Staatschefs beraten in Brüssel:EU-Gipfel: Besorgnis nach Wagner-Revolte
|
Welche Folgen hat die Revolte in Russland vom Samstag und wie reagiert die EU darauf? Die Staatschefs beim Gipfel sind beunruhigt. Zudem geht es um das Streitthema Migration.
Die geplante Verlegung von russischen Söldnern der Gruppe Wagner nach Belarus hat beim EU-Gipfel erhebliche Sorge ausgelöst. Staaten wie Polen, Lettland und Litauen fürchten um die Sicherheit der östlichen Außengrenzen. Bundeskanzler Olaf Scholz erinnerte vor Gesprächen der EU-Staats- und Regierungschefs mit Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg an das Beistandsversprechen im Militärbündnis.
Beim EU-Gipfel bis zu diesem Freitag ist die weitere Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Angriffskrieg eines der Topthemen. Auf der Tagesordnung standen zudem die künftige Migrationspolitik der EU und die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft sowie das Verhältnis zu China.
Zu Beginn äußerten sich viele Gipfel-Teilnehmer aber vor allem zur unklaren Lage in Russland nach der Konfrontation des Wagner-Chefs Jewgeni Prigoschin mit Präsident Wladimir Putin.
Nato hält sich bedeckt über Konsequenzen
Prigoschin hatte am Samstag zeitweise seine Kämpfer Richtung Moskau marschieren lassen, gab dann aber überraschend auf und erklärte sich bereit, ins EU-Nachbarland Belarus überzusiedeln - mit einer unbekannten Zahl von Söldnern.
Präsident Putin hat den Wagner-Söldnern ein Ultimatum gesetzt. Entweder sie treten in Russlands Armee ein, oder sie gehen nach Belarus. Wie verändern die Söldnertruppen das Nachbarland?28.06.2023 | 4:16 min
Die Nato will aktuell keine Prognose über sicherheitspolitische Auswirkungen von Prigoschins Aufstand geben. "Es ist zu früh, um endgültige Schlussfolgerungen zu ziehen - auch weil noch nicht klar ist, wie viele der Wagner-Kräfte in Belarus oder anderswo landen werden", sagte Stoltenberg am Rande des EU-Gipfels.
Auf eine Frage zu möglichen Sicherheitsgarantien für die Ukraine sagte Scholz: "Wir haben uns als Staaten verpflichtet, dass wir auch zukünftig der Ukraine etwas schulden, was ihre Sicherheit betrifft."
Frage von Sicherheitsgarantien umstritten
Auf weitreichende Sicherheitsgarantien der gesamten EU kann die Ukraine aber wohl vorerst nicht zählen. Der österreichische Bundeskanzler Karl Nehammer machte deutlich, dass sein Land wegen seiner Neutralität für solche Zusagen die notwendige Zustimmung verweigern würde. Zudem hätten auch Irland, Malta und Zypern klar Bedenken angemeldet, erklärte er.
In Russland ist der seit Langem schwelende Machtkampf zwischen Jewgeni Prigoschin, Chef der Söldnertruppe Wagner, und der russischen Militärführung eskaliert.27.06.2023 | 7:15 min
Polen hatte am Mittwochabend bekanntgegeben, wegen der geplanten Verlegung von Wagner-Söldnern nach Belarus seine Ostgrenze noch stärker sichern zu wollen. Geplant sei sowohl eine Aufstockung der dort stationierten uniformierten Kräfte als auch eine Erhöhung der Anzahl "verschiedener Arten von Hindernissen und Befestigungen zum Schutz unserer Grenze im Falle eines Angriffs", sagte Vize-Regierungschef Jaroslaw Kaczynski.
Der lettische Regierungschef Krisjanis Karins sagte, die Tatsache, dass in Belarus eine unbekannte Zahl von ausgebildeten Kämpfern stationiert werde, könne zur Bedrohung werden.
Litauen kündigte seinerseits am Donnerstag an, die Kontrollen an seinen Grenzen zu Russland und Belarus zu verstärken.
Es gebe "sehr, sehr viel Gift in der EU", sagt ZDF-Korrespondent Ulf Röller:
Streit über Verteilung von Flüchtlingen
Überschattet werden könnte der Gipfel zudem vom Streit über die Begrenzung von Migration und die Verteilung von Geflüchteten in der EU. Ungarn und Polen hatten sich zuletzt sehr kritisch über den von den EU-Innenministern erreichten Kompromiss geäußert und eine Vetodrohung in den Raum gestellt. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen setzte sich beim EU-Gipfel für mehr legale Migration nach Europa ein.
Polen und Ungarn stellen sich beim geplanten Asyl-Kompromiss quer: Sie lehnen die Verpflichtung zur Aufnahme von Flüchtlingen weiterhin ab, wollen aber auch keine Ausgleichszahlungen leisten.30.06.2023 | 2:30 min
Quelle: dpa