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Konzept für neuen Wehrdienst :Pistorius-Plan: Zu viel oder nicht genug?
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Mindestens 5.000 Wehrpflichtige pro Jahr will der Verteidigungsminister gewinnen. Einer künftigen Reserveoffizierin geht der Plan zu weit, dem Reservistenverband nicht weit genug.
Seit seinem Amtsantritt Anfang 2023 fordert Boris Pistorius immer wieder, Deutschland müsse kriegstüchtig werden. Jetzt hat der Verteidigungsminister seinen Plan für einen neuen Wehrdienst vorgestellt. Jedes Jahr sollen rund 400.000 junge Männer einen Fragebogen zugeschickt bekommen.
Sie hätten dann die Pflicht, ihn zu beantworten, müssten Angaben zu Ausbildung, Gesundheitszustand und prinzipiellem Interesse an der Bundeswehr machen. Bis zu 50.000 sollen so zur Musterung vorgeladen werden. Frauen bekämen den Fragebogen auch, müssten ihn aber nicht ausfüllen.
Im Gespräch bei ZDFheute live diskutieren der Präsident des Reservistenverbandes, Patrick Sensburg (CDU), und die Reserveoffiziersanwärterin Kerry Hoppe (FDP) darüber.
Das sagen sie zu ...
… dem Plan von Verteidigungsminister Pistorius
Für Hoppe ist klar: Es gebe in der Bundeswehr nicht nur ein Personaldefizit, sondern auch ein "Informations- und Wissensproblem". Mit der Aussetzung der Wehrpflicht und dem Abbau der Wehrersatzämter wisse man einfach nicht mehr, "wer wäre in der Lage dazu, körperlich und psychisch den Dienst an der Waffe abzuleisten." Die Erfassung von Wehrfähigen sei also begrüßenswert.
Auch Sensburg sieht Pistorius’ Pläne als einen ersten Schritt, an Daten ranzukommen. Aber: Es sei eine Werbeaktion, "man könnte es Werbemailing nennen". Das löse nicht die Probleme der Bundeswehr in der langfristigen Perspektive. Man müsse darüber hinausgehen, nur aktuelle Lücken in der Bundeswehr schließen zu wollen.
Stärkster limitierender Faktor ist die Bundeswehr selber.
Patrick Sensburg, Präsident Reservistenverband
Die Bundeswehr wolle gar nicht, dass man die entsprechende Größe erreicht, glaubt Sensburg. Natürlich könne man Unterkünfte wieder herrichten und ausbilden. Aber das sei anstrengend und mit erheblichem Aufwand verbunden. Man müsse kontinuierlich Ausbildung und Reserve mitdenken, das sei lange nicht passiert. "Wenn man 30 Jahre in die eine Richtung gegangen ist, dann fällt es sehr schwer, jetzt in die andere Richtung zu gehen", sagt Sensburg. Pistorius Rechnung sei "für eine Bedrohungslage nicht ausreichend".
… dem Potenzial der Reserve
Der Präsident des Reservistenverbands Sensburg plädiert für eine Wehrpflicht. Mit deren Aussetzung sei viel weggebrochen, weil sie einerseits für die Nachwuchsgewinnung relevant war, aber andererseits auch, weil mit der Wehrpflicht eine große Zahl an Reservistinnen und Reservisten in Deutschland geschaffen worden sei. Die seien Teil der Verteidigungsfähigkeit. Dabei sei eine neue Fregatte teurer als eine gut ausgestattete Reserve.
Auch Hoppe setzt sich dafür ein, das Potenzial der Reservisten stärker abzurufen. Sie hätte sich Antworten auf die Frage erhofft, was man mit all jenen mache, die bereits gedient haben. Da müsse man ran, die müsse man erfassen. Die Ankündigung, mit dem Reservistenverband zusammenzuarbeiten, laufe teils ins Leere. Nicht alle ehemaligen Soldaten seien beim Reservistenverband. Außerdem müsse man sich mit den Hürden befassen, die Reservisten davon abhielten, in der aktiven Truppe mitzumachen.
Wenn wir 900.000 Reservisten haben, aber nur 40.000 davon jährlich üben, woran liegt diese Differenz? Wo ist das Problem?
Kerry Hoppe, zukünftige Reserveoffizierin
Dabei gebe es viele Fragen zu beantworten: Liege es vielleicht an problematischen Abläufen mit dem Bundesamt für Personalmanagement, an den Beorderungsdienststellen, die sich nicht vernünftig kümmerten oder seien die Abläufe grundsätzlich zu bürokratisch?
... zu Verpflichtung junger Menschen
Kerry Hoppe setzt sich auch für die Rechte junger Menschen ein, zum Beispiel das Wahlrecht ab 16. Ein verpflichtender Wehrdienst ist für sie das letzte Mittel. Wenn die Wehrtüchtigkeit der Bundeswehr nur so zu erhalten sei, lasse sich das rechtfertigen. Das gebe das Grundgesetz vor. Aber Corona und andere Krisen hätten vor allem auch junge Menschen betroffen.
Das nimmt uns stark in die Pflicht zu prüfen, gibt es weniger intensive Maßnahmen, die genauso wirksam sind?
Kerry Hoppe, zukünftige Reserveoffizierin
Dagegen wirbt Patrick Sensburg dafür die alte Wehrpflicht neu wiederzubeleben.
Neu bedeutet größere Sinnhaftigkeit für junge Leute, dass die Zeit eben auch ein Gewinn ist.
Patrick Sensburg, Präsident Reservistenverband
So könnten junge Menschen bei der Bundeswehr zum Beispiel Punkte für ihr Studienkonto sammeln oder Fähigkeit, die eine anschließende Ausbildung verkürzen. Die Bundeswehr müsse also erheblich individueller auf die Themen der jungen Menschen eingehen, die dann von einer Wehrpflicht betroffen sind, so Sensburg.
Das Gespräch führte Christopher Wehrmann.
Quelle: ZDF
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