, dass von Anfang 2024 an möglichst jede neueingebaute Heizung zu mindestens 65 Prozent mit Öko-Energie betrieben wird. Die Ampel-Koalition ringt darum, das umstrittene Heizungsgesetz noch vor der Sommerpause durchs Parlament zu bringen.
Quelle: dpa
Deutlich klimafreundlicher ist Wärme, die bei der Erzeugung von grüner Energie wie Biogas oder Holz freigesetzt wird - also erneuerbare Fernwärme.
Darüber hinaus kann Fernwärme auch durch Abwärme entstehen - also Energie, die beispielsweise bei der Müllverbrennung oder in der Industrie entsteht - oder durch Großwärmepumpen generiert werden.
Die Arbeitsgemeinschaft Fernwärme (AGFW) veröffentlicht als Branchenverband regelmäßig Zahlen zum Thema Fernwärme, die aktuellsten beziehen sich auf das Jahr 2020. Demnach waren 30 Prozent der Fernwärmeerzeugung klimaneutral, der große Rest stammte überwiegend aus der Verbrennung von Gas.
Allerdings, so die AGFW, habe die Gaskrise gezeigt, dass viele Fernwärmeversorger 2022 kurzfristig ihren Gasbedarf "deutlich reduzierten" und die Wärme stattdessen mit anderen Brennstoffen erzeugten.
Thomas Engelke, Teamleiter Energie und Bauen beim Verbraucherzentrale Bundesverband, im Gespräch13.06.2023 | 4:53 min
Kann jeder Fernwärme beziehen?
Grundsätzlich kann Fernwärme nur da ankommen, wo es ein Fernwärmenetz gibt. Dies setzt voraus, dass es einen regionalen Anbieter gibt, da die Leitungen üblicherweise nicht länger als 30 Kilometer sind. Ist die Infrastruktur vorhanden, benötigt das Haus eine entsprechenden Anschluss und ist dann Teil des Netzes.
Grafik: Fernwärmenetz in Deutschland
Quelle: HAWK
Wie ist das Fernwärmenetz in Deutschland ausgebaut?
Ein flächendeckendes Fernwärmenetz gibt es in Deutschland nicht. Laut Statistischem Bundesamt nutzten knapp sieben Millionen Haushalte im Jahr 2022 Fernwärme als überwiegende Energieart. Laut-AGFW Sprecher sind Einfamilienhäuser eher die Ausnahme. Typisch seien eher:
Über das längste Fernwärmenetz verfügen, laut AGFW-Reort, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg. Betrachtet man die Netzlänge pro Einwohner*in fallen beide aber ins Hinterfeld zurück, stattdessen haben Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern die Nase vorn.
Wie Mannheim den Fernwärme-Ausbau vorantreibt:
Die Industriestadt im Norden Baden-Württembergs verfügt über ein rund 600 km langes Fernwärmenetz. Mehr als 60 Prozent der Haushalte im Stadtgebiet sind laut Betreiber angeschlossen. Aktuell deckt die Abwärme einer Müllverbrennungsanlage 30 Prozent des Wärmebedarfs. 70 Prozent stammen aus dem steinkohlebetriebenen Großkraftwerk Mannheim. Bis 2030 will man hier "klimafreundlich" werden und den Kohlestrom unter anderem durch Biomasse, industrielle Abwärme und Flusswärme ersetzen. Quellen: MVV; Klimaschutz- und Energieagentur Baden-Württemberg
Was kostet Fernwärme?
Fernwärme benötigt weder einen Heizkessel noch Raum zur Lagerung von Brennstoffen. Das spart Kosten für Verbaucher*innen. Wer auf Fernwärme umstellen möchte, sollte allerdings laut Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen bei einem kleineren Gebäude mit einmalig 8.000 bis 15.000 Euro für entsprechende Anschlüsse und Leitungen rechnen. Förderangebote können den Preis noch einmal senken.
Die Rechnung, die Verbraucher*innen dann am Ende zahlen, hängt wiederum von verschiedenen Faktoren ab. Zunächst gibt es einen jährlichen Grundpreis, der zu entrichten ist, dazu addieren sich die Kosten für die verbrauchten Kilowattstunden. Betreibt der Anbieter mehrere lokale Netze, kann der Preis sogar von Stadtteil zu Stadtteil variieren. Generell gilt:
Wird Fernwärme die neue Alternative zur Wärmepumpe im Streit um das neue Heizungsgesetz? Wie mit Fernwärme klimafreundlich geheizt werden kann, zeigt das Beispiel Rostock.12.06.2023 | 1:55 min
Es gebe aber auch Fälle, bei denen die Kosten trotz Abfallverbrennung deutlich gestiegen seien. Eine Sprecherin der Verbraucherzentrale NRW teilt uns auf Anfrage mit, dass der ihr höchste bekannte Preis in Nordrhein-Westfalen bei 46 Cent pro Kilowattsunde liege.
Das Statistische Bundesamt errechnet monatlich den Wärmepreisindex für Fernwärme, auch hier lässt sich ein deutlicher Anstieg erkennen.
Kritik an Preisstruktur
Kritisiert wird beim Thema Fernwärme immer wieder die lokale Anbieterstruktur, die einer Monopolstellung gleichen kann. Wettbewerb fehlt, so dass Verbraucher*innen keine Preise vergleichen können und gegebenenfalls zu einem günstigeren Anbieter wechseln könnten.